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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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ich deßhalb billig dem Ermessen meiner sehr verehrten Herren
Zuhörer spezielle Urtheile hierüber anheim.

Dagegen habe ich der liebenswürdigen Sprößlinge beider
genannter Quadrupeden, des Kalbes und Ferkels zu gedenken.
Was ließe sich aber nicht hierüber allein sagen?

Wie schwer ist es zu bestimmen, -- es giebt nun einmal
Leute, die Alles bestimmt haben wollen -- ob die saftige Kalbs-
brust, der stärkere Schlegel (sehr wohl auch als Sauerbraten
zu verspeisen), der zarte Nierenbraten mit seinem an's Aetherische
streifenden markigen Fett, die nahrhaften Kalbsfüße und der
so manche ergötzliche Auswahl darbietende Kalbskopf den Vor-
zug verdiene. Am besten ist's, sich Alles wechselsweise schmecken
zu lassen. Doch sei das Kalb, welches schmackhaft sein will,
nicht allzujung. Galen fordert achtwöchentliches Alter, auch
die Polizei will nicht, daß zu junge Individuen publik werden
sollen. Was hilft's? überall stößt man leider auf Gelbschnäbel,
die noch mehr Milch als eigentliches Fleisch sind.

Wenn Galen zu alte Schweine zum Genuß ungeeignet
findet, hat er vollkommen Recht, daß er aber, lediglich das
Fleisch ein- oder zweijähriger Schweine empfehlend, die über-
aus leckeren und köstlichen Ferkel hintansetzt, wird ihm kein
denkender Esser verzeihen. Auch über die Güte der einzelnen
Theile des Ferkels cursiren die verschiedensten Ansichten. Ohne
mich damit zu befassen, bemerke ich im Allgemeinen, daß, wenn
man etwas pfeffert und guten feinen Senf dazu ißt, man sehr
wohl thun, und mehr wird essen und vertragen können, als ir-
gend ein neidischer Mitesser, der dieß nicht weiß.

Ueber Schinken und Würste wäre wohl Manches zu sagen,
wäre nur die mir gegönnte Zeit nicht zu kurz. Wer aber
kennt nicht die Schinken von Westphalen, Bayonne, Bor-
deaux etc., und die Würste von Braunschweig, Bologna,
Göttingen, Gotha etc.? -- Sie erfreuen sich wohlverdienten
allgemeinen Ruhmes. Aber "Manche sind berühmt, Andere

ich deßhalb billig dem Ermeſſen meiner ſehr verehrten Herren
Zuhoͤrer ſpezielle Urtheile hieruͤber anheim.

Dagegen habe ich der liebenswuͤrdigen Sproͤßlinge beider
genannter Quadrupeden, des Kalbes und Ferkels zu gedenken.
Was ließe ſich aber nicht hieruͤber allein ſagen?

Wie ſchwer iſt es zu beſtimmen, — es giebt nun einmal
Leute, die Alles beſtimmt haben wollen — ob die ſaftige Kalbs-
bruſt, der ſtaͤrkere Schlegel (ſehr wohl auch als Sauerbraten
zu verſpeiſen), der zarte Nierenbraten mit ſeinem an’s Aetheriſche
ſtreifenden markigen Fett, die nahrhaften Kalbsfuͤße und der
ſo manche ergoͤtzliche Auswahl darbietende Kalbskopf den Vor-
zug verdiene. Am beſten iſt’s, ſich Alles wechſelsweiſe ſchmecken
zu laſſen. Doch ſei das Kalb, welches ſchmackhaft ſein will,
nicht allzujung. Galen fordert achtwoͤchentliches Alter, auch
die Polizei will nicht, daß zu junge Individuen publik werden
ſollen. Was hilft’s? uͤberall ſtoͤßt man leider auf Gelbſchnaͤbel,
die noch mehr Milch als eigentliches Fleiſch ſind.

Wenn Galen zu alte Schweine zum Genuß ungeeignet
findet, hat er vollkommen Recht, daß er aber, lediglich das
Fleiſch ein- oder zweijaͤhriger Schweine empfehlend, die uͤber-
aus leckeren und koͤſtlichen Ferkel hintanſetzt, wird ihm kein
denkender Eſſer verzeihen. Auch uͤber die Guͤte der einzelnen
Theile des Ferkels curſiren die verſchiedenſten Anſichten. Ohne
mich damit zu befaſſen, bemerke ich im Allgemeinen, daß, wenn
man etwas pfeffert und guten feinen Senf dazu ißt, man ſehr
wohl thun, und mehr wird eſſen und vertragen koͤnnen, als ir-
gend ein neidiſcher Miteſſer, der dieß nicht weiß.

Ueber Schinken und Wuͤrſte waͤre wohl Manches zu ſagen,
waͤre nur die mir gegoͤnnte Zeit nicht zu kurz. Wer aber
kennt nicht die Schinken von Weſtphalen, Bayonne, Bor-
deaux ꝛc., und die Wuͤrſte von Braunſchweig, Bologna,
Goͤttingen, Gotha ꝛc.? — Sie erfreuen ſich wohlverdienten
allgemeinen Ruhmes. Aber „Manche ſind beruͤhmt, Andere

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[228/0242] ich deßhalb billig dem Ermeſſen meiner ſehr verehrten Herren Zuhoͤrer ſpezielle Urtheile hieruͤber anheim. Dagegen habe ich der liebenswuͤrdigen Sproͤßlinge beider genannter Quadrupeden, des Kalbes und Ferkels zu gedenken. Was ließe ſich aber nicht hieruͤber allein ſagen? Wie ſchwer iſt es zu beſtimmen, — es giebt nun einmal Leute, die Alles beſtimmt haben wollen — ob die ſaftige Kalbs- bruſt, der ſtaͤrkere Schlegel (ſehr wohl auch als Sauerbraten zu verſpeiſen), der zarte Nierenbraten mit ſeinem an’s Aetheriſche ſtreifenden markigen Fett, die nahrhaften Kalbsfuͤße und der ſo manche ergoͤtzliche Auswahl darbietende Kalbskopf den Vor- zug verdiene. Am beſten iſt’s, ſich Alles wechſelsweiſe ſchmecken zu laſſen. Doch ſei das Kalb, welches ſchmackhaft ſein will, nicht allzujung. Galen fordert achtwoͤchentliches Alter, auch die Polizei will nicht, daß zu junge Individuen publik werden ſollen. Was hilft’s? uͤberall ſtoͤßt man leider auf Gelbſchnaͤbel, die noch mehr Milch als eigentliches Fleiſch ſind. Wenn Galen zu alte Schweine zum Genuß ungeeignet findet, hat er vollkommen Recht, daß er aber, lediglich das Fleiſch ein- oder zweijaͤhriger Schweine empfehlend, die uͤber- aus leckeren und koͤſtlichen Ferkel hintanſetzt, wird ihm kein denkender Eſſer verzeihen. Auch uͤber die Guͤte der einzelnen Theile des Ferkels curſiren die verſchiedenſten Anſichten. Ohne mich damit zu befaſſen, bemerke ich im Allgemeinen, daß, wenn man etwas pfeffert und guten feinen Senf dazu ißt, man ſehr wohl thun, und mehr wird eſſen und vertragen koͤnnen, als ir- gend ein neidiſcher Miteſſer, der dieß nicht weiß. Ueber Schinken und Wuͤrſte waͤre wohl Manches zu ſagen, waͤre nur die mir gegoͤnnte Zeit nicht zu kurz. Wer aber kennt nicht die Schinken von Weſtphalen, Bayonne, Bor- deaux ꝛc., und die Wuͤrſte von Braunſchweig, Bologna, Goͤttingen, Gotha ꝛc.? — Sie erfreuen ſich wohlverdienten allgemeinen Ruhmes. Aber „Manche ſind beruͤhmt, Andere

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/242>, abgerufen am 22.11.2024.