liches Leben führen, daher, nach Galen, von den Alten Pisces saxatiles oder petrosi genannt, wozu besonders die Forellen gehören.
Mit Recht, denn sie verdienen es, gelten manche Fischle- bern, besonders die des Hechts, der Aalputte (Gadus Lota) u. a., als feine Delicatessen. Dasselbe gilt von den Eiern der Karpfen, Hechte, Barsche, Lachse, Forellen, Störe -- Caviar, NB. flüssiger Caviar. --
Es kommt als eigne Erscheinung im Menschenleben vor, daß man hinten sucht, was vorn, unten, was oben, links, was rechts ist. So glauben manche Nationen, z. B. die Be- wohner von Belutschistan, Fischessen mache dumm. Es ist allerdings nicht klug, wenn man sich mit Fischen begnügt, wo man Fleisch haben kann. Aber das Dummmachen der Natur vorzuwerfen, zeigt wirklich von keiner großen Weisheit. O Himmel! die Natur ist hier außer aller Schuld. Dieß wird syste- matisch, künstlich betrieben; ja das Sichdummstellen haben zu allen Zeiten, wie jetzt, Viele zu solcher Virtuosität gebracht, daß man irre wird, ob ihre täuschenden Darstellungen nicht wirklich natürlich sind.
Daß Grätenfische mit vieler Vorsicht zu essen sind, sagt man schon den Kindern, und doch vergessen es oft die Erwach- senen zu ihrem größten Nachtheil.
Fische dürfen bei einem Gastmahl niemals als Haupt-, sondern immer nur als Zwischenessen betrachtet werden, fordern stärkeren Gewürzzusatz, eignen sich ihres Fettes wegen auch zum Sieden; Fischbrühe aber ist etwas Trauriges.
So viel im Allgemeinen. Indem ich aber über die ein- zelnen Fische sprechen will, wimmelt eine so große Anzahl vor mir herum, daß ich kaum weiß: "wo beginn', und wo end' ich!"
Ich nenne -- aber nicht aus lexikographischen Gründen -- den Aal zuerst, denn er, der Treffliche, ist der vor Allen Ver-
liches Leben fuͤhren, daher, nach Galen, von den Alten Pisces saxatiles oder petrosi genannt, wozu beſonders die Forellen gehoͤren.
Mit Recht, denn ſie verdienen es, gelten manche Fiſchle- bern, beſonders die des Hechts, der Aalputte (Gadus Lota) u. a., als feine Delicateſſen. Daſſelbe gilt von den Eiern der Karpfen, Hechte, Barſche, Lachſe, Forellen, Stoͤre — Caviar, NB. fluͤſſiger Caviar. —
Es kommt als eigne Erſcheinung im Menſchenleben vor, daß man hinten ſucht, was vorn, unten, was oben, links, was rechts iſt. So glauben manche Nationen, z. B. die Be- wohner von Belutſchiſtan, Fiſcheſſen mache dumm. Es iſt allerdings nicht klug, wenn man ſich mit Fiſchen begnuͤgt, wo man Fleiſch haben kann. Aber das Dummmachen der Natur vorzuwerfen, zeigt wirklich von keiner großen Weisheit. O Himmel! die Natur iſt hier außer aller Schuld. Dieß wird ſyſte- matiſch, kuͤnſtlich betrieben; ja das Sichdummſtellen haben zu allen Zeiten, wie jetzt, Viele zu ſolcher Virtuoſitaͤt gebracht, daß man irre wird, ob ihre taͤuſchenden Darſtellungen nicht wirklich natuͤrlich ſind.
Daß Graͤtenfiſche mit vieler Vorſicht zu eſſen ſind, ſagt man ſchon den Kindern, und doch vergeſſen es oft die Erwach- ſenen zu ihrem groͤßten Nachtheil.
Fiſche duͤrfen bei einem Gaſtmahl niemals als Haupt-, ſondern immer nur als Zwiſcheneſſen betrachtet werden, fordern ſtaͤrkeren Gewuͤrzzuſatz, eignen ſich ihres Fettes wegen auch zum Sieden; Fiſchbruͤhe aber iſt etwas Trauriges.
So viel im Allgemeinen. Indem ich aber uͤber die ein- zelnen Fiſche ſprechen will, wimmelt eine ſo große Anzahl vor mir herum, daß ich kaum weiß: „wo beginn’, und wo end’ ich!“
Ich nenne — aber nicht aus lexikographiſchen Gruͤnden — den Aal zuerſt, denn er, der Treffliche, iſt der vor Allen Ver-
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liches Leben fuͤhren, daher, nach Galen, von den Alten Pisces
saxatiles oder petrosi genannt, wozu beſonders die Forellen
gehoͤren.
Mit Recht, denn ſie verdienen es, gelten manche Fiſchle-
bern, beſonders die des Hechts, der Aalputte (Gadus Lota)
u. a., als feine Delicateſſen. Daſſelbe gilt von den Eiern der
Karpfen, Hechte, Barſche, Lachſe, Forellen, Stoͤre — Caviar,
NB. fluͤſſiger Caviar. —
Es kommt als eigne Erſcheinung im Menſchenleben vor,
daß man hinten ſucht, was vorn, unten, was oben, links,
was rechts iſt. So glauben manche Nationen, z. B. die Be-
wohner von Belutſchiſtan, Fiſcheſſen mache dumm. Es iſt
allerdings nicht klug, wenn man ſich mit Fiſchen begnuͤgt, wo
man Fleiſch haben kann. Aber das Dummmachen der Natur
vorzuwerfen, zeigt wirklich von keiner großen Weisheit. O
Himmel! die Natur iſt hier außer aller Schuld. Dieß wird ſyſte-
matiſch, kuͤnſtlich betrieben; ja das Sichdummſtellen haben zu
allen Zeiten, wie jetzt, Viele zu ſolcher Virtuoſitaͤt gebracht,
daß man irre wird, ob ihre taͤuſchenden Darſtellungen nicht
wirklich natuͤrlich ſind.
Daß Graͤtenfiſche mit vieler Vorſicht zu eſſen ſind, ſagt
man ſchon den Kindern, und doch vergeſſen es oft die Erwach-
ſenen zu ihrem groͤßten Nachtheil.
Fiſche duͤrfen bei einem Gaſtmahl niemals als Haupt-,
ſondern immer nur als Zwiſcheneſſen betrachtet werden, fordern
ſtaͤrkeren Gewuͤrzzuſatz, eignen ſich ihres Fettes wegen auch zum
Sieden; Fiſchbruͤhe aber iſt etwas Trauriges.
So viel im Allgemeinen. Indem ich aber uͤber die ein-
zelnen Fiſche ſprechen will, wimmelt eine ſo große Anzahl vor
mir herum, daß ich kaum weiß: „wo beginn’, und wo
end’ ich!“
Ich nenne — aber nicht aus lexikographiſchen Gruͤnden —
den Aal zuerſt, denn er, der Treffliche, iſt der vor Allen Ver-
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/249>, abgerufen am 16.02.2025.
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