Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.und außerdem rieselten die kleinen, feinen, runden "Das ist mir denn doch noch nicht vorgekommen, Fenia hörte ganz anfmerksam, mit zur Seite ge¬ Lou Andreas-Salome, Fenitschka. 6
und außerdem rieſelten die kleinen, feinen, runden „Das iſt mir denn doch noch nicht vorgekommen, Fenia hörte ganz anfmerkſam, mit zur Seite ge¬ Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 6
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und außerdem rieſelten die kleinen, feinen, runden
Schneekörnerchen unabläſſig um ſie nieder. Aber da¬
bei war er ſelbſt in einiger Spannung und Erregung;
er war, offen geſtanden, bezüglich des Mannes, der da
ſoeben Fenia einen Heiratsantrag gemacht hatte, nicht ganz
ohne Schadenfreude, — — aber da hinein miſchte ſich
ein ganz ſonderbares Gefühl, — faſt ein verblüfftes,
beleidigtes, — faſt, als ſei er es, den ſie abgewieſen
habe. — — Das war die Verblüffung über ihre Worte,
— Worte einer Frau, die ganz ſo ſprach, als ſei ſie
ein Mann, und als ſei es eine unerhörte Zumutung,
einen Mann, ſeinesgleichen, zu heiraten. —
„Das iſt mir denn doch noch nicht vorgekommen,
Fenitſchka,“ ſagte er, und trat von einem Fuß auf den
andern, denn ihn fror ſehr, „— dieſe ſpitzfindige Unter¬
ſcheidung zwiſchen Liebe und Ehe. — Wenn du deiner
Liebe ſicher biſt, dann dürfen dich auch die Schwierig¬
keiten des Ehelebens nicht abſchrecken, — die wahre
Liebe ſetzt ſich drüber hinweg, — glaube ich. Und dann,
ſiehſt du, ſoll es ja auch grade ſo ſchön ſein, alles mit¬
einander zu teilen, — und beſonders, wenn es für im¬
mer iſt, — und ſelbſt wenn Krankheit, oder Sorge, oder
ſonſtige Unannehmlichkeiten mitunterlaufen, — nun, ſo
hat man doch dafür ein wahrhaftes, wirkliches Stück
Leben miteinander gelebt, — und grade das will die
Liebe, — ſie will doch nicht etwa nur den Genuß? O
nein, bewahre! ſie hat ſozuſagen die Tendenz zur Ehe.“
Fenia hörte ganz anfmerkſam, mit zur Seite ge¬
neigtem Köpfchen zu; unendlich lieb ſchaute ſie dabei
aus, mit ihren halbgeöffneten Kußlippen, — wie jemand
Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 6
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