Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Man konnte ihren beweglichen Mienen aufs deutlichste "Ach, Ueberlegenheit! Was soll mir die!" sagte sie "Mein Gott! die Frauen sind jetzt aber auch so ent¬ Obwohl Fenia gegen ihn stritt, so sah sie ihn doch Während er so schön sprach, dachte er an etwas ganz Man konnte ihren beweglichen Mienen aufs deutlichſte „Ach, Ueberlegenheit! Was ſoll mir die!“ ſagte ſie „Mein Gott! die Frauen ſind jetzt aber auch ſo ent¬ Obwohl Fenia gegen ihn ſtritt, ſo ſah ſie ihn doch Während er ſo ſchön ſprach, dachte er an etwas ganz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0060" n="56"/> <fw type="pageNum" place="top">— 56 —<lb/></fw> <p>Man konnte ihren beweglichen Mienen aufs deutlichſte<lb/> anſehen, daß ſie über irgend einen Gedanken mit ſich<lb/> ſelbſt ins reine zu kommen verſuchte.</p><lb/> <p>„Ach, Ueberlegenheit! Was ſoll mir die!“ ſagte ſie<lb/> darauf wegwerfend, „wir haben nun einmal das Ver¬<lb/> langen, für das, was uns am teuerſten iſt, auch am<lb/> offenſten einzutreten; und wir ſchätzen ſogar ganz unwill¬<lb/> kürlich den Wert einer Sache ein wenig danach ab, ob<lb/> wir ſie zu einer Geſinnungsſache machen würden, — ob<lb/> wir für ihr Recht <hi rendition="#g">kämpfen</hi> können.“</p><lb/> <p>„Mein Gott! die Frauen ſind jetzt aber auch ſo ent¬<lb/> ſetzlich kampfluſtig geworden!“ bemerkte er lachend, —<lb/> „ſo entſetzlich poſitiv und aggreſſiv, daß es kaum zum<lb/> Aushalten iſt! Sehen Sie, das kommt nun von all der<lb/> Frauenbefreiung und Studiererei und all dieſen Kam¬<lb/> pfesidealen, — — — Die Frauen ſind die reinen Em¬<lb/> porkömmlinge! Verzeihen Sie, — — es liegt ja etwas<lb/> ganz Jugendliches und Kräftiges drin, aber es hat nicht<lb/> den vornehmen Geſchmack. Alles zur Diskuſſion zu ſtellen,<lb/> ſelbſt das Undiskutierbarſte, alles in die Oeffentlichkeit<lb/> zu werfen, ſelbſt das Intimſte, — — finden Sie das<lb/> etwa ſchön? Ich nicht! Es vergröbert alle Dinge un¬<lb/> geheuer, fälſcht ſie ins Rationaliſtiſche hinein, wiſcht alle<lb/> zarten Farbennüancen fort, ſetzt allem gräßliche grelle<lb/> Schlaglichter auf —“</p><lb/> <p>Obwohl Fenia gegen ihn ſtritt, ſo ſah ſie ihn doch<lb/> ganz unverkennbar ſo an, als ob ſie ſich ganz gern<lb/> widerlegt ſähe.</p><lb/> <p>Während er ſo ſchön ſprach, dachte er an etwas ganz<lb/> andres: „Wer mochte dieſer Mann ſein? Ob er ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0060]
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Man konnte ihren beweglichen Mienen aufs deutlichſte
anſehen, daß ſie über irgend einen Gedanken mit ſich
ſelbſt ins reine zu kommen verſuchte.
„Ach, Ueberlegenheit! Was ſoll mir die!“ ſagte ſie
darauf wegwerfend, „wir haben nun einmal das Ver¬
langen, für das, was uns am teuerſten iſt, auch am
offenſten einzutreten; und wir ſchätzen ſogar ganz unwill¬
kürlich den Wert einer Sache ein wenig danach ab, ob
wir ſie zu einer Geſinnungsſache machen würden, — ob
wir für ihr Recht kämpfen können.“
„Mein Gott! die Frauen ſind jetzt aber auch ſo ent¬
ſetzlich kampfluſtig geworden!“ bemerkte er lachend, —
„ſo entſetzlich poſitiv und aggreſſiv, daß es kaum zum
Aushalten iſt! Sehen Sie, das kommt nun von all der
Frauenbefreiung und Studiererei und all dieſen Kam¬
pfesidealen, — — — Die Frauen ſind die reinen Em¬
porkömmlinge! Verzeihen Sie, — — es liegt ja etwas
ganz Jugendliches und Kräftiges drin, aber es hat nicht
den vornehmen Geſchmack. Alles zur Diskuſſion zu ſtellen,
ſelbſt das Undiskutierbarſte, alles in die Oeffentlichkeit
zu werfen, ſelbſt das Intimſte, — — finden Sie das
etwa ſchön? Ich nicht! Es vergröbert alle Dinge un¬
geheuer, fälſcht ſie ins Rationaliſtiſche hinein, wiſcht alle
zarten Farbennüancen fort, ſetzt allem gräßliche grelle
Schlaglichter auf —“
Obwohl Fenia gegen ihn ſtritt, ſo ſah ſie ihn doch
ganz unverkennbar ſo an, als ob ſie ſich ganz gern
widerlegt ſähe.
Während er ſo ſchön ſprach, dachte er an etwas ganz
andres: „Wer mochte dieſer Mann ſein? Ob er ſie
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