kanntlich so viel als: er hat seinen Lebenszweck erreicht, er kann alle Tage heirathen, er ist ein gemachter Mann.
Auch für die Betrachtung des Eßkünstlers ist das Brod ein nicht unwichtiger Gegenstand. Es kann der Kruste eine kleine Kohle, etwas Asche und dergleichen anhaften, es kann mit so viel Kümmel, Coriander und Fenchel bestreut sein, daß ohne Entfernung dieser Dissonanzen das Essen vielfach beein- trächtigt würde.
Daß das Brod überhaupt weder altgebacken, noch zu neu- gebacken sein darf, ist bekannt. Geizige Gastgeber und Wirthe geben gerne über Tisch recht neugebackenes Brod, um uner- fahrene Esser zu verlocken, recht viel davon zu essen, und so statt theurerer anderer Speise wohlfeileres Brod zu consumiren. -- Man ißt in Deutschland gewöhnlich schwarzes Brod über Tisch. Man sollte aber lieber Waizenbrod wählen, wenigstens zugleich mit jenem zur beliebigen Disposition stellen. Bei dem feineren Waizenbrod tritt eben doch der spezifische Geschmack aller ein- zelnen Speisen bestimmter hervor, während der gröbere Charakter des schwarzen Brodes und dessen Sauerteig-Assonanz manches Zarte überstimmt und bedeckt. Zu einfachen Gegensätzen wie Butter, Radieschen, Schinken, Käse etc. beim Vesperbrod, unter idyllischen einfachen Verhältnissen im Freien, und sonst findet dagegen das schwarze Brod besser seine Stelle und hier eignet sich vor Allem der treffliche Pumpernickel, Pompernickel, auch Bonpournikel genannt.
Ein edler Sinn aber liebt edlere Gestalten. Man wird z. B. auch bei dem längsten Aufenthalt in Paris das schwarze Brod kaum vermissen.
Dem Brod nahe steht die Kartoffel, in ihren besseren Arten und wohlgezeitigt eine sehr schmackhafte Speise, und zwar im einfachsten Zustande, in glühender Asche gebraten oder mit Dampf gekocht, wohl am besten. Mancher Eßnaturalist, der sich seine dampfende Kartoffel mit Salz und Butter innigst
kanntlich ſo viel als: er hat ſeinen Lebenszweck erreicht, er kann alle Tage heirathen, er iſt ein gemachter Mann.
Auch fuͤr die Betrachtung des Eßkuͤnſtlers iſt das Brod ein nicht unwichtiger Gegenſtand. Es kann der Kruſte eine kleine Kohle, etwas Aſche und dergleichen anhaften, es kann mit ſo viel Kuͤmmel, Coriander und Fenchel beſtreut ſein, daß ohne Entfernung dieſer Diſſonanzen das Eſſen vielfach beein- traͤchtigt wuͤrde.
Daß das Brod uͤberhaupt weder altgebacken, noch zu neu- gebacken ſein darf, iſt bekannt. Geizige Gaſtgeber und Wirthe geben gerne uͤber Tiſch recht neugebackenes Brod, um uner- fahrene Eſſer zu verlocken, recht viel davon zu eſſen, und ſo ſtatt theurerer anderer Speiſe wohlfeileres Brod zu conſumiren. — Man ißt in Deutſchland gewoͤhnlich ſchwarzes Brod uͤber Tiſch. Man ſollte aber lieber Waizenbrod waͤhlen, wenigſtens zugleich mit jenem zur beliebigen Dispoſition ſtellen. Bei dem feineren Waizenbrod tritt eben doch der ſpezifiſche Geſchmack aller ein- zelnen Speiſen beſtimmter hervor, waͤhrend der groͤbere Charakter des ſchwarzen Brodes und deſſen Sauerteig-Aſſonanz manches Zarte uͤberſtimmt und bedeckt. Zu einfachen Gegenſaͤtzen wie Butter, Radieschen, Schinken, Kaͤſe ꝛc. beim Vesperbrod, unter idylliſchen einfachen Verhaͤltniſſen im Freien, und ſonſt findet dagegen das ſchwarze Brod beſſer ſeine Stelle und hier eignet ſich vor Allem der treffliche Pumpernickel, Pompernickel, auch Bonpournikel genannt.
Ein edler Sinn aber liebt edlere Geſtalten. Man wird z. B. auch bei dem laͤngſten Aufenthalt in Paris das ſchwarze Brod kaum vermiſſen.
Dem Brod nahe ſteht die Kartoffel, in ihren beſſeren Arten und wohlgezeitigt eine ſehr ſchmackhafte Speiſe, und zwar im einfachſten Zuſtande, in gluͤhender Aſche gebraten oder mit Dampf gekocht, wohl am beſten. Mancher Eßnaturaliſt, der ſich ſeine dampfende Kartoffel mit Salz und Butter innigſt
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kanntlich ſo viel als: er hat ſeinen Lebenszweck erreicht, er kann
alle Tage heirathen, er iſt ein gemachter Mann.
Auch fuͤr die Betrachtung des Eßkuͤnſtlers iſt das Brod
ein nicht unwichtiger Gegenſtand. Es kann der Kruſte eine
kleine Kohle, etwas Aſche und dergleichen anhaften, es kann
mit ſo viel Kuͤmmel, Coriander und Fenchel beſtreut ſein, daß
ohne Entfernung dieſer Diſſonanzen das Eſſen vielfach beein-
traͤchtigt wuͤrde.
Daß das Brod uͤberhaupt weder altgebacken, noch zu neu-
gebacken ſein darf, iſt bekannt. Geizige Gaſtgeber und Wirthe
geben gerne uͤber Tiſch recht neugebackenes Brod, um uner-
fahrene Eſſer zu verlocken, recht viel davon zu eſſen, und ſo ſtatt
theurerer anderer Speiſe wohlfeileres Brod zu conſumiren. —
Man ißt in Deutſchland gewoͤhnlich ſchwarzes Brod uͤber Tiſch.
Man ſollte aber lieber Waizenbrod waͤhlen, wenigſtens zugleich
mit jenem zur beliebigen Dispoſition ſtellen. Bei dem feineren
Waizenbrod tritt eben doch der ſpezifiſche Geſchmack aller ein-
zelnen Speiſen beſtimmter hervor, waͤhrend der groͤbere Charakter
des ſchwarzen Brodes und deſſen Sauerteig-Aſſonanz manches
Zarte uͤberſtimmt und bedeckt. Zu einfachen Gegenſaͤtzen wie
Butter, Radieschen, Schinken, Kaͤſe ꝛc. beim Vesperbrod, unter
idylliſchen einfachen Verhaͤltniſſen im Freien, und ſonſt findet
dagegen das ſchwarze Brod beſſer ſeine Stelle und hier eignet
ſich vor Allem der treffliche Pumpernickel, Pompernickel, auch
Bonpournikel genannt.
Ein edler Sinn aber liebt edlere Geſtalten. Man wird
z. B. auch bei dem laͤngſten Aufenthalt in Paris das ſchwarze
Brod kaum vermiſſen.
Dem Brod nahe ſteht die Kartoffel, in ihren beſſeren
Arten und wohlgezeitigt eine ſehr ſchmackhafte Speiſe, und
zwar im einfachſten Zuſtande, in gluͤhender Aſche gebraten oder
mit Dampf gekocht, wohl am beſten. Mancher Eßnaturaliſt,
der ſich ſeine dampfende Kartoffel mit Salz und Butter innigſt
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/231>, abgerufen am 23.07.2024.
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