dieser schnöde Abhub, dieses bereits verbrauchte Ueberbleibsel, dieser Alteweibersommer gilt als eine Speise! --
Was ist gewonnen, wenn man, wie zuweilen geschieht, statt des abgeschmackten geschmacklosen gekochten Rindfleisches eine gekochte Ochsenzunge giebt?
Der gegenwärtige Herr geheime Rath, dessen offenen, gastfreundlichen Charakter wir verehren zu können so glücklich sind, hat dieß wohl erkannt und bei unserer vorletzten, je- dem Theilnehmer ewig unvergeßlichen, mit unauslöschlichen Zügen sämmtlichen Herzen eingegrabenen Sitzung, nach der Suppe unvergleichliche Austern herumgeben lassen. Rohe Austern jedoch nach warmer Suppe und vor zu erwartenden anderen warmen Speisen hätten wohl als kaum zulässig erkannt werden müssen. Aber der sinnige, feine Takt unseres hochver- ehrten Mitgliedes bewährte sich eben darin, daß die Austern gebraten waren. Und wie waren sie das? -- Ueber allen Ausdruck, über alles Lob so erhaben, wie der gütige Geber! --
Der hochverdiente Stifter, der ehrwürdige Nestor unseres schönen Vereines, hat in der letzten Versammlung, wo sich die Schönheit der Formen, die Wahl der Gegensätze und Ver- bindungen, die wohlgeordnete Reihenfolge mit der inneren quali- tativen Gediegenheit und wohlgerathenen Trefflichkeit der Speisen um den Vorrang stritten, nach der Suppe Caviar auf zart gerösteten Waizenbrodschnitten gegeben, Caviar, dessen entzücken- der Anblick allein durch seinen bezaubernden Wohlgeschmack übertroffen wurde, und werden konnte! --
Wem gebührt der Preiß? -- Ich glaube im Sinne mei- nes sehr verehrten Auditorium zu verfahren, wenn ich den Lorbeer theile.
Bei Gastmählern, die diesen Namen wirklich verdienen wollen, sollte man billig, statt des gesottenen Rindfleisches, Roastbeef geben, wenn man anders jenes nicht anders zu er- setzen weiß, vermag, oder Willens ist.
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dieſer ſchnoͤde Abhub, dieſes bereits verbrauchte Ueberbleibſel, dieſer Alteweiberſommer gilt als eine Speiſe! —
Was iſt gewonnen, wenn man, wie zuweilen geſchieht, ſtatt des abgeſchmackten geſchmackloſen gekochten Rindfleiſches eine gekochte Ochſenzunge giebt?
Der gegenwaͤrtige Herr geheime Rath, deſſen offenen, gaſtfreundlichen Charakter wir verehren zu koͤnnen ſo gluͤcklich ſind, hat dieß wohl erkannt und bei unſerer vorletzten, je- dem Theilnehmer ewig unvergeßlichen, mit unausloͤſchlichen Zuͤgen ſaͤmmtlichen Herzen eingegrabenen Sitzung, nach der Suppe unvergleichliche Auſtern herumgeben laſſen. Rohe Auſtern jedoch nach warmer Suppe und vor zu erwartenden anderen warmen Speiſen haͤtten wohl als kaum zulaͤſſig erkannt werden muͤſſen. Aber der ſinnige, feine Takt unſeres hochver- ehrten Mitgliedes bewaͤhrte ſich eben darin, daß die Auſtern gebraten waren. Und wie waren ſie das? — Ueber allen Ausdruck, uͤber alles Lob ſo erhaben, wie der guͤtige Geber! —
Der hochverdiente Stifter, der ehrwuͤrdige Neſtor unſeres ſchoͤnen Vereines, hat in der letzten Verſammlung, wo ſich die Schoͤnheit der Formen, die Wahl der Gegenſaͤtze und Ver- bindungen, die wohlgeordnete Reihenfolge mit der inneren quali- tativen Gediegenheit und wohlgerathenen Trefflichkeit der Speiſen um den Vorrang ſtritten, nach der Suppe Caviar auf zart geroͤſteten Waizenbrodſchnitten gegeben, Caviar, deſſen entzuͤcken- der Anblick allein durch ſeinen bezaubernden Wohlgeſchmack uͤbertroffen wurde, und werden konnte! —
Wem gebuͤhrt der Preiß? — Ich glaube im Sinne mei- nes ſehr verehrten Auditorium zu verfahren, wenn ich den Lorbeer theile.
Bei Gaſtmaͤhlern, die dieſen Namen wirklich verdienen wollen, ſollte man billig, ſtatt des geſottenen Rindfleiſches, Roaſtbeef geben, wenn man anders jenes nicht anders zu er- ſetzen weiß, vermag, oder Willens iſt.
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dieſer ſchnoͤde Abhub, dieſes bereits verbrauchte Ueberbleibſel,
dieſer Alteweiberſommer gilt als eine Speiſe! —
Was iſt gewonnen, wenn man, wie zuweilen geſchieht,
ſtatt des abgeſchmackten geſchmackloſen gekochten Rindfleiſches
eine gekochte Ochſenzunge giebt?
Der gegenwaͤrtige Herr geheime Rath, deſſen offenen,
gaſtfreundlichen Charakter wir verehren zu koͤnnen ſo gluͤcklich
ſind, hat dieß wohl erkannt und bei unſerer vorletzten, je-
dem Theilnehmer ewig unvergeßlichen, mit unausloͤſchlichen
Zuͤgen ſaͤmmtlichen Herzen eingegrabenen Sitzung, nach der
Suppe unvergleichliche Auſtern herumgeben laſſen. Rohe
Auſtern jedoch nach warmer Suppe und vor zu erwartenden
anderen warmen Speiſen haͤtten wohl als kaum zulaͤſſig erkannt
werden muͤſſen. Aber der ſinnige, feine Takt unſeres hochver-
ehrten Mitgliedes bewaͤhrte ſich eben darin, daß die Auſtern
gebraten waren. Und wie waren ſie das? — Ueber allen
Ausdruck, uͤber alles Lob ſo erhaben, wie der guͤtige Geber! —
Der hochverdiente Stifter, der ehrwuͤrdige Neſtor unſeres
ſchoͤnen Vereines, hat in der letzten Verſammlung, wo ſich die
Schoͤnheit der Formen, die Wahl der Gegenſaͤtze und Ver-
bindungen, die wohlgeordnete Reihenfolge mit der inneren quali-
tativen Gediegenheit und wohlgerathenen Trefflichkeit der Speiſen
um den Vorrang ſtritten, nach der Suppe Caviar auf zart
geroͤſteten Waizenbrodſchnitten gegeben, Caviar, deſſen entzuͤcken-
der Anblick allein durch ſeinen bezaubernden Wohlgeſchmack
uͤbertroffen wurde, und werden konnte! —
Wem gebuͤhrt der Preiß? — Ich glaube im Sinne mei-
nes ſehr verehrten Auditorium zu verfahren, wenn ich den
Lorbeer theile.
Bei Gaſtmaͤhlern, die dieſen Namen wirklich verdienen
wollen, ſollte man billig, ſtatt des geſottenen Rindfleiſches,
Roaſtbeef geben, wenn man anders jenes nicht anders zu er-
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/225>, abgerufen am 23.07.2024.
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