Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Fenia schüttelte den Kopf.

"Durchaus nicht! im Gegenteil! Streift man die
äußere Form ab, was ist der tiefere Sinn? Er lautet
etwa: da sind zwei Menschen, die sich zusammenthun wol¬
len für immer, -- vermutlich weil sie sich lieben, --
aber nicht nur zum Zweck ihrer persönlichen Verliebtheit,
sondern zu einer gemeinsamen Aufgabe, -- sozusagen
im Dienst eines Höheren, Dritten, worin sie sich erst
unlöslich verbinden. Sonst ist die ganze Unlöslichkeit
zwecklos. Nein, sie wollen darin über das nur Persön¬
liche, rein Gefühlsmäßige hinaus, -- ob sie es nun
Gott nennen, oder Heiligkeit der Familie, oder Ewig¬
keit des Ehebündnisses, -- das gilt dafür gleich. -- --
In jedem Fall ist es etwas andres, -- auch etwas
durchaus Anderwertiges, als nur Liebe zwischen den Ge¬
schlechtern."

"Mein Gott, Fenia Iwanowna!" sagte Max Werner
ganz konsterniert, "Sie können einem wahrhaftig das
ganze Heiraten verleiden! Mir läuft förmlich eine Gänse¬
haut über den Rücken. Zum Glück irren Sie sich.
Unlöslich ist die Geschichte wenigstens nicht. Es giebt
ja doch Aussicht auf Scheidung --"

Fenia zuckte die Achseln.

"Mag sein -- bei euch. Da drückt eben die Form
den Inhalt nicht mehr voll aus. Hat also auch die ihr
zukommende Schönheit und Feierlichkeit nicht mehr. Da
kann ich mir ganz gut denken, daß ihr vielleicht leicht¬
sinniger drauf los heiratet. -- -- Wir aber, -- -- ehe
wir es thun, werfen wir uns auf die Kniee -- ganz so,
als ob wir das Entgegengesetzte thun und auf Lebens¬

Fenia ſchüttelte den Kopf.

„Durchaus nicht! im Gegenteil! Streift man die
äußere Form ab, was iſt der tiefere Sinn? Er lautet
etwa: da ſind zwei Menſchen, die ſich zuſammenthun wol¬
len für immer, — vermutlich weil ſie ſich lieben, —
aber nicht nur zum Zweck ihrer perſönlichen Verliebtheit,
ſondern zu einer gemeinſamen Aufgabe, — ſozuſagen
im Dienſt eines Höheren, Dritten, worin ſie ſich erſt
unlöslich verbinden. Sonſt iſt die ganze Unlöslichkeit
zwecklos. Nein, ſie wollen darin über das nur Perſön¬
liche, rein Gefühlsmäßige hinaus, — ob ſie es nun
Gott nennen, oder Heiligkeit der Familie, oder Ewig¬
keit des Ehebündniſſes, — das gilt dafür gleich. — —
In jedem Fall iſt es etwas andres, — auch etwas
durchaus Anderwertiges, als nur Liebe zwiſchen den Ge¬
ſchlechtern.“

„Mein Gott, Fenia Iwanowna!“ ſagte Max Werner
ganz konſterniert, „Sie können einem wahrhaftig das
ganze Heiraten verleiden! Mir läuft förmlich eine Gänſe¬
haut über den Rücken. Zum Glück irren Sie ſich.
Unlöslich iſt die Geſchichte wenigſtens nicht. Es giebt
ja doch Ausſicht auf Scheidung —“

Fenia zuckte die Achſeln.

„Mag ſein — bei euch. Da drückt eben die Form
den Inhalt nicht mehr voll aus. Hat alſo auch die ihr
zukommende Schönheit und Feierlichkeit nicht mehr. Da
kann ich mir ganz gut denken, daß ihr vielleicht leicht¬
ſinniger drauf los heiratet. — — Wir aber, — — ehe
wir es thun, werfen wir uns auf die Kniee — ganz ſo,
als ob wir das Entgegengeſetzte thun und auf Lebens¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="30"/>
        <fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 30 &#x2014;<lb/></fw>
        <p>Fenia &#x017F;chüttelte den Kopf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Durchaus nicht! im Gegenteil! Streift man die<lb/>
äußere Form ab, was i&#x017F;t der tiefere Sinn? Er lautet<lb/>
etwa: da &#x017F;ind zwei Men&#x017F;chen, die &#x017F;ich zu&#x017F;ammenthun wol¬<lb/>
len für immer, &#x2014; vermutlich weil &#x017F;ie &#x017F;ich lieben, &#x2014;<lb/>
aber nicht nur zum Zweck ihrer per&#x017F;önlichen Verliebtheit,<lb/>
&#x017F;ondern zu einer gemein&#x017F;amen Aufgabe, &#x2014; &#x017F;ozu&#x017F;agen<lb/>
im Dien&#x017F;t eines Höheren, Dritten, worin &#x017F;ie &#x017F;ich er&#x017F;t<lb/>
unlöslich verbinden. Son&#x017F;t i&#x017F;t die ganze Unlöslichkeit<lb/>
zwecklos. Nein, &#x017F;ie wollen darin über das nur Per&#x017F;ön¬<lb/>
liche, rein Gefühlsmäßige hinaus, &#x2014; ob &#x017F;ie es nun<lb/>
Gott nennen, oder Heiligkeit der Familie, oder Ewig¬<lb/>
keit des Ehebündni&#x017F;&#x017F;es, &#x2014; das gilt dafür gleich. &#x2014; &#x2014;<lb/>
In jedem Fall i&#x017F;t es etwas andres, &#x2014; auch etwas<lb/>
durchaus Anderwertiges, als nur Liebe zwi&#x017F;chen den Ge¬<lb/>
&#x017F;chlechtern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, Fenia Iwanowna!&#x201C; &#x017F;agte Max Werner<lb/>
ganz kon&#x017F;terniert, &#x201E;Sie können einem wahrhaftig das<lb/>
ganze Heiraten verleiden! Mir läuft förmlich eine Gän&#x017F;<lb/>
haut über den Rücken. Zum Glück irren Sie &#x017F;ich.<lb/>
Unlöslich i&#x017F;t die Ge&#x017F;chichte wenig&#x017F;tens nicht. Es giebt<lb/>
ja doch Aus&#x017F;icht auf Scheidung &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Fenia zuckte die Ach&#x017F;eln.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mag &#x017F;ein &#x2014; bei euch. Da drückt eben die Form<lb/>
den Inhalt nicht mehr voll aus. Hat al&#x017F;o auch die ihr<lb/>
zukommende Schönheit und Feierlichkeit nicht mehr. Da<lb/>
kann ich mir ganz gut denken, daß ihr vielleicht leicht¬<lb/>
&#x017F;inniger drauf los heiratet. &#x2014; &#x2014; Wir aber, &#x2014; &#x2014; ehe<lb/>
wir es thun, werfen wir uns auf die Kniee &#x2014; ganz &#x017F;o,<lb/>
als ob wir das Entgegenge&#x017F;etzte thun und auf Lebens¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0034] — 30 — Fenia ſchüttelte den Kopf. „Durchaus nicht! im Gegenteil! Streift man die äußere Form ab, was iſt der tiefere Sinn? Er lautet etwa: da ſind zwei Menſchen, die ſich zuſammenthun wol¬ len für immer, — vermutlich weil ſie ſich lieben, — aber nicht nur zum Zweck ihrer perſönlichen Verliebtheit, ſondern zu einer gemeinſamen Aufgabe, — ſozuſagen im Dienſt eines Höheren, Dritten, worin ſie ſich erſt unlöslich verbinden. Sonſt iſt die ganze Unlöslichkeit zwecklos. Nein, ſie wollen darin über das nur Perſön¬ liche, rein Gefühlsmäßige hinaus, — ob ſie es nun Gott nennen, oder Heiligkeit der Familie, oder Ewig¬ keit des Ehebündniſſes, — das gilt dafür gleich. — — In jedem Fall iſt es etwas andres, — auch etwas durchaus Anderwertiges, als nur Liebe zwiſchen den Ge¬ ſchlechtern.“ „Mein Gott, Fenia Iwanowna!“ ſagte Max Werner ganz konſterniert, „Sie können einem wahrhaftig das ganze Heiraten verleiden! Mir läuft förmlich eine Gänſe¬ haut über den Rücken. Zum Glück irren Sie ſich. Unlöslich iſt die Geſchichte wenigſtens nicht. Es giebt ja doch Ausſicht auf Scheidung —“ Fenia zuckte die Achſeln. „Mag ſein — bei euch. Da drückt eben die Form den Inhalt nicht mehr voll aus. Hat alſo auch die ihr zukommende Schönheit und Feierlichkeit nicht mehr. Da kann ich mir ganz gut denken, daß ihr vielleicht leicht¬ ſinniger drauf los heiratet. — — Wir aber, — — ehe wir es thun, werfen wir uns auf die Kniee — ganz ſo, als ob wir das Entgegengeſetzte thun und auf Lebens¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/34
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/34>, abgerufen am 21.11.2024.