Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Bei den Krebsen finde ich mich zunächst veranlaßt, zu be- Bei'm Krebsessen ist aber vor Allem zierliche Fertigkeit Der sehr verbreitete Glaube, die Krebse würden schmack- Bei den Krebſen finde ich mich zunaͤchſt veranlaßt, zu be- Bei’m Krebseſſen iſt aber vor Allem zierliche Fertigkeit Der ſehr verbreitete Glaube, die Krebſe wuͤrden ſchmack- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0252" n="238"/> <p>Bei den Krebſen finde ich mich zunaͤchſt veranlaßt, zu be-<lb/> merken, daß diejenigen, welche gerade Eier unter dem Schwanze<lb/> haben, zu dieſer Zeit ſehr wenig ſchmackhaft ſind, und ſchon<lb/> deßhalb Schonung verdienten, wenn man auch die vielen tauſend<lb/> zukuͤnftiger Krebſe, welche man im entgegengeſetzten Falle im<lb/> Keime vernichtet, nicht beachten will. — Der Menſch ſollte<lb/> aber auch in dieſer Beziehung eſſen wie ein Menſch. — Eine<lb/> ſeine Zunge wird an den ſonderbar, faſt wie Siegellack,<lb/> ſchmeckenden Krebseiern uͤberhaupt nichts Delicates finden. Die<lb/> rohen Eier aber von lebenden Krebſinen wegzueſſen, wie ich<lb/> ein paar Mal geſehen, gehoͤrt zu einem Styl, von dem ich<lb/> wuͤnſchte, daß in dieſen Vorleſungen nichts vorgekommen ſein<lb/> moͤchte.</p><lb/> <p>Bei’m Krebseſſen iſt aber vor Allem zierliche Fertigkeit<lb/> noͤthig, ſowohl um Anſtoß zu vermeiden, als beſonders, um durch<lb/> ungeuͤbtes zoͤgerndes Verfahren nicht die groͤßten, beſten, und mei-<lb/> Krebſe von Geuͤbteren ſich vor der Naſe weg eſſen zu ſehen.<lb/> Ißt man ſelber und jedermann keine Krebſe mehr, ſo kann<lb/> man, — wenn man’s kann; es iſt aber ſpottleicht, — aus<lb/> den Scheeren gar niedliche fechtende Maͤnnlein machen, auf<lb/> Brod ſtecken, und zum Divertiſſement der Gaͤſte ſeine Ge-<lb/> ſchicklichkeit zirkuliren laſſen. Unſtatthaft iſt die Ausuͤbung<lb/> dieſer plaſtiſchen Kunſtfertigkeit, ſo lange Andere noch Krebſe<lb/> eſſen wollen und alſo ſelbe nicht gerne, namentlich zu ſo un-<lb/> eigentlicher Verwendung, ſich entziehen ſehen; dieß um ſo<lb/> weniger, wenn die Kuͤnſtler, wie meiſtens, gerade die groͤßten<lb/> Krebſe zu ihren anthropomorphiſchen Bildungen waͤhlen.</p><lb/> <p>Der ſehr verbreitete Glaube, die Krebſe wuͤrden ſchmack-<lb/> hafter, wenn man ſie mit kaltem Waſſer an’s Feuer ſetzt und<lb/> kocht, beruht auf einem Vorurtheil, einer irrigen Annahme,<lb/> welche man zu berichtigen menſchlich beſtrebt ſein ſollte. Doch<lb/> geſchehen auch in Deutſchland immer bedeutendere Schritte zur<lb/> Abſtellung der grauſamen Thierquaͤlereien, und Zartgefuͤhl und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0252]
Bei den Krebſen finde ich mich zunaͤchſt veranlaßt, zu be-
merken, daß diejenigen, welche gerade Eier unter dem Schwanze
haben, zu dieſer Zeit ſehr wenig ſchmackhaft ſind, und ſchon
deßhalb Schonung verdienten, wenn man auch die vielen tauſend
zukuͤnftiger Krebſe, welche man im entgegengeſetzten Falle im
Keime vernichtet, nicht beachten will. — Der Menſch ſollte
aber auch in dieſer Beziehung eſſen wie ein Menſch. — Eine
ſeine Zunge wird an den ſonderbar, faſt wie Siegellack,
ſchmeckenden Krebseiern uͤberhaupt nichts Delicates finden. Die
rohen Eier aber von lebenden Krebſinen wegzueſſen, wie ich
ein paar Mal geſehen, gehoͤrt zu einem Styl, von dem ich
wuͤnſchte, daß in dieſen Vorleſungen nichts vorgekommen ſein
moͤchte.
Bei’m Krebseſſen iſt aber vor Allem zierliche Fertigkeit
noͤthig, ſowohl um Anſtoß zu vermeiden, als beſonders, um durch
ungeuͤbtes zoͤgerndes Verfahren nicht die groͤßten, beſten, und mei-
Krebſe von Geuͤbteren ſich vor der Naſe weg eſſen zu ſehen.
Ißt man ſelber und jedermann keine Krebſe mehr, ſo kann
man, — wenn man’s kann; es iſt aber ſpottleicht, — aus
den Scheeren gar niedliche fechtende Maͤnnlein machen, auf
Brod ſtecken, und zum Divertiſſement der Gaͤſte ſeine Ge-
ſchicklichkeit zirkuliren laſſen. Unſtatthaft iſt die Ausuͤbung
dieſer plaſtiſchen Kunſtfertigkeit, ſo lange Andere noch Krebſe
eſſen wollen und alſo ſelbe nicht gerne, namentlich zu ſo un-
eigentlicher Verwendung, ſich entziehen ſehen; dieß um ſo
weniger, wenn die Kuͤnſtler, wie meiſtens, gerade die groͤßten
Krebſe zu ihren anthropomorphiſchen Bildungen waͤhlen.
Der ſehr verbreitete Glaube, die Krebſe wuͤrden ſchmack-
hafter, wenn man ſie mit kaltem Waſſer an’s Feuer ſetzt und
kocht, beruht auf einem Vorurtheil, einer irrigen Annahme,
welche man zu berichtigen menſchlich beſtrebt ſein ſollte. Doch
geſchehen auch in Deutſchland immer bedeutendere Schritte zur
Abſtellung der grauſamen Thierquaͤlereien, und Zartgefuͤhl und
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