Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

trinken, zugleich aber mit der angehängten Clausel, ein Colle-
gium über Moral zu hören. Es war eine eingeredete Sache,
es hatte ihr es jemand gesagt. Jemehr ich als junger Jüng-
ling von dem Recht, Wein zu trinken, Gebrauch machte, um
so weniger glaubte ich mich der Pflicht, Moral zu hören, ent-
schlagen zu dürfen. So hörte ich denn, dem Wunsche meiner
sehr werthgeschätzten Frau Base gemäß, ein Semester lang über
das Prinzip: "Brät'st Du mir eine Wurst, lösch' ich
Dir den Durst"
ohne sonderliche Erbauung verschiedene,
etwas länglichte Redensarten vortragen.

Ein Lateinisches Stylisticum brachte ein dickes Heft ächt
classischer Phrasen ins Pult, wovon schon die Erste: "Ab ovo
usque ad mala"
zu denken gab. Daß abstinere se cibo besser
sei als jejunare, schien problematisch; daß aber comedere Ce-
rerem, bibere Bacchum
als Metonymie und nicht eigentlich
genommen werden dürfe, leuchtete ein; daß: da cito cantha-
rum circum, -- date ei bibere
nur scheinbare Germanismen
seien, und schon bei Plautus und Terentius vorkämen, war
erfreulich zu hören. Von Caelius Apicius, als dem ehernen
Zeitalter angehörig, war mit Recht kaum, oder doch nur war-
nend, die Rede.

Bei einem reichen Gönner, welcher ein splendides Gabel-
frühstück von so eben aus Hamburg erhaltenen Hummern gab,
machte ich die Bekanntschaft des in seinem Fache sehr wackeren
Prosektor der Universität, welcher Tags vorher einen der Hum-
mern zum Präpariren des Nervensystems für die zootomische
Sammlung erhalten hatte. Es fehlte wenig, daß dieser vor
Verwunderung, wie man solche Raritäten als Speise betrachten
und behandeln könne, die Hände über den Kopf zusammenge-
schlagen hätte. -- Bemerkenswerth war's, wie dieser so tüchtige
Prosektor durchaus nicht transchiren konnte. Wie sehr fand
man es überhaupt zu beklagen, daß keiner der Dozenten ein
praktisches Privatissimum über Transchirkunst gab, woran sich

trinken, zugleich aber mit der angehaͤngten Clauſel, ein Colle-
gium uͤber Moral zu hoͤren. Es war eine eingeredete Sache,
es hatte ihr es jemand geſagt. Jemehr ich als junger Juͤng-
ling von dem Recht, Wein zu trinken, Gebrauch machte, um
ſo weniger glaubte ich mich der Pflicht, Moral zu hoͤren, ent-
ſchlagen zu duͤrfen. So hoͤrte ich denn, dem Wunſche meiner
ſehr werthgeſchaͤtzten Frau Baſe gemaͤß, ein Semeſter lang uͤber
das Prinzip: „Braͤt’ſt Du mir eine Wurſt, loͤſch’ ich
Dir den Durſt“
ohne ſonderliche Erbauung verſchiedene,
etwas laͤnglichte Redensarten vortragen.

Ein Lateiniſches Styliſticum brachte ein dickes Heft aͤcht
claſſiſcher Phraſen ins Pult, wovon ſchon die Erſte: „Ab ovo
usque ad mala“
zu denken gab. Daß abstinere se cibo beſſer
ſei als jejunare, ſchien problematiſch; daß aber comedere Ce-
rerem, bibere Bacchum
als Metonymie und nicht eigentlich
genommen werden duͤrfe, leuchtete ein; daß: da cito cantha-
rum circum, — date ei bibere
nur ſcheinbare Germanismen
ſeien, und ſchon bei Plautus und Terentius vorkaͤmen, war
erfreulich zu hoͤren. Von Caelius Apicius, als dem ehernen
Zeitalter angehoͤrig, war mit Recht kaum, oder doch nur war-
nend, die Rede.

Bei einem reichen Goͤnner, welcher ein ſplendides Gabel-
fruͤhſtuͤck von ſo eben aus Hamburg erhaltenen Hummern gab,
machte ich die Bekanntſchaft des in ſeinem Fache ſehr wackeren
Proſektor der Univerſitaͤt, welcher Tags vorher einen der Hum-
mern zum Praͤpariren des Nervenſyſtems fuͤr die zootomiſche
Sammlung erhalten hatte. Es fehlte wenig, daß dieſer vor
Verwunderung, wie man ſolche Raritaͤten als Speiſe betrachten
und behandeln koͤnne, die Haͤnde uͤber den Kopf zuſammenge-
ſchlagen haͤtte. — Bemerkenswerth war’s, wie dieſer ſo tuͤchtige
Proſektor durchaus nicht tranſchiren konnte. Wie ſehr fand
man es uͤberhaupt zu beklagen, daß keiner der Dozenten ein
praktiſches Privatiſſimum uͤber Tranſchirkunſt gab, woran ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0154" n="140"/>
trinken, zugleich aber mit der angeha&#x0364;ngten Clau&#x017F;el, ein Colle-<lb/>
gium u&#x0364;ber Moral zu ho&#x0364;ren. Es war eine eingeredete Sache,<lb/>
es hatte ihr es jemand ge&#x017F;agt. Jemehr ich als junger Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling von dem Recht, Wein zu trinken, Gebrauch machte, um<lb/>
&#x017F;o weniger glaubte ich mich der Pflicht, Moral zu ho&#x0364;ren, ent-<lb/>
&#x017F;chlagen zu du&#x0364;rfen. So ho&#x0364;rte ich denn, dem Wun&#x017F;che meiner<lb/>
&#x017F;ehr werthge&#x017F;cha&#x0364;tzten Frau Ba&#x017F;e gema&#x0364;ß, ein Seme&#x017F;ter lang u&#x0364;ber<lb/>
das Prinzip: <hi rendition="#g">&#x201E;Bra&#x0364;t&#x2019;&#x017F;t Du mir eine Wur&#x017F;t, lo&#x0364;&#x017F;ch&#x2019; ich<lb/>
Dir den Dur&#x017F;t&#x201C;</hi> ohne &#x017F;onderliche Erbauung ver&#x017F;chiedene,<lb/>
etwas la&#x0364;nglichte Redensarten vortragen.</p><lb/>
        <p>Ein Lateini&#x017F;ches Styli&#x017F;ticum brachte ein dickes Heft a&#x0364;cht<lb/>
cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Phra&#x017F;en ins Pult, wovon &#x017F;chon die Er&#x017F;te: <hi rendition="#aq">&#x201E;Ab ovo<lb/>
usque ad mala&#x201C;</hi> zu denken gab. Daß <hi rendition="#aq">abstinere se cibo</hi> be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ei als <hi rendition="#aq">jejunare,</hi> &#x017F;chien problemati&#x017F;ch; daß aber <hi rendition="#aq">comedere Ce-<lb/>
rerem, bibere Bacchum</hi> als Metonymie und nicht eigentlich<lb/>
genommen werden du&#x0364;rfe, leuchtete ein; daß: <hi rendition="#aq">da cito cantha-<lb/>
rum circum, &#x2014; date ei bibere</hi> nur &#x017F;cheinbare Germanismen<lb/>
&#x017F;eien, und &#x017F;chon bei <hi rendition="#g">Plautus und Terentius</hi> vorka&#x0364;men, war<lb/>
erfreulich zu ho&#x0364;ren. Von <hi rendition="#g">Caelius Apicius</hi>, als dem ehernen<lb/>
Zeitalter angeho&#x0364;rig, war mit Recht kaum, oder doch nur war-<lb/>
nend, die Rede.</p><lb/>
        <p>Bei einem reichen Go&#x0364;nner, welcher ein &#x017F;plendides Gabel-<lb/>
fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck von &#x017F;o eben aus Hamburg erhaltenen Hummern gab,<lb/>
machte ich die Bekannt&#x017F;chaft des in &#x017F;einem Fache &#x017F;ehr wackeren<lb/>
Pro&#x017F;ektor der Univer&#x017F;ita&#x0364;t, welcher Tags vorher einen der Hum-<lb/>
mern zum Pra&#x0364;pariren des Nerven&#x017F;y&#x017F;tems fu&#x0364;r die zootomi&#x017F;che<lb/>
Sammlung erhalten hatte. Es fehlte wenig, daß die&#x017F;er vor<lb/>
Verwunderung, wie man &#x017F;olche Rarita&#x0364;ten als Spei&#x017F;e betrachten<lb/>
und behandeln ko&#x0364;nne, die Ha&#x0364;nde u&#x0364;ber den Kopf zu&#x017F;ammenge-<lb/>
&#x017F;chlagen ha&#x0364;tte. &#x2014; Bemerkenswerth war&#x2019;s, wie die&#x017F;er &#x017F;o tu&#x0364;chtige<lb/>
Pro&#x017F;ektor durchaus nicht tran&#x017F;chiren konnte. Wie &#x017F;ehr fand<lb/>
man es u&#x0364;berhaupt zu beklagen, daß keiner der Dozenten ein<lb/>
prakti&#x017F;ches Privati&#x017F;&#x017F;imum u&#x0364;ber Tran&#x017F;chirkun&#x017F;t gab, woran &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0154] trinken, zugleich aber mit der angehaͤngten Clauſel, ein Colle- gium uͤber Moral zu hoͤren. Es war eine eingeredete Sache, es hatte ihr es jemand geſagt. Jemehr ich als junger Juͤng- ling von dem Recht, Wein zu trinken, Gebrauch machte, um ſo weniger glaubte ich mich der Pflicht, Moral zu hoͤren, ent- ſchlagen zu duͤrfen. So hoͤrte ich denn, dem Wunſche meiner ſehr werthgeſchaͤtzten Frau Baſe gemaͤß, ein Semeſter lang uͤber das Prinzip: „Braͤt’ſt Du mir eine Wurſt, loͤſch’ ich Dir den Durſt“ ohne ſonderliche Erbauung verſchiedene, etwas laͤnglichte Redensarten vortragen. Ein Lateiniſches Styliſticum brachte ein dickes Heft aͤcht claſſiſcher Phraſen ins Pult, wovon ſchon die Erſte: „Ab ovo usque ad mala“ zu denken gab. Daß abstinere se cibo beſſer ſei als jejunare, ſchien problematiſch; daß aber comedere Ce- rerem, bibere Bacchum als Metonymie und nicht eigentlich genommen werden duͤrfe, leuchtete ein; daß: da cito cantha- rum circum, — date ei bibere nur ſcheinbare Germanismen ſeien, und ſchon bei Plautus und Terentius vorkaͤmen, war erfreulich zu hoͤren. Von Caelius Apicius, als dem ehernen Zeitalter angehoͤrig, war mit Recht kaum, oder doch nur war- nend, die Rede. Bei einem reichen Goͤnner, welcher ein ſplendides Gabel- fruͤhſtuͤck von ſo eben aus Hamburg erhaltenen Hummern gab, machte ich die Bekanntſchaft des in ſeinem Fache ſehr wackeren Proſektor der Univerſitaͤt, welcher Tags vorher einen der Hum- mern zum Praͤpariren des Nervenſyſtems fuͤr die zootomiſche Sammlung erhalten hatte. Es fehlte wenig, daß dieſer vor Verwunderung, wie man ſolche Raritaͤten als Speiſe betrachten und behandeln koͤnne, die Haͤnde uͤber den Kopf zuſammenge- ſchlagen haͤtte. — Bemerkenswerth war’s, wie dieſer ſo tuͤchtige Proſektor durchaus nicht tranſchiren konnte. Wie ſehr fand man es uͤberhaupt zu beklagen, daß keiner der Dozenten ein praktiſches Privatiſſimum uͤber Tranſchirkunſt gab, woran ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/154
Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/154>, abgerufen am 23.11.2024.