Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.ihm und ihr hervorzukehren und einander zu vermählen, Ihm gegenüber fiel das fort, und er sah sie manch¬ Persönliches aus ihrem Liebesleben erzählte sie ihm Während einer Abendgesellschaft beim alten Baron, Das Souper war eben beendet, und man stand ihm und ihr hervorzukehren und einander zu vermählen, Ihm gegenüber fiel das fort, und er ſah ſie manch¬ Perſönliches aus ihrem Liebesleben erzählte ſie ihm Während einer Abendgeſellſchaft beim alten Baron, Das Souper war eben beendet, und man ſtand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="70"/><fw type="pageNum" place="top">— 70 —<lb/></fw>ihm und ihr hervorzukehren und einander zu vermählen,<lb/> alles Störende zu beſeitigen?</p><lb/> <p>Ihm gegenüber fiel das fort, und er ſah ſie manch¬<lb/> mal vor ſich gleich einem Modell, deſſen Seelenformen<lb/> er nur abzubilden brauchte, — nicht ſo, wie eine Geliebte<lb/> vor ihm ſtehn würde, deren ſeeliſche Reize ſo individuell<lb/> wirken, daß ſie das klare Urteil beſtechen und verwirren,<lb/> — ſondern wie ein Stück weiblichen Geſchlechtes in der<lb/> beſtimmten Verkörperung, die ſich Fenia nannte. Zum<lb/> erſtenmal glaubte er, dem Weibe als ſolchem nah zu<lb/> kommen, indem er Fenia immer näher kam.</p><lb/> <p>Perſönliches aus ihrem Liebesleben erzählte ſie ihm<lb/> nie. Sein Wiſſen um dieſes Ereignis wirkte nur wär¬<lb/> mend und belebend auf alles, was ſie ſonſt miteinander<lb/> teilten. Seine Gedanken indeſſen kreiſten mehr als ein¬<lb/> mal um den ihm fremden Menſchen herum, dem dies<lb/> liebe Geſchöpf zugehörte, und je nach Laune und Stim¬<lb/> mung machte er ſich von ihm die allerverſchiedenartigſten<lb/> Vorſtellungen.</p><lb/> <p>Während einer Abendgeſellſchaft beim alten Baron,<lb/> wohin er Fenia begleitet hatte, erwähnte ſie gegen ihn<lb/> zum erſtenmal wieder der heimlichen Angelegenheit, wo¬<lb/> durch ſie Freunde geworden waren.</p><lb/> <p>Das Souper war eben beendet, und man ſtand<lb/> oder ſaß zwanglos in kleinern Gruppen zuſammen, wie<lb/> der Zufall es grade gab. Er hatte ſich lange mit Ra¬<lb/> deſchda und ihrem Verlobten unterhalten, — dem Typus<lb/> eines Brautpaars, das ſich gern iſolieren möchte, und<lb/> ſtatt deſſen ſeine Blicke und Worte an alle verteilen muß.<lb/> Jetzt näherte er ſich Fenia, die im Augenblick allein,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0074]
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ihm und ihr hervorzukehren und einander zu vermählen,
alles Störende zu beſeitigen?
Ihm gegenüber fiel das fort, und er ſah ſie manch¬
mal vor ſich gleich einem Modell, deſſen Seelenformen
er nur abzubilden brauchte, — nicht ſo, wie eine Geliebte
vor ihm ſtehn würde, deren ſeeliſche Reize ſo individuell
wirken, daß ſie das klare Urteil beſtechen und verwirren,
— ſondern wie ein Stück weiblichen Geſchlechtes in der
beſtimmten Verkörperung, die ſich Fenia nannte. Zum
erſtenmal glaubte er, dem Weibe als ſolchem nah zu
kommen, indem er Fenia immer näher kam.
Perſönliches aus ihrem Liebesleben erzählte ſie ihm
nie. Sein Wiſſen um dieſes Ereignis wirkte nur wär¬
mend und belebend auf alles, was ſie ſonſt miteinander
teilten. Seine Gedanken indeſſen kreiſten mehr als ein¬
mal um den ihm fremden Menſchen herum, dem dies
liebe Geſchöpf zugehörte, und je nach Laune und Stim¬
mung machte er ſich von ihm die allerverſchiedenartigſten
Vorſtellungen.
Während einer Abendgeſellſchaft beim alten Baron,
wohin er Fenia begleitet hatte, erwähnte ſie gegen ihn
zum erſtenmal wieder der heimlichen Angelegenheit, wo¬
durch ſie Freunde geworden waren.
Das Souper war eben beendet, und man ſtand
oder ſaß zwanglos in kleinern Gruppen zuſammen, wie
der Zufall es grade gab. Er hatte ſich lange mit Ra¬
deſchda und ihrem Verlobten unterhalten, — dem Typus
eines Brautpaars, das ſich gern iſolieren möchte, und
ſtatt deſſen ſeine Blicke und Worte an alle verteilen muß.
Jetzt näherte er ſich Fenia, die im Augenblick allein,
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