Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.in einen rohen Kampf hineinzerren, -- sozusagen auf die Fenia hatte sehr aufmerksam zugehört. "Ja," sagte sie langsam, "so mögen wohl Männer "Das kann unangenehm sein!" gab er zu, "aber Fenia schüttelte den Kopf und blickte nachdenklich in einen rohen Kampf hineinzerren, — ſozuſagen auf die Fenia hatte ſehr aufmerkſam zugehört. „Ja,“ ſagte ſie langſam, „ſo mögen wohl Männer „Das kann unangenehm ſein!“ gab er zu, „aber Fenia ſchüttelte den Kopf und blickte nachdenklich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="55"/><fw type="pageNum" place="top">— 55 —<lb/></fw>in einen rohen Kampf hineinzerren, — ſozuſagen auf die<lb/> Straße ſtellen zwiſchen den Pöbel —“</p><lb/> <p>Fenia hatte ſehr aufmerkſam zugehört.</p><lb/> <p>„Ja,“ ſagte ſie langſam, „ſo mögen wohl Männer<lb/> urteilen, — — ihr, denen alles geſtattet iſt, und für<lb/> die darum auch kein andrer Beweggrund zu einer Ge¬<lb/> heimhaltung vorzuliegen braucht, als nur ſolch ein innerer.<lb/> Aber für uns iſt das ganz etwas andres. Wir fühlen<lb/> das wohl auch, — ja ſicher noch viel feiner und<lb/> ſcheuer als ihr, — —aber wir fühlen auch den Schein<lb/> von Feigheit, der auf uns fällt dadurch, daß wir der<lb/> Heimlichkeit zu bedürfen glauben. Eine jede Heimlich¬<lb/> keit ſcheint nicht aus Feingefühl, ſondern aus Menſchen¬<lb/> furcht da zu ſein, — —und dann demütigt es uns auch,<lb/> wenn wir uns von Menſchen achten und verehren laſſen<lb/> müſſen, deren ganze Anſchauungsweiſe uns vielleicht ver¬<lb/> dammen würde im Falle unſrer Offenheit.“</p><lb/> <p>„Das kann unangenehm ſein!“ gab er zu, „aber<lb/> ſobald es nur ein Opfer iſt, das wir bringen, und nicht<lb/> ein erlogener Erfolg, den wir ſuchen, — kann man ſich<lb/> doch wohl darüber hinwegſetzen. All dies iſt ja nur der<lb/><hi rendition="#g">Schein</hi> der Feigheit, — das klar zu erkennen und ruhig<lb/> zu tragen, wäre eigentlich erſt die rechte Ueberlegenheit<lb/> über die menſchlichen Vorurteile. Meinen Sie nicht?<lb/> Sonſt iſt man doch eigentlich nur ein Wahrheitsprotz.“</p><lb/> <p>Fenia ſchüttelte den Kopf und blickte nachdenklich<lb/> in das Fenſter hinein, wo zwiſchen den Doppelſcheiben<lb/> dicke weiße Wattſchichten jeden Luftzug abſperrten, und<lb/> mit Waldmoos und bunten Papierblumen häßlich genug<lb/> ausgeſchmückt waren.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0059]
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in einen rohen Kampf hineinzerren, — ſozuſagen auf die
Straße ſtellen zwiſchen den Pöbel —“
Fenia hatte ſehr aufmerkſam zugehört.
„Ja,“ ſagte ſie langſam, „ſo mögen wohl Männer
urteilen, — — ihr, denen alles geſtattet iſt, und für
die darum auch kein andrer Beweggrund zu einer Ge¬
heimhaltung vorzuliegen braucht, als nur ſolch ein innerer.
Aber für uns iſt das ganz etwas andres. Wir fühlen
das wohl auch, — ja ſicher noch viel feiner und
ſcheuer als ihr, — —aber wir fühlen auch den Schein
von Feigheit, der auf uns fällt dadurch, daß wir der
Heimlichkeit zu bedürfen glauben. Eine jede Heimlich¬
keit ſcheint nicht aus Feingefühl, ſondern aus Menſchen¬
furcht da zu ſein, — —und dann demütigt es uns auch,
wenn wir uns von Menſchen achten und verehren laſſen
müſſen, deren ganze Anſchauungsweiſe uns vielleicht ver¬
dammen würde im Falle unſrer Offenheit.“
„Das kann unangenehm ſein!“ gab er zu, „aber
ſobald es nur ein Opfer iſt, das wir bringen, und nicht
ein erlogener Erfolg, den wir ſuchen, — kann man ſich
doch wohl darüber hinwegſetzen. All dies iſt ja nur der
Schein der Feigheit, — das klar zu erkennen und ruhig
zu tragen, wäre eigentlich erſt die rechte Ueberlegenheit
über die menſchlichen Vorurteile. Meinen Sie nicht?
Sonſt iſt man doch eigentlich nur ein Wahrheitsprotz.“
Fenia ſchüttelte den Kopf und blickte nachdenklich
in das Fenſter hinein, wo zwiſchen den Doppelſcheiben
dicke weiße Wattſchichten jeden Luftzug abſperrten, und
mit Waldmoos und bunten Papierblumen häßlich genug
ausgeſchmückt waren.
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