Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.nach seinem Hotel zurück. Es schneite schwach, in win¬ Unterwegs traf er Fenia. Er sah sie auf der an¬ "Ich hatte dir einen Besuch zugedacht," sagte er, Sie sah ihn lächelnd und nachdenklich an. "Ich bin ihm auch dankbar!" entgegnete sie, -- "Woher kommst du denn?" fragte er im Weiter¬ "Von einem zwecklosen Hin- und Hergehn. Ich nach ſeinem Hotel zurück. Es ſchneite ſchwach, in win¬ Unterwegs traf er Fenia. Er ſah ſie auf der an¬ „Ich hatte dir einen Beſuch zugedacht,“ ſagte er, Sie ſah ihn lächelnd und nachdenklich an. „Ich bin ihm auch dankbar!“ entgegnete ſie, — „Woher kommſt du denn?“ fragte er im Weiter¬ „Von einem zweckloſen Hin- und Hergehn. Ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="76"/><fw type="pageNum" place="top">—76 —<lb/></fw>nach ſeinem Hotel zurück. Es ſchneite ſchwach, in win¬<lb/> zigen, harten Körnchen, die an Hagelgraupen erinnerten<lb/> und auf dem Sand, womit die Trottoirs beſtreut<lb/> waren, weiß und rund liegen blieben wie Perlen. Der<lb/> Himmel hing tief, tief herab, grau und lichtlos, und<lb/> unter ſeinem gleichförmigen Schiefergrau ballten und<lb/> ſtopften ſich noch große weiße Wolken gleich Federkiſſen;<lb/> es ſah wahrhaftig aus, als habe der Himmel droben ſich<lb/> gut auswattiert, um ſich vor der Kälte bei den Men¬<lb/> ſchenkindern unten zu ſchützen.</p><lb/> <p>Unterwegs traf er Fenia. Er ſah ſie auf der an¬<lb/> dern Seite des Trottoirs und ging über den Straßen¬<lb/> damm auf ſie zu; ſie bemerkte es, blieb ſtehn und war¬<lb/> tete auf ihn.</p><lb/> <p>„Ich hatte dir einen Beſuch zugedacht,“ ſagte er,<lb/> während ſie ſich die Hand ſchüttelten, „fand dich aber nicht,<lb/> und fürchtete ſchon, dich heute nicht mehr zu ſehen. Da¬<lb/> her bin ich dem Zufall jetzt doppelt dankbar.“</p><lb/> <p>Sie ſah ihn lächelnd und nachdenklich an.</p><lb/> <p>„Ich bin ihm auch dankbar!“ entgegnete ſie, —<lb/> „deinen Beſuch hätt ich nämlich nicht angenommen —.<lb/> Keinen Beſuch, der heute kommt. — Und nun, wo ich dich<lb/> unerwartet treffe, merk ich, daß ich mich drüber freue,<lb/> mit dir zu gehn und zu plaudern. — — So wenig<lb/> kennen wir uns ſelbſt.“</p><lb/> <p>„Woher kommſt du denn?“ fragte er im Weiter¬<lb/> gehn.</p><lb/> <p>„Von einem zweckloſen Hin- und Hergehn. Ich<lb/> ertrug's in der Stube nicht. Ertrag's aber auch draußen<lb/> nicht. Ich habe entſetzliche Sorgen, Max. — — Denke<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0080]
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nach ſeinem Hotel zurück. Es ſchneite ſchwach, in win¬
zigen, harten Körnchen, die an Hagelgraupen erinnerten
und auf dem Sand, womit die Trottoirs beſtreut
waren, weiß und rund liegen blieben wie Perlen. Der
Himmel hing tief, tief herab, grau und lichtlos, und
unter ſeinem gleichförmigen Schiefergrau ballten und
ſtopften ſich noch große weiße Wolken gleich Federkiſſen;
es ſah wahrhaftig aus, als habe der Himmel droben ſich
gut auswattiert, um ſich vor der Kälte bei den Men¬
ſchenkindern unten zu ſchützen.
Unterwegs traf er Fenia. Er ſah ſie auf der an¬
dern Seite des Trottoirs und ging über den Straßen¬
damm auf ſie zu; ſie bemerkte es, blieb ſtehn und war¬
tete auf ihn.
„Ich hatte dir einen Beſuch zugedacht,“ ſagte er,
während ſie ſich die Hand ſchüttelten, „fand dich aber nicht,
und fürchtete ſchon, dich heute nicht mehr zu ſehen. Da¬
her bin ich dem Zufall jetzt doppelt dankbar.“
Sie ſah ihn lächelnd und nachdenklich an.
„Ich bin ihm auch dankbar!“ entgegnete ſie, —
„deinen Beſuch hätt ich nämlich nicht angenommen —.
Keinen Beſuch, der heute kommt. — Und nun, wo ich dich
unerwartet treffe, merk ich, daß ich mich drüber freue,
mit dir zu gehn und zu plaudern. — — So wenig
kennen wir uns ſelbſt.“
„Woher kommſt du denn?“ fragte er im Weiter¬
gehn.
„Von einem zweckloſen Hin- und Hergehn. Ich
ertrug's in der Stube nicht. Ertrag's aber auch draußen
nicht. Ich habe entſetzliche Sorgen, Max. — — Denke
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