Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Max Werner folgte mit der ältesten Tochter Nadeschda, Während des Essens wartete man meistens auf die "Man redet immer viel davon, daß in der deut¬ "Darauf hab ich wirklich nur wenig geachtet, Onkel "Exponiert genug hast du dir freilich dein Leben Max Werner folgte mit der älteſten Tochter Nadeſchda, Während des Eſſens wartete man meiſtens auf die „Man redet immer viel davon, daß in der deut¬ „Darauf hab ich wirklich nur wenig geachtet, Onkel „Exponiert genug haſt du dir freilich dein Leben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0046" n="42"/> <fw type="pageNum" place="top">— 42 —<lb/></fw> <p>Max Werner folgte mit der älteſten Tochter Nadeſchda,<lb/> — bereits verlobt mit einem Attaché der deutſchen Bot¬<lb/> ſchaft. Hinter ihnen die Geſellſchafterin mit den beiden<lb/> andern Mädchen, von denen die jüngſte noch zur Schule<lb/> ging, — und ganz zum Schluß die perſiſche Windhündin<lb/> des Barons, Ruſſalka, die, ſilberhaarig, lang, ſchmal und<lb/> vornehm, eine unverkennbare Aehnlichkeit mit ihrem<lb/> Herrn beſaß.</p><lb/> <p>Während des Eſſens wartete man meiſtens auf die<lb/> Eröffnung der Unterhaltung durch den Hausherrn. Heute<lb/> ſprach er nach genoſſener Suppe wie folgt:</p><lb/> <p>„Man redet immer viel davon, daß in der deut¬<lb/> ſchen — überhaupt in der ausländiſchen — Kolonie hier<lb/> der Klatſch zu Hauſe ſei. Es hat natürlich ſo eine<lb/> Kolonie, ſelbſt wenn ſie noch ſo groß iſt, im fremden<lb/> Lande leicht den Charakter einer Kleinſtadt. Man wird<lb/> leichter in böſen Leumund geraten, als anderswo. —<lb/> — Wie haſt du es zum Beiſpiel anderswo gefunden,<lb/> Fenia?“</p><lb/> <p>„Darauf hab ich wirklich nur wenig geachtet, Onkel<lb/> Miſcha,“ antwortete Fenia, „es mag ſehr wohl der Fall<lb/> ſein, daß auch ich oft tüchtig verklatſcht worden bin,<lb/> weil ich mich abſolut nicht um den Schein kümmerte,<lb/> aber ich hatte immer einen genügenden Schutz an echten<lb/> Kameraden, die das nicht bis an meine Ohren heran¬<lb/> kommen ließen.“</p><lb/> <p>„Exponiert genug haſt du dir freilich dein Leben<lb/> eingerichtet,“ bemerkte der Baron, „mir faſt unbegreif¬<lb/> lich ſorglos. Aber man muß dir nachſagen, daß du es<lb/> verſtanden haſt, vortrefflich ans Ziel zu kommen. Alle<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0046]
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Max Werner folgte mit der älteſten Tochter Nadeſchda,
— bereits verlobt mit einem Attaché der deutſchen Bot¬
ſchaft. Hinter ihnen die Geſellſchafterin mit den beiden
andern Mädchen, von denen die jüngſte noch zur Schule
ging, — und ganz zum Schluß die perſiſche Windhündin
des Barons, Ruſſalka, die, ſilberhaarig, lang, ſchmal und
vornehm, eine unverkennbare Aehnlichkeit mit ihrem
Herrn beſaß.
Während des Eſſens wartete man meiſtens auf die
Eröffnung der Unterhaltung durch den Hausherrn. Heute
ſprach er nach genoſſener Suppe wie folgt:
„Man redet immer viel davon, daß in der deut¬
ſchen — überhaupt in der ausländiſchen — Kolonie hier
der Klatſch zu Hauſe ſei. Es hat natürlich ſo eine
Kolonie, ſelbſt wenn ſie noch ſo groß iſt, im fremden
Lande leicht den Charakter einer Kleinſtadt. Man wird
leichter in böſen Leumund geraten, als anderswo. —
— Wie haſt du es zum Beiſpiel anderswo gefunden,
Fenia?“
„Darauf hab ich wirklich nur wenig geachtet, Onkel
Miſcha,“ antwortete Fenia, „es mag ſehr wohl der Fall
ſein, daß auch ich oft tüchtig verklatſcht worden bin,
weil ich mich abſolut nicht um den Schein kümmerte,
aber ich hatte immer einen genügenden Schutz an echten
Kameraden, die das nicht bis an meine Ohren heran¬
kommen ließen.“
„Exponiert genug haſt du dir freilich dein Leben
eingerichtet,“ bemerkte der Baron, „mir faſt unbegreif¬
lich ſorglos. Aber man muß dir nachſagen, daß du es
verſtanden haſt, vortrefflich ans Ziel zu kommen. Alle
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