Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.leicht fehl greifen, auch wenn man den allgemeinen Grundsatz In ärmeren Gebirgsgegenden erhielt ich nicht selten zu Ehe wir nun zu zusammengesetzteren Gegensätzen über- leicht fehl greifen, auch wenn man den allgemeinen Grundſatz In aͤrmeren Gebirgsgegenden erhielt ich nicht ſelten zu Ehe wir nun zu zuſammengeſetzteren Gegenſaͤtzen uͤber- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0169" n="155"/> leicht fehl greifen, auch wenn man den allgemeinen Grundſatz<lb/> „Animaliſches fordert Vegetabiliſches“ feſthaͤlt. So wurde mir<lb/> oͤfter Stockfiſch mit Spargel und Muskatbluͤthe vorgeſetzt. Mir<lb/> ſchien jedoch jedesmal ſowohl der zarte Spargel, als die feinere<lb/> hoͤhere Muskatbluͤthe fuͤr den populaͤren Stockfiſch ſich nicht zu<lb/> eignen, und Kartoffelſchnitte als vegetabiliſcher Gegenſatz und<lb/> geroͤſtete kleingewuͤrfelte wenige Zwiebelſtuͤckchen zur Wuͤrze in<lb/> dieſem Falle viel zuſagender.</p><lb/> <p>In aͤrmeren Gebirgsgegenden erhielt ich nicht ſelten zu<lb/> Kalbsbraten gedoͤrrte gekochte Zwetſchchen. Obgleich damit die<lb/> Nothwendigkeit des Gegenſatzes anerkannt iſt, konnte ich doch<lb/> niemals dieſe Wahl billigen. So wurde mir auch in Gaſt-<lb/> haͤuſern kleiner, entlegener Orte, z. B. in <hi rendition="#g">Jean Paul’s</hi> Ge-<lb/> burtsort, Kohl mit geroͤſteten Brodſchnitten vorgeſetzt, die<lb/> einmal, an einem Sonntag, in Eiern gebacken waren. Auf<lb/> dieſe Weiſe ſuchte man, trotz hinderlicher Duͤrftigkeit, ohne ſich<lb/> zum beſtimmt animaliſchen Gegenſatz erheben zu koͤnnen, doch<lb/> die antithetiſche Forderung einigermaßen zu erfuͤllen.</p><lb/> <p>Ehe wir nun zu zuſammengeſetzteren Gegenſaͤtzen uͤber-<lb/> gehen, mag ferner noch davon die Rede ſein, ob man dieſe<lb/> Gegenſaͤtze gleichzeitig und je zugleich, oder vielmehr ſucceſſiv,<lb/> abwechſelnd und je einzeln fuͤr ſich eſſen ſolle. Sind ſie, was<lb/> vorausgeſetzt wird, gut gewaͤhlt, ſo moͤgen ſie zwar immerhin<lb/> gleichzeitig gekaut werden, man wird wohl auch dadurch ganz<lb/> neue eigenthuͤmliche Geſchmaͤcke entdecken. Doch waͤre dabei<lb/> nicht außer Acht zu laſſen, daß man nicht von beiden Gegen-<lb/> ſaͤtzen gleich große Mengen, ſondern je immer von dem Einen<lb/> mehr als von dem Andern zu nehmen habe, um das Spezi-<lb/> fiſche doch nicht zu ſehr zu verwiſchen. Dieß gilt natuͤrlich<lb/> zunaͤchſt von geſchieden aufgetragenen gegenſaͤtzlichen Speiſen.<lb/> Denn wo die Kochkunſt ſelbſt jene Vereinbarung der Gegenſaͤtze<lb/> ſchon vermittelt und vorgebildet hat, verſteht ſich auch das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0169]
leicht fehl greifen, auch wenn man den allgemeinen Grundſatz
„Animaliſches fordert Vegetabiliſches“ feſthaͤlt. So wurde mir
oͤfter Stockfiſch mit Spargel und Muskatbluͤthe vorgeſetzt. Mir
ſchien jedoch jedesmal ſowohl der zarte Spargel, als die feinere
hoͤhere Muskatbluͤthe fuͤr den populaͤren Stockfiſch ſich nicht zu
eignen, und Kartoffelſchnitte als vegetabiliſcher Gegenſatz und
geroͤſtete kleingewuͤrfelte wenige Zwiebelſtuͤckchen zur Wuͤrze in
dieſem Falle viel zuſagender.
In aͤrmeren Gebirgsgegenden erhielt ich nicht ſelten zu
Kalbsbraten gedoͤrrte gekochte Zwetſchchen. Obgleich damit die
Nothwendigkeit des Gegenſatzes anerkannt iſt, konnte ich doch
niemals dieſe Wahl billigen. So wurde mir auch in Gaſt-
haͤuſern kleiner, entlegener Orte, z. B. in Jean Paul’s Ge-
burtsort, Kohl mit geroͤſteten Brodſchnitten vorgeſetzt, die
einmal, an einem Sonntag, in Eiern gebacken waren. Auf
dieſe Weiſe ſuchte man, trotz hinderlicher Duͤrftigkeit, ohne ſich
zum beſtimmt animaliſchen Gegenſatz erheben zu koͤnnen, doch
die antithetiſche Forderung einigermaßen zu erfuͤllen.
Ehe wir nun zu zuſammengeſetzteren Gegenſaͤtzen uͤber-
gehen, mag ferner noch davon die Rede ſein, ob man dieſe
Gegenſaͤtze gleichzeitig und je zugleich, oder vielmehr ſucceſſiv,
abwechſelnd und je einzeln fuͤr ſich eſſen ſolle. Sind ſie, was
vorausgeſetzt wird, gut gewaͤhlt, ſo moͤgen ſie zwar immerhin
gleichzeitig gekaut werden, man wird wohl auch dadurch ganz
neue eigenthuͤmliche Geſchmaͤcke entdecken. Doch waͤre dabei
nicht außer Acht zu laſſen, daß man nicht von beiden Gegen-
ſaͤtzen gleich große Mengen, ſondern je immer von dem Einen
mehr als von dem Andern zu nehmen habe, um das Spezi-
fiſche doch nicht zu ſehr zu verwiſchen. Dieß gilt natuͤrlich
zunaͤchſt von geſchieden aufgetragenen gegenſaͤtzlichen Speiſen.
Denn wo die Kochkunſt ſelbſt jene Vereinbarung der Gegenſaͤtze
ſchon vermittelt und vorgebildet hat, verſteht ſich auch das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |