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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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kein Trinken fordern, oder nicht zulassen; andere, welche es be-
stimmt und entschieden verlangen. Galen und die Salernita-
ner erinnern daran, daß man zu Schweinfleisch guten alten
Wein trinken solle, damit eine gewisse Ergänzung und überein-
stimmende Einheit (summetria) in die Sache komme.

Wenn man kalten, trocknen Rehbraten ißt, wird man
deutlich die Forderung nach Rheinwein oder Burgunder in sich
verspüren. Aal oder Wildschweinskopf fordert Madeira. Caviar
widerspricht absolut allen süßen Weinen. Thee fordert Butter-
brod, Milchcaffee Kuchen.

Austern und Champagner werden sprüchwörtlich so unzer-
trennlich gedacht, wie Glauben und Hoffen. Es ist aber nicht
wohl abzusehen, warum Champagner zu Krebsen, Hummern
und dergleichen nicht eben so gut ist. Champagner und Burgunder
paßt nicht zu sauren Speisen. Rheinwein empfiehlt sich, als
Appetit befördernd, vor Tisch. Suvpen, mit Ausnahme der
Schildkrötensuppe, schließen alles Trinken aus.

Rettige weisen jeden Wein ab, und harmoniren, etwa im
Freien, zu einem guten Glas Bier sehr wohl.

Man sagt gewöhnlich: der Fisch will schwimmen. So
sehr ich aber erkenne und anerkenne, wie absolut nothwendig
es sei, z. B. nach einem wohlgesalznen und gepfefferten geback-
nen Karpfen, nach Härings- oder Sardellensalat und Aehn-
lichem zu trinken, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, daß
keine Speise schwimmen will.

Jeder, welcher Physik gehört, weiß, daß Körper in einer
bestimmten Flüssigkeit dann schwimmen, wenn sie leichter sind,
als ein dem ihrigen gleiches Volumen jener Flüssigkeit, -- er
kennt ferner das Prinzip des Archimedes, daß ein in eine
Flüssigkeit gesenkter Körper so viel von seinem Gewicht verliert,
wie viel das Gewicht der von ihm aus der Stelle gedrängten
Flüssigkeit beträgt. Es ist ihm eben so wenig unbekannt, daß
ein Fisch genau so viel wiegt, als er Wasser aus der Stelle

kein Trinken fordern, oder nicht zulaſſen; andere, welche es be-
ſtimmt und entſchieden verlangen. Galen und die Salernita-
ner erinnern daran, daß man zu Schweinfleiſch guten alten
Wein trinken ſolle, damit eine gewiſſe Ergaͤnzung und uͤberein-
ſtimmende Einheit (συμμετρια) in die Sache komme.

Wenn man kalten, trocknen Rehbraten ißt, wird man
deutlich die Forderung nach Rheinwein oder Burgunder in ſich
verſpuͤren. Aal oder Wildſchweinskopf fordert Madeira. Caviar
widerſpricht abſolut allen ſuͤßen Weinen. Thee fordert Butter-
brod, Milchcaffée Kuchen.

Auſtern und Champagner werden ſpruͤchwoͤrtlich ſo unzer-
trennlich gedacht, wie Glauben und Hoffen. Es iſt aber nicht
wohl abzuſehen, warum Champagner zu Krebſen, Hummern
und dergleichen nicht eben ſo gut iſt. Champagner und Burgunder
paßt nicht zu ſauren Speiſen. Rheinwein empfiehlt ſich, als
Appetit befoͤrdernd, vor Tiſch. Suvpen, mit Ausnahme der
Schildkroͤtenſuppe, ſchließen alles Trinken aus.

Rettige weiſen jeden Wein ab, und harmoniren, etwa im
Freien, zu einem guten Glas Bier ſehr wohl.

Man ſagt gewoͤhnlich: der Fiſch will ſchwimmen. So
ſehr ich aber erkenne und anerkenne, wie abſolut nothwendig
es ſei, z. B. nach einem wohlgeſalznen und gepfefferten geback-
nen Karpfen, nach Haͤrings- oder Sardellenſalat und Aehn-
lichem zu trinken, ſo darf doch nicht unerwaͤhnt bleiben, daß
keine Speiſe ſchwimmen will.

Jeder, welcher Phyſik gehoͤrt, weiß, daß Koͤrper in einer
beſtimmten Fluͤſſigkeit dann ſchwimmen, wenn ſie leichter ſind,
als ein dem ihrigen gleiches Volumen jener Fluͤſſigkeit, — er
kennt ferner das Prinzip des Archimedes, daß ein in eine
Fluͤſſigkeit geſenkter Koͤrper ſo viel von ſeinem Gewicht verliert,
wie viel das Gewicht der von ihm aus der Stelle gedraͤngten
Fluͤſſigkeit betraͤgt. Es iſt ihm eben ſo wenig unbekannt, daß
ein Fiſch genau ſo viel wiegt, als er Waſſer aus der Stelle

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[255/0269] kein Trinken fordern, oder nicht zulaſſen; andere, welche es be- ſtimmt und entſchieden verlangen. Galen und die Salernita- ner erinnern daran, daß man zu Schweinfleiſch guten alten Wein trinken ſolle, damit eine gewiſſe Ergaͤnzung und uͤberein- ſtimmende Einheit (συμμετρια) in die Sache komme. Wenn man kalten, trocknen Rehbraten ißt, wird man deutlich die Forderung nach Rheinwein oder Burgunder in ſich verſpuͤren. Aal oder Wildſchweinskopf fordert Madeira. Caviar widerſpricht abſolut allen ſuͤßen Weinen. Thee fordert Butter- brod, Milchcaffée Kuchen. Auſtern und Champagner werden ſpruͤchwoͤrtlich ſo unzer- trennlich gedacht, wie Glauben und Hoffen. Es iſt aber nicht wohl abzuſehen, warum Champagner zu Krebſen, Hummern und dergleichen nicht eben ſo gut iſt. Champagner und Burgunder paßt nicht zu ſauren Speiſen. Rheinwein empfiehlt ſich, als Appetit befoͤrdernd, vor Tiſch. Suvpen, mit Ausnahme der Schildkroͤtenſuppe, ſchließen alles Trinken aus. Rettige weiſen jeden Wein ab, und harmoniren, etwa im Freien, zu einem guten Glas Bier ſehr wohl. Man ſagt gewoͤhnlich: der Fiſch will ſchwimmen. So ſehr ich aber erkenne und anerkenne, wie abſolut nothwendig es ſei, z. B. nach einem wohlgeſalznen und gepfefferten geback- nen Karpfen, nach Haͤrings- oder Sardellenſalat und Aehn- lichem zu trinken, ſo darf doch nicht unerwaͤhnt bleiben, daß keine Speiſe ſchwimmen will. Jeder, welcher Phyſik gehoͤrt, weiß, daß Koͤrper in einer beſtimmten Fluͤſſigkeit dann ſchwimmen, wenn ſie leichter ſind, als ein dem ihrigen gleiches Volumen jener Fluͤſſigkeit, — er kennt ferner das Prinzip des Archimedes, daß ein in eine Fluͤſſigkeit geſenkter Koͤrper ſo viel von ſeinem Gewicht verliert, wie viel das Gewicht der von ihm aus der Stelle gedraͤngten Fluͤſſigkeit betraͤgt. Es iſt ihm eben ſo wenig unbekannt, daß ein Fiſch genau ſo viel wiegt, als er Waſſer aus der Stelle

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/269>, abgerufen am 24.11.2024.