Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.hätte er es nur geahnt, so würde er mich von allem Max Werner schwieg dazu und dachte sich im stillen "Weißt du noch, wie du mir mal auf dem Newskij, "Ja! Vom ersten Augenblick an war es so. Dank ihm, hätte er es nur geahnt, ſo würde er mich von allem Max Werner ſchwieg dazu und dachte ſich im ſtillen „Weißt du noch, wie du mir mal auf dem Newskij, „Ja! Vom erſten Augenblick an war es ſo. Dank ihm, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="74"/><fw type="pageNum" place="top">— 74 —<lb/></fw>hätte er es nur geahnt, ſo würde er mich von allem<lb/> Anfang an ſo anſpruchsvoll geliebt haben, wie jetzt, —<lb/> mit ſolchen Anſprüchen an alle meine Zeit und jeden<lb/> meiner Gedanken.“</p><lb/> <p>Max Werner ſchwieg dazu und dachte ſich im ſtillen<lb/> mancherlei. Ein paar Minuten ließen ſie, ohne zu reden,<lb/> das Stimmengewirr der Menſchen um ſich herumſummen;<lb/> einer der Diener in Matroſenlivree kam zu ihnen mit<lb/> ſeinem ſilbernen Tablett voll Obſt und Süßigkeiten, ein<lb/> paar der Gäſte fingen an, ſie in ihrem Verſteck zu be¬<lb/> merken. Fenia ſchaute mit blinzelnden Augen in den<lb/> Kerzenglanz, ſie beobachtete nicht mehr, ſie träumte. Aber<lb/> immer noch lag die ſelige Ruhe über ihren Zügen aus¬<lb/> gebreitet.</p><lb/> <p>„Weißt du noch, wie du mir mal auf dem Newskij,<lb/> vor Paſettis Kunſtverlag, ſagteſt: das Koſtbarſte, was<lb/> Liebe giebt, das iſt Frieden?“ fragte Max unwillkürlich.<lb/> Sie nickte und atmete tief auf.</p><lb/> <p>„Ja! Vom erſten Augenblick an war es ſo. Dank ihm,<lb/> daß ich Frieden kenne! Ein ſo tiefes Ausruhen und Ge¬<lb/> nügen. Nicht einmal Sehnſucht, — nicht Qual nach<lb/> mehr, — nicht alle dieſe innern Kämpfe, — wie <hi rendition="#g">er</hi> ſie<lb/> jetzt durchmacht. Ich verſtehe das einfach nicht. — —<lb/> Ich ruhe wie in einer Wiege, weißt du, — die leiſe ge¬<lb/> ſchaukelt wird, — darüber blauer Sommerhimmel, und<lb/> ringsherum blühende Wieſe, — hochſtehende, üppige<lb/> Wieſe voll Klee und langen Halmen, ſo wie ſie kurz vor<lb/> dem Mähen iſt, — — hier in Rußland haben wir ſo<lb/> wundervolle ſolche Wieſen. — — Oder vielleicht lieg<lb/> ich auch nur wie eine Kuh im friſchen Wieſengras mitten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0078]
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hätte er es nur geahnt, ſo würde er mich von allem
Anfang an ſo anſpruchsvoll geliebt haben, wie jetzt, —
mit ſolchen Anſprüchen an alle meine Zeit und jeden
meiner Gedanken.“
Max Werner ſchwieg dazu und dachte ſich im ſtillen
mancherlei. Ein paar Minuten ließen ſie, ohne zu reden,
das Stimmengewirr der Menſchen um ſich herumſummen;
einer der Diener in Matroſenlivree kam zu ihnen mit
ſeinem ſilbernen Tablett voll Obſt und Süßigkeiten, ein
paar der Gäſte fingen an, ſie in ihrem Verſteck zu be¬
merken. Fenia ſchaute mit blinzelnden Augen in den
Kerzenglanz, ſie beobachtete nicht mehr, ſie träumte. Aber
immer noch lag die ſelige Ruhe über ihren Zügen aus¬
gebreitet.
„Weißt du noch, wie du mir mal auf dem Newskij,
vor Paſettis Kunſtverlag, ſagteſt: das Koſtbarſte, was
Liebe giebt, das iſt Frieden?“ fragte Max unwillkürlich.
Sie nickte und atmete tief auf.
„Ja! Vom erſten Augenblick an war es ſo. Dank ihm,
daß ich Frieden kenne! Ein ſo tiefes Ausruhen und Ge¬
nügen. Nicht einmal Sehnſucht, — nicht Qual nach
mehr, — nicht alle dieſe innern Kämpfe, — wie er ſie
jetzt durchmacht. Ich verſtehe das einfach nicht. — —
Ich ruhe wie in einer Wiege, weißt du, — die leiſe ge¬
ſchaukelt wird, — darüber blauer Sommerhimmel, und
ringsherum blühende Wieſe, — hochſtehende, üppige
Wieſe voll Klee und langen Halmen, ſo wie ſie kurz vor
dem Mähen iſt, — — hier in Rußland haben wir ſo
wundervolle ſolche Wieſen. — — Oder vielleicht lieg
ich auch nur wie eine Kuh im friſchen Wieſengras mitten
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