Sind die Kinder auch noch zu jung, die Strafe zu begreifen, so sind sie doch alt genug, sie zu fühlen. 2. Strafet gerecht! Darum nur bei wirklichen Fehlern strafen, z. B. bei einer Lüge, bei Eigensinn, Dieb- stahl, Unverträglichkeit, Unlauterkeit, Trägheit, nicht aber bei natürlichen Ge- brechen der Kinder, bei Unbeholfenheit oder Unvorsichtigkeit. 3. Strafet selten! Erst mahnen, dann strafen. Das erstemal weniger als beim Rückfall in denselben Fehler. Das Kind darf sich nicht an die Strafe gewöhnen. 4. Strafet ohne Zorn und Aufregung, ohne Schimpf- und Fluch- worte, sonst überschreitet ihr leicht das richtige Maß, und der blinde Eifer schadet mehr als er nützt. 5. Strafet klug, ohne das Vertrauen des Kindes zu erschüttern. Laßt es auch in der Strafe einen Beweis eurer Liebe sehen. Strafet, ohne das Schamgefühl der Kinder zu verletzen. 6. Strafet in Einigkeit, ohne euch einander zu hindern und das Kind in Schutz zu nehmen. Eine so erteilte Strafe wirkt mehr als hundert andere. So sollen kluge Eltern durch Wachsamkeit, und wenn es nötig ist, durch Strenge, das Böse ausreißen, nicht aber sich an den späteren Sünden der Kinder und ihrem Unglück mitschuldig machen durch Ver- zärtelung, Verhätschelung und "alles durchgehen lassen".
Sind die Kinder auch noch zu jung, die Strafe zu begreifen, so sind sie doch alt genug, sie zu fühlen. 2. Strafet gerecht! Darum nur bei wirklichen Fehlern strafen, z. B. bei einer Lüge, bei Eigensinn, Dieb- stahl, Unverträglichkeit, Unlauterkeit, Trägheit, nicht aber bei natürlichen Ge- brechen der Kinder, bei Unbeholfenheit oder Unvorsichtigkeit. 3. Strafet selten! Erst mahnen, dann strafen. Das erstemal weniger als beim Rückfall in denselben Fehler. Das Kind darf sich nicht an die Strafe gewöhnen. 4. Strafet ohne Zorn und Aufregung, ohne Schimpf- und Fluch- worte, sonst überschreitet ihr leicht das richtige Maß, und der blinde Eifer schadet mehr als er nützt. 5. Strafet klug, ohne das Vertrauen des Kindes zu erschüttern. Laßt es auch in der Strafe einen Beweis eurer Liebe sehen. Strafet, ohne das Schamgefühl der Kinder zu verletzen. 6. Strafet in Einigkeit, ohne euch einander zu hindern und das Kind in Schutz zu nehmen. Eine so erteilte Strafe wirkt mehr als hundert andere. So sollen kluge Eltern durch Wachsamkeit, und wenn es nötig ist, durch Strenge, das Böse ausreißen, nicht aber sich an den späteren Sünden der Kinder und ihrem Unglück mitschuldig machen durch Ver- zärtelung, Verhätschelung und „alles durchgehen lassen“.
<TEI><text><body><divn="2"><div><div><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"xml:id="F9_001_1921_pb0287_0001"n="287"/>
Sind die Kinder auch noch zu jung, die<lb/>
Strafe zu begreifen, so sind sie doch alt<lb/>
genug, sie zu fühlen. 2. <hirendition="#b">Strafet gerecht!<lb/></hi>Darum nur bei wirklichen Fehlern strafen,<lb/>
z. B. bei einer Lüge, bei Eigensinn, Dieb-<lb/>
stahl, Unverträglichkeit, Unlauterkeit,<lb/>
Trägheit, nicht aber bei natürlichen Ge-<lb/>
brechen der Kinder, bei Unbeholfenheit<lb/>
oder Unvorsichtigkeit. 3. <hirendition="#b">Strafet selten!<lb/></hi>Erst mahnen, dann strafen. Das erstemal<lb/>
weniger als beim Rückfall in denselben<lb/>
Fehler. Das Kind darf sich nicht an die<lb/>
Strafe gewöhnen. 4. <hirendition="#b">Strafet ohne Zorn<lb/>
und Aufregung,</hi> ohne Schimpf- und Fluch-<lb/>
worte, sonst überschreitet ihr leicht das<lb/>
richtige Maß, und der blinde Eifer schadet<lb/>
mehr als er nützt. 5. <hirendition="#b">Strafet klug,</hi> ohne<lb/>
das Vertrauen des Kindes zu erschüttern.<lb/>
Laßt es auch in der Strafe einen Beweis<lb/>
eurer Liebe sehen. Strafet, ohne das<lb/>
Schamgefühl der Kinder zu verletzen.<lb/>
6. <hirendition="#b">Strafet in Einigkeit,</hi> ohne euch einander<lb/>
zu hindern und das Kind in Schutz zu<lb/>
nehmen. Eine so erteilte Strafe wirkt<lb/>
mehr als hundert andere. So sollen<lb/>
kluge Eltern durch Wachsamkeit, und<lb/>
wenn es nötig ist, durch Strenge, das<lb/>
Böse ausreißen, nicht aber sich an den<lb/>
späteren Sünden der Kinder und ihrem<lb/>
Unglück mitschuldig machen durch Ver-<lb/>
zärtelung, Verhätschelung und <q>„alles<lb/>
durchgehen lassen“</q>.</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[287/0288]
Sind die Kinder auch noch zu jung, die
Strafe zu begreifen, so sind sie doch alt
genug, sie zu fühlen. 2. Strafet gerecht!
Darum nur bei wirklichen Fehlern strafen,
z. B. bei einer Lüge, bei Eigensinn, Dieb-
stahl, Unverträglichkeit, Unlauterkeit,
Trägheit, nicht aber bei natürlichen Ge-
brechen der Kinder, bei Unbeholfenheit
oder Unvorsichtigkeit. 3. Strafet selten!
Erst mahnen, dann strafen. Das erstemal
weniger als beim Rückfall in denselben
Fehler. Das Kind darf sich nicht an die
Strafe gewöhnen. 4. Strafet ohne Zorn
und Aufregung, ohne Schimpf- und Fluch-
worte, sonst überschreitet ihr leicht das
richtige Maß, und der blinde Eifer schadet
mehr als er nützt. 5. Strafet klug, ohne
das Vertrauen des Kindes zu erschüttern.
Laßt es auch in der Strafe einen Beweis
eurer Liebe sehen. Strafet, ohne das
Schamgefühl der Kinder zu verletzen.
6. Strafet in Einigkeit, ohne euch einander
zu hindern und das Kind in Schutz zu
nehmen. Eine so erteilte Strafe wirkt
mehr als hundert andere. So sollen
kluge Eltern durch Wachsamkeit, und
wenn es nötig ist, durch Strenge, das
Böse ausreißen, nicht aber sich an den
späteren Sünden der Kinder und ihrem
Unglück mitschuldig machen durch Ver-
zärtelung, Verhätschelung und „alles
durchgehen lassen“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Anonym: Führer zum Himmel. Gebet- und Belehrungsbuch für christliche Eheleute, hrsg. von einem Priester des Redemptoristenordens. Dülmen, 1921, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anonym_fuehrer_1921/288>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.