Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon schimmerte das lichte Grün junger Lorbeerbäume herüber und bildete durch die würzigen Blätter einen harmonischen Einklang in das durch die wilden Enten von süßer Sehnsucht leise bewegte Gemüth. Die delikate Seelerche strich am Ufer hin und bot sich dem lüsternen Auge dar. Ein Geier stürzte aus der Höhe zur Meeresfläche, und holte sich ein Fischlein zum Frühstück. Wir selbst saßen gemächlich auf dem Verdeck und bewillkommten -- buchstäblich wie Goethe sagt -- den Morgenstern mit Bratwürsten in der Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein.
Immer näher kamen wir der fruchttragenden Mutter Erde. Heerden von Schafen und Rindern weideten und fra- ßen von dem großen, immer für sie gedeckten, grünen Tische. Ach, es muß der entzückendste Gedanke sein, den ein Ochs haben kann, wenn er, so weit sein Auge reicht, den saftgrünen Gras- boden überblickend, sich sagt: dieß Alles ist eßbar, und schmeckt so süß, und liegt mir vor der Nase, und ich brauche blos mei- nen Kopf zu bücken, so hab' ich's.
Wie mütterlich liebend sorgt doch die Natur für alle ihre Kinder, und wie oft wird sie verkannt, die Gütige! Sie bietet das Lieblichste und Beste dar, und ihre närrischen Kinder mö- gen's nicht und weinen. -- So weit das Fragment.
Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch' innigem Zu- sammenhang mit der Eßkunst die nobelsten Beschäftigungen und Amusemens: Jagd, Vogelfang und Fischerei stehen, ja wie sie zunächst erst durch jene Beziehung einen so reizenden Naturgenuß gewähren.
Es gilt aber noch weiter zu erwägen, wie die Einsichts- und Geschmackvolleren der Menschen die Bedeutung des Essens mit dem Leben überhaupt, sowohl dem öffentlichen, als Privat- leben, auf das Innigste und Freundlichste verkettet, welche eben so alt ehrwürdigen, als immer auf's Neue liebenswürdigen Ge-
Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon ſchimmerte das lichte Gruͤn junger Lorbeerbaͤume heruͤber und bildete durch die wuͤrzigen Blaͤtter einen harmoniſchen Einklang in das durch die wilden Enten von ſuͤßer Sehnſucht leiſe bewegte Gemuͤth. Die delikate Seelerche ſtrich am Ufer hin und bot ſich dem luͤſternen Auge dar. Ein Geier ſtuͤrzte aus der Hoͤhe zur Meeresflaͤche, und holte ſich ein Fiſchlein zum Fruͤhſtuͤck. Wir ſelbſt ſaßen gemaͤchlich auf dem Verdeck und bewillkommten — buchſtaͤblich wie Goethe ſagt — den Morgenſtern mit Bratwuͤrſten in der Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein.
Immer naͤher kamen wir der fruchttragenden Mutter Erde. Heerden von Schafen und Rindern weideten und fra- ßen von dem großen, immer fuͤr ſie gedeckten, gruͤnen Tiſche. Ach, es muß der entzuͤckendſte Gedanke ſein, den ein Ochs haben kann, wenn er, ſo weit ſein Auge reicht, den ſaftgruͤnen Gras- boden uͤberblickend, ſich ſagt: dieß Alles iſt eßbar, und ſchmeckt ſo ſuͤß, und liegt mir vor der Naſe, und ich brauche blos mei- nen Kopf zu buͤcken, ſo hab’ ich’s.
Wie muͤtterlich liebend ſorgt doch die Natur fuͤr alle ihre Kinder, und wie oft wird ſie verkannt, die Guͤtige! Sie bietet das Lieblichſte und Beſte dar, und ihre naͤrriſchen Kinder moͤ- gen’s nicht und weinen. — So weit das Fragment.
Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch’ innigem Zu- ſammenhang mit der Eßkunſt die nobelſten Beſchaͤftigungen und Amuſemens: Jagd, Vogelfang und Fiſcherei ſtehen, ja wie ſie zunaͤchſt erſt durch jene Beziehung einen ſo reizenden Naturgenuß gewaͤhren.
Es gilt aber noch weiter zu erwaͤgen, wie die Einſichts- und Geſchmackvolleren der Menſchen die Bedeutung des Eſſens mit dem Leben uͤberhaupt, ſowohl dem oͤffentlichen, als Privat- leben, auf das Innigſte und Freundlichſte verkettet, welche eben ſo alt ehrwuͤrdigen, als immer auf’s Neue liebenswuͤrdigen Ge-
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Das Ufer war nicht mehr ferne. Schon ſchimmerte das
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wuͤrzigen Blaͤtter einen harmoniſchen Einklang in das durch die
wilden Enten von ſuͤßer Sehnſucht leiſe bewegte Gemuͤth. Die
delikate Seelerche ſtrich am Ufer hin und bot ſich dem luͤſternen
Auge dar. Ein Geier ſtuͤrzte aus der Hoͤhe zur Meeresflaͤche,
und holte ſich ein Fiſchlein zum Fruͤhſtuͤck. Wir ſelbſt ſaßen
gemaͤchlich auf dem Verdeck und bewillkommten — buchſtaͤblich
wie Goethe ſagt — den Morgenſtern mit Bratwuͤrſten in der
Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein.
Immer naͤher kamen wir der fruchttragenden Mutter
Erde. Heerden von Schafen und Rindern weideten und fra-
ßen von dem großen, immer fuͤr ſie gedeckten, gruͤnen Tiſche.
Ach, es muß der entzuͤckendſte Gedanke ſein, den ein Ochs haben
kann, wenn er, ſo weit ſein Auge reicht, den ſaftgruͤnen Gras-
boden uͤberblickend, ſich ſagt: dieß Alles iſt eßbar, und ſchmeckt
ſo ſuͤß, und liegt mir vor der Naſe, und ich brauche blos mei-
nen Kopf zu buͤcken, ſo hab’ ich’s.
Wie muͤtterlich liebend ſorgt doch die Natur fuͤr alle ihre
Kinder, und wie oft wird ſie verkannt, die Guͤtige! Sie bietet
das Lieblichſte und Beſte dar, und ihre naͤrriſchen Kinder moͤ-
gen’s nicht und weinen. — So weit das Fragment.
Nur kurz will ich darauf hindeuten, in welch’ innigem Zu-
ſammenhang mit der Eßkunſt die nobelſten Beſchaͤftigungen
und Amuſemens: Jagd, Vogelfang und Fiſcherei ſtehen, ja
wie ſie zunaͤchſt erſt durch jene Beziehung einen ſo reizenden
Naturgenuß gewaͤhren.
Es gilt aber noch weiter zu erwaͤgen, wie die Einſichts-
und Geſchmackvolleren der Menſchen die Bedeutung des Eſſens
mit dem Leben uͤberhaupt, ſowohl dem oͤffentlichen, als Privat-
leben, auf das Innigſte und Freundlichſte verkettet, welche eben
ſo alt ehrwuͤrdigen, als immer auf’s Neue liebenswuͤrdigen Ge-
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/26>, abgerufen am 23.07.2024.
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