Anerkennung ist zwar das leer Absolute der Eßnothwendigkeit, als gemeiner Nothdurft, schlechthin zugestanden, aber das Essen weder in seiner Natur- noch Kunst-Bedeutung irgend begriffen.
Sollten die Nationen ewig in dieser Bornitur verharren, soll es nie tagen, soll der Instinkt sich nie zum Bewußtsein verklären?
Ein passionirter Kunst- und Menschenfreund, kann ich den Jammer nicht länger mit ansehen, und entledige mich dieses Dranges, indem ich der Nachsicht einer sehr verehrten Versamm- lung das ergebenst empfehle, was ich über diesen Gegenstand erfahren und gedacht, und mitzutheilen eben im Begriff stehe.
Bekanntlich sieht die Natur gerade so aus, wie man sie anschaut. Welt und Weltanschauung sind zwar zwei ganz ver- schiedene Dinge, aber trotz dem ist die Welt relativ um kein Haar anders, als sie angeschaut wird, ja für den Einzelnen ge- nau so, wie er dressirt wurde, sie zu betrachten. Als ich ein Knabe war, sah ich, wie mir's vom Schulmeister gesagt worden war, in der Natur Stein-, Pflanzen- und Thierreich oder, wie es hieß, Wesen, welche nicht leben und nicht empfinden, Wesen, welche leben aber nicht empfinden und Wesen, welche leben und empfinden. Welche Beschränktheit, welche Unrichtigkeiten, welche Trivialitäten! Für die Weltanschauung des Essers ist dergleichen völlig unfruchtbar, höchstens geht daraus, in Beziehung auf das Menschenreich, das wenig tröstliche Resultat hervor, daß sehr viele Mitglieder derselben weder zu empfinden noch zu leben wissen.
Eine lebendigere, freundlichere, höhere und jedenfalls appe- titliche Lebensansicht sieht die Natur zunächst als genießbar an. Die ungenießbare Natur kommt dabei kaum in Betracht. Denn die Sache scheint durch die nicht unbeträchtliche Anzahl derer, welche im Entwicklungsgange des Menschengeschlechts auf dem Wege des Experiments zur Ermittlung des Genießba- ren zufällig in Ungenießbares bissen und deßhalb ins Gras beißen
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Anerkennung iſt zwar das leer Abſolute der Eßnothwendigkeit, als gemeiner Nothdurft, ſchlechthin zugeſtanden, aber das Eſſen weder in ſeiner Natur- noch Kunſt-Bedeutung irgend begriffen.
Sollten die Nationen ewig in dieſer Bornitur verharren, ſoll es nie tagen, ſoll der Inſtinkt ſich nie zum Bewußtſein verklaͤren?
Ein paſſionirter Kunſt- und Menſchenfreund, kann ich den Jammer nicht laͤnger mit anſehen, und entledige mich dieſes Dranges, indem ich der Nachſicht einer ſehr verehrten Verſamm- lung das ergebenſt empfehle, was ich uͤber dieſen Gegenſtand erfahren und gedacht, und mitzutheilen eben im Begriff ſtehe.
Bekanntlich ſieht die Natur gerade ſo aus, wie man ſie anſchaut. Welt und Weltanſchauung ſind zwar zwei ganz ver- ſchiedene Dinge, aber trotz dem iſt die Welt relativ um kein Haar anders, als ſie angeſchaut wird, ja fuͤr den Einzelnen ge- nau ſo, wie er dreſſirt wurde, ſie zu betrachten. Als ich ein Knabe war, ſah ich, wie mir’s vom Schulmeiſter geſagt worden war, in der Natur Stein-, Pflanzen- und Thierreich oder, wie es hieß, Weſen, welche nicht leben und nicht empfinden, Weſen, welche leben aber nicht empfinden und Weſen, welche leben und empfinden. Welche Beſchraͤnktheit, welche Unrichtigkeiten, welche Trivialitaͤten! Fuͤr die Weltanſchauung des Eſſers iſt dergleichen voͤllig unfruchtbar, hoͤchſtens geht daraus, in Beziehung auf das Menſchenreich, das wenig troͤſtliche Reſultat hervor, daß ſehr viele Mitglieder derſelben weder zu empfinden noch zu leben wiſſen.
Eine lebendigere, freundlichere, hoͤhere und jedenfalls appe- titliche Lebensanſicht ſieht die Natur zunaͤchſt als genießbar an. Die ungenießbare Natur kommt dabei kaum in Betracht. Denn die Sache ſcheint durch die nicht unbetraͤchtliche Anzahl derer, welche im Entwicklungsgange des Menſchengeſchlechts auf dem Wege des Experiments zur Ermittlung des Genießba- ren zufaͤllig in Ungenießbares biſſen und deßhalb ins Gras beißen
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Anerkennung iſt zwar das leer Abſolute der Eßnothwendigkeit,
als gemeiner Nothdurft, ſchlechthin zugeſtanden, aber das Eſſen
weder in ſeiner Natur- noch Kunſt-Bedeutung irgend begriffen.
Sollten die Nationen ewig in dieſer Bornitur verharren,
ſoll es nie tagen, ſoll der Inſtinkt ſich nie zum Bewußtſein
verklaͤren?
Ein paſſionirter Kunſt- und Menſchenfreund, kann ich den
Jammer nicht laͤnger mit anſehen, und entledige mich dieſes
Dranges, indem ich der Nachſicht einer ſehr verehrten Verſamm-
lung das ergebenſt empfehle, was ich uͤber dieſen Gegenſtand
erfahren und gedacht, und mitzutheilen eben im Begriff ſtehe.
Bekanntlich ſieht die Natur gerade ſo aus, wie man ſie
anſchaut. Welt und Weltanſchauung ſind zwar zwei ganz ver-
ſchiedene Dinge, aber trotz dem iſt die Welt relativ um kein
Haar anders, als ſie angeſchaut wird, ja fuͤr den Einzelnen ge-
nau ſo, wie er dreſſirt wurde, ſie zu betrachten. Als ich ein
Knabe war, ſah ich, wie mir’s vom Schulmeiſter geſagt worden
war, in der Natur Stein-, Pflanzen- und Thierreich oder, wie
es hieß, Weſen, welche nicht leben und nicht empfinden, Weſen,
welche leben aber nicht empfinden und Weſen, welche leben und
empfinden. Welche Beſchraͤnktheit, welche Unrichtigkeiten, welche
Trivialitaͤten! Fuͤr die Weltanſchauung des Eſſers iſt dergleichen
voͤllig unfruchtbar, hoͤchſtens geht daraus, in Beziehung auf
das Menſchenreich, das wenig troͤſtliche Reſultat hervor, daß
ſehr viele Mitglieder derſelben weder zu empfinden noch zu leben
wiſſen.
Eine lebendigere, freundlichere, hoͤhere und jedenfalls appe-
titliche Lebensanſicht ſieht die Natur zunaͤchſt als genießbar an.
Die ungenießbare Natur kommt dabei kaum in Betracht.
Denn die Sache ſcheint durch die nicht unbetraͤchtliche Anzahl
derer, welche im Entwicklungsgange des Menſchengeſchlechts
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/17>, abgerufen am 23.07.2024.
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