Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon schimmerte das Immer näher kamen wir der fruchttragenden Mutter Wie mütterlich liebend sorgt doch die Natur für alle ihre Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch' innigem Zu- Es gilt aber noch weiter zu erwägen, wie die Einsichts- Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon ſchimmerte das Immer naͤher kamen wir der fruchttragenden Mutter Wie muͤtterlich liebend ſorgt doch die Natur fuͤr alle ihre Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch’ innigem Zu- Es gilt aber noch weiter zu erwaͤgen, wie die Einſichts- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="12"/> <p>Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon ſchimmerte das<lb/> lichte Gruͤn junger Lorbeerbaͤume heruͤber und bildete durch die<lb/> wuͤrzigen Blaͤtter einen harmoniſchen Einklang in das durch die<lb/> wilden Enten von ſuͤßer Sehnſucht leiſe bewegte Gemuͤth. Die<lb/> delikate Seelerche ſtrich am Ufer hin und bot ſich dem luͤſternen<lb/> Auge dar. Ein Geier ſtuͤrzte aus der Hoͤhe zur Meeresflaͤche,<lb/> und holte ſich ein Fiſchlein zum Fruͤhſtuͤck. Wir ſelbſt ſaßen<lb/> gemaͤchlich auf dem Verdeck und bewillkommten — buchſtaͤblich<lb/> wie <hi rendition="#g">Goethe</hi> ſagt — den Morgenſtern mit Bratwuͤrſten in der<lb/> Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein.</p><lb/> <p>Immer naͤher kamen wir der fruchttragenden Mutter<lb/> Erde. Heerden von Schafen und Rindern weideten und fra-<lb/> ßen von dem großen, immer fuͤr ſie gedeckten, gruͤnen Tiſche.<lb/> Ach, es muß der entzuͤckendſte Gedanke ſein, den ein Ochs haben<lb/> kann, wenn er, ſo weit ſein Auge reicht, den ſaftgruͤnen Gras-<lb/> boden uͤberblickend, ſich ſagt: dieß Alles iſt eßbar, und ſchmeckt<lb/> ſo ſuͤß, und liegt mir vor der Naſe, und ich brauche blos mei-<lb/> nen Kopf zu buͤcken, ſo hab’ ich’s.</p><lb/> <p>Wie muͤtterlich liebend ſorgt doch die Natur fuͤr alle ihre<lb/> Kinder, und wie oft wird ſie verkannt, die Guͤtige! Sie bietet<lb/> das Lieblichſte und Beſte dar, und ihre naͤrriſchen Kinder moͤ-<lb/> gen’s nicht und weinen. — So weit das Fragment.</p><lb/> <p>Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch’ innigem Zu-<lb/> ſammenhang mit der Eßkunſt die nobelſten Beſchaͤftigungen<lb/> und Amuſemens: Jagd, Vogelfang und Fiſcherei ſtehen, ja<lb/> wie ſie zunaͤchſt erſt durch jene Beziehung einen ſo reizenden<lb/> Naturgenuß gewaͤhren.</p><lb/> <p>Es gilt aber noch weiter zu erwaͤgen, wie die Einſichts-<lb/> und Geſchmackvolleren der Menſchen die Bedeutung des Eſſens<lb/> mit dem Leben uͤberhaupt, ſowohl dem oͤffentlichen, als Privat-<lb/> leben, auf das Innigſte und Freundlichſte verkettet, welche eben<lb/> ſo alt ehrwuͤrdigen, als immer auf’s Neue liebenswuͤrdigen Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0026]
Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon ſchimmerte das
lichte Gruͤn junger Lorbeerbaͤume heruͤber und bildete durch die
wuͤrzigen Blaͤtter einen harmoniſchen Einklang in das durch die
wilden Enten von ſuͤßer Sehnſucht leiſe bewegte Gemuͤth. Die
delikate Seelerche ſtrich am Ufer hin und bot ſich dem luͤſternen
Auge dar. Ein Geier ſtuͤrzte aus der Hoͤhe zur Meeresflaͤche,
und holte ſich ein Fiſchlein zum Fruͤhſtuͤck. Wir ſelbſt ſaßen
gemaͤchlich auf dem Verdeck und bewillkommten — buchſtaͤblich
wie Goethe ſagt — den Morgenſtern mit Bratwuͤrſten in der
Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein.
Immer naͤher kamen wir der fruchttragenden Mutter
Erde. Heerden von Schafen und Rindern weideten und fra-
ßen von dem großen, immer fuͤr ſie gedeckten, gruͤnen Tiſche.
Ach, es muß der entzuͤckendſte Gedanke ſein, den ein Ochs haben
kann, wenn er, ſo weit ſein Auge reicht, den ſaftgruͤnen Gras-
boden uͤberblickend, ſich ſagt: dieß Alles iſt eßbar, und ſchmeckt
ſo ſuͤß, und liegt mir vor der Naſe, und ich brauche blos mei-
nen Kopf zu buͤcken, ſo hab’ ich’s.
Wie muͤtterlich liebend ſorgt doch die Natur fuͤr alle ihre
Kinder, und wie oft wird ſie verkannt, die Guͤtige! Sie bietet
das Lieblichſte und Beſte dar, und ihre naͤrriſchen Kinder moͤ-
gen’s nicht und weinen. — So weit das Fragment.
Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch’ innigem Zu-
ſammenhang mit der Eßkunſt die nobelſten Beſchaͤftigungen
und Amuſemens: Jagd, Vogelfang und Fiſcherei ſtehen, ja
wie ſie zunaͤchſt erſt durch jene Beziehung einen ſo reizenden
Naturgenuß gewaͤhren.
Es gilt aber noch weiter zu erwaͤgen, wie die Einſichts-
und Geſchmackvolleren der Menſchen die Bedeutung des Eſſens
mit dem Leben uͤberhaupt, ſowohl dem oͤffentlichen, als Privat-
leben, auf das Innigſte und Freundlichſte verkettet, welche eben
ſo alt ehrwuͤrdigen, als immer auf’s Neue liebenswuͤrdigen Ge-
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