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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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-- und wie immer in lächelnder Beobachtung des bunten
Menschenbildes, -- hinter einer Palmengruppe am Fen¬
ster saß, und blieb vor ihr stehn.

"Weshalb schaust du mich so an?" fragte Fenia.

"Ich vergleiche dich im stillen mit der andern
Braut hier im Saal; -- an der armen Nadeschda ist heute
alles erzwungene Höflichkeit und verhaltene Sehnsucht;
sie hat rote heiße Flecken auf den Wangen, und ihre
Augen glänzen zu sehr."

Fenia lachte.

"Hoffentlich bemerkt der Onkel das nicht!" sagte sie.

"Und über dir, wie du da sitzest, ist eine solche
selige Ruhe ausgegossen."

"Ich habe eigentlich gar keinen Grund, so selig zu
ruhen," entgegnete Fenia, aber ihre vollen warmen
Lippen lächelten immer noch, -- "denn heute haben ,wir'
uns zum erstenmal -- gezankt."

"O das ist mir höchst interessant," bemerkte er
ziemlich eifrig und zog einen Stuhl heran -- "darf ich
wissen, was der Anlaß war?"

Jetzt sah sie ernster aus, eine kleine Falte schob sich
sogar zwischen ihre Augenbrauen, die über der Stumpf¬
nase ganz nah zusammenkamen.

"Der Anlaß ist ganz gleichgültig. Der Grund ist
einfach: er ist gequält und gereizt," sagte sie.

"Mein Gott! er, der es so gut hat?"

"Er leugnet eben, daß er es gut hat," fiel sie ein,
"aber die Wahrheit ist: er ist viel anspruchsvoller ge¬
worden. -- -- Wir haben uns immer nur stundenweise
gesehen -- von allem Anfang an, -- und nicht einmal

— und wie immer in lächelnder Beobachtung des bunten
Menſchenbildes, — hinter einer Palmengruppe am Fen¬
ſter ſaß, und blieb vor ihr ſtehn.

„Weshalb ſchauſt du mich ſo an?“ fragte Fenia.

„Ich vergleiche dich im ſtillen mit der andern
Braut hier im Saal; — an der armen Nadeſchda iſt heute
alles erzwungene Höflichkeit und verhaltene Sehnſucht;
ſie hat rote heiße Flecken auf den Wangen, und ihre
Augen glänzen zu ſehr.“

Fenia lachte.

„Hoffentlich bemerkt der Onkel das nicht!“ ſagte ſie.

„Und über dir, wie du da ſitzeſt, iſt eine ſolche
ſelige Ruhe ausgegoſſen.“

„Ich habe eigentlich gar keinen Grund, ſo ſelig zu
ruhen,“ entgegnete Fenia, aber ihre vollen warmen
Lippen lächelten immer noch, — „denn heute haben ‚wir‘
uns zum erſtenmal — gezankt.“

„O das iſt mir höchſt intereſſant,“ bemerkte er
ziemlich eifrig und zog einen Stuhl heran — „darf ich
wiſſen, was der Anlaß war?“

Jetzt ſah ſie ernſter aus, eine kleine Falte ſchob ſich
ſogar zwiſchen ihre Augenbrauen, die über der Stumpf¬
naſe ganz nah zuſammenkamen.

„Der Anlaß iſt ganz gleichgültig. Der Grund iſt
einfach: er iſt gequält und gereizt,“ ſagte ſie.

„Mein Gott! er, der es ſo gut hat?“

„Er leugnet eben, daß er es gut hat,“ fiel ſie ein,
„aber die Wahrheit iſt: er iſt viel anſpruchsvoller ge¬
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[71/0075] — 71 — — und wie immer in lächelnder Beobachtung des bunten Menſchenbildes, — hinter einer Palmengruppe am Fen¬ ſter ſaß, und blieb vor ihr ſtehn. „Weshalb ſchauſt du mich ſo an?“ fragte Fenia. „Ich vergleiche dich im ſtillen mit der andern Braut hier im Saal; — an der armen Nadeſchda iſt heute alles erzwungene Höflichkeit und verhaltene Sehnſucht; ſie hat rote heiße Flecken auf den Wangen, und ihre Augen glänzen zu ſehr.“ Fenia lachte. „Hoffentlich bemerkt der Onkel das nicht!“ ſagte ſie. „Und über dir, wie du da ſitzeſt, iſt eine ſolche ſelige Ruhe ausgegoſſen.“ „Ich habe eigentlich gar keinen Grund, ſo ſelig zu ruhen,“ entgegnete Fenia, aber ihre vollen warmen Lippen lächelten immer noch, — „denn heute haben ‚wir‘ uns zum erſtenmal — gezankt.“ „O das iſt mir höchſt intereſſant,“ bemerkte er ziemlich eifrig und zog einen Stuhl heran — „darf ich wiſſen, was der Anlaß war?“ Jetzt ſah ſie ernſter aus, eine kleine Falte ſchob ſich ſogar zwiſchen ihre Augenbrauen, die über der Stumpf¬ naſe ganz nah zuſammenkamen. „Der Anlaß iſt ganz gleichgültig. Der Grund iſt einfach: er iſt gequält und gereizt,“ ſagte ſie. „Mein Gott! er, der es ſo gut hat?“ „Er leugnet eben, daß er es gut hat,“ fiel ſie ein, „aber die Wahrheit iſt: er iſt viel anſpruchsvoller ge¬ worden. — — Wir haben uns immer nur ſtundenweiſe geſehen — von allem Anfang an, — und nicht einmal

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/75>, abgerufen am 25.11.2024.