Thierreiches festzustecken seien, eben so schwierig ist es, zu be- stimmen, welcher unteren Thierreihe man zuerst die Fähigkeit eines eigentlichen Essens zuzugestehen hat.
Auf der ersten Stufe sind die Zoophyten eigentlich bloße Mägen. Der Polyp, bei dem es erst der Mühe werth ist, an- zufangen, zertheilt sich oben in mehrere Arme oder lebendig be- wegliche Zweiglein, womit er andere kleinere Wasserthierchen hascht, und sie zu einem, zwischen den Armen stehenden Munde bringt, der zu einer Art Magen führt und eben sowohl zum Einschlucken, als auch zum Wiederausstoßen der Excreta dient. --
Die bereits ziemlich entwickelten Kauwerkzeuge der Echi- nodermen befähigen nun schon eher zu eigentlichem Essen.
Bei den Mollusken zeigen sich nach und nach schon Spuren von Zähnen, Lippen, und was die Hauptsache ist: Fühlfäden als Zungen-Vicarii, endlich wirkliche Zähne und etwas ent- schiedenere Zungen.
Die Gliederthiere wiederholen in ihren unteren Classen die Unvollkommenheiten der genannten Reihen. Doch entwickelt sich hier der Eßapparat schon bedeutend. So haben die Kru- stazeen bereits Mandibeln und Maxillen. Die Insekten sind zwar in Beziehung auf das Quantum günstig gestellt, da z. B. Raupen in 24 Stunden wenigstens 3mal so viel zu Leibe neh- men, als sie wiegen. Hier ist scheinbar der Mensch in desa- vantage, aber eben nur scheinbar, wie sich ergeben wird.
Die Fische haben nun schon einen großen Sprung vor den genannten Classen voraus: tüchtige Zähne, knöcherne Kinn- laden und ditto Backen, Zungenbein, und einen sehr entwickel- ten Muskelapparat zum Beißen und Kauen. Indessen ist eben doch ihre Zunge noch keine rechte Zunge, kein ausgebildetes Geschmacksorgan. Dieß gilt auch von den Amphibien. -- Trügt aber nicht Alles, so schmeckt es allen diesen Wesen, auch ohne ausgeprägtere Zungen, sehr wohl.
Thierreiches feſtzuſtecken ſeien, eben ſo ſchwierig iſt es, zu be- ſtimmen, welcher unteren Thierreihe man zuerſt die Faͤhigkeit eines eigentlichen Eſſens zuzugeſtehen hat.
Auf der erſten Stufe ſind die Zoophyten eigentlich bloße Maͤgen. Der Polyp, bei dem es erſt der Muͤhe werth iſt, an- zufangen, zertheilt ſich oben in mehrere Arme oder lebendig be- wegliche Zweiglein, womit er andere kleinere Waſſerthierchen haſcht, und ſie zu einem, zwiſchen den Armen ſtehenden Munde bringt, der zu einer Art Magen fuͤhrt und eben ſowohl zum Einſchlucken, als auch zum Wiederausſtoßen der Excreta dient. —
Die bereits ziemlich entwickelten Kauwerkzeuge der Echi- nodermen befaͤhigen nun ſchon eher zu eigentlichem Eſſen.
Bei den Mollusken zeigen ſich nach und nach ſchon Spuren von Zaͤhnen, Lippen, und was die Hauptſache iſt: Fuͤhlfaͤden als Zungen-Vicarii, endlich wirkliche Zaͤhne und etwas ent- ſchiedenere Zungen.
Die Gliederthiere wiederholen in ihren unteren Claſſen die Unvollkommenheiten der genannten Reihen. Doch entwickelt ſich hier der Eßapparat ſchon bedeutend. So haben die Kru- ſtazeen bereits Mandibeln und Maxillen. Die Inſekten ſind zwar in Beziehung auf das Quantum guͤnſtig geſtellt, da z. B. Raupen in 24 Stunden wenigſtens 3mal ſo viel zu Leibe neh- men, als ſie wiegen. Hier iſt ſcheinbar der Menſch in desa- vantage, aber eben nur ſcheinbar, wie ſich ergeben wird.
Die Fiſche haben nun ſchon einen großen Sprung vor den genannten Claſſen voraus: tuͤchtige Zaͤhne, knoͤcherne Kinn- laden und ditto Backen, Zungenbein, und einen ſehr entwickel- ten Muskelapparat zum Beißen und Kauen. Indeſſen iſt eben doch ihre Zunge noch keine rechte Zunge, kein ausgebildetes Geſchmacksorgan. Dieß gilt auch von den Amphibien. — Truͤgt aber nicht Alles, ſo ſchmeckt es allen dieſen Weſen, auch ohne ausgepraͤgtere Zungen, ſehr wohl.
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Thierreiches feſtzuſtecken ſeien, eben ſo ſchwierig iſt es, zu be-
ſtimmen, welcher unteren Thierreihe man zuerſt die Faͤhigkeit
eines eigentlichen Eſſens zuzugeſtehen hat.
Auf der erſten Stufe ſind die Zoophyten eigentlich bloße
Maͤgen. Der Polyp, bei dem es erſt der Muͤhe werth iſt, an-
zufangen, zertheilt ſich oben in mehrere Arme oder lebendig be-
wegliche Zweiglein, womit er andere kleinere Waſſerthierchen
haſcht, und ſie zu einem, zwiſchen den Armen ſtehenden Munde
bringt, der zu einer Art Magen fuͤhrt und eben ſowohl zum
Einſchlucken, als auch zum Wiederausſtoßen der Excreta dient. —
Die bereits ziemlich entwickelten Kauwerkzeuge der Echi-
nodermen befaͤhigen nun ſchon eher zu eigentlichem Eſſen.
Bei den Mollusken zeigen ſich nach und nach ſchon Spuren
von Zaͤhnen, Lippen, und was die Hauptſache iſt: Fuͤhlfaͤden
als Zungen-Vicarii, endlich wirkliche Zaͤhne und etwas ent-
ſchiedenere Zungen.
Die Gliederthiere wiederholen in ihren unteren Claſſen die
Unvollkommenheiten der genannten Reihen. Doch entwickelt
ſich hier der Eßapparat ſchon bedeutend. So haben die Kru-
ſtazeen bereits Mandibeln und Maxillen. Die Inſekten ſind
zwar in Beziehung auf das Quantum guͤnſtig geſtellt, da z. B.
Raupen in 24 Stunden wenigſtens 3mal ſo viel zu Leibe neh-
men, als ſie wiegen. Hier iſt ſcheinbar der Menſch in desa-
vantage, aber eben nur ſcheinbar, wie ſich ergeben wird.
Die Fiſche haben nun ſchon einen großen Sprung vor
den genannten Claſſen voraus: tuͤchtige Zaͤhne, knoͤcherne Kinn-
laden und ditto Backen, Zungenbein, und einen ſehr entwickel-
ten Muskelapparat zum Beißen und Kauen. Indeſſen iſt eben
doch ihre Zunge noch keine rechte Zunge, kein ausgebildetes
Geſchmacksorgan. Dieß gilt auch von den Amphibien. —
Truͤgt aber nicht Alles, ſo ſchmeckt es allen dieſen Weſen, auch
ohne ausgepraͤgtere Zungen, ſehr wohl.
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/20>, abgerufen am 23.07.2024.
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