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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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durstiger sein. Ich weiß einen Ort, wo Sie selbst um
diese frühe Stunde ganz vorzüglichen bekommen."

"Wo denn? Ganz nah?"

"Ganz nah. Keine zehn Häuser weit. Denn wir sind
hier zwar etwas entfernt von Ihrem Hotel, aber desto
näher bei dem meinen. Und meine Hotelwirte sind auf
die merkwürdigsten Kaffeestunden eingerichtet. Gehen wir
hin. Ich lasse dann von dort einen Fiaker besorgen."

"Bei mir wird, glaub ich, der Speisesaal nicht so
früh aufgemacht," meinte Fenia etwas verwundert, "aber
wenn es so ist -- gehen wir meinetwegen."

Ihre einfache Bereitwilligkeit irritierte ihn beinahe.
Die mit ihr durchwachte Nacht hatte seine verliebte Neu¬
gier bis zu nervöser Erregung aufgereizt. Wie, wenn er
sie gar nicht in den allgemeinen Speisesaal führte? konnte
sie denn das wissen? Höchst wahrscheinlich war dieser
wirklich noch nicht auf. Aber seine eignen Zimmer
lagen daneben.

Eine Art von stiller Wut kam in ihn, seine Unklar¬
heit über dieses Mädchen quälte ihn. War es wohl mög¬
lich, daß sie einem wildfremden jungen Menschen so weit
entgegenkam, sich ihm so arglos anvertraute, wenn das
alles nicht bloßes Raffinement war? Lachte sie etwa
im stillen über ihn? Oder von welchem fernen Stern
war sie auf das Pariser Pflaster gefallen?

Ach, er war noch sehr jung damals! Die Weiber
taxierte er ganz besonders deshalb noch ziemlich falsch,
weil er Angst hatte, für einen leichtgläubigen Dummkopf
gehalten zu werden. Und was die studierenden Frauen an¬
betraf, gegen die er eine solche Abneigung besaß, so mußte

durſtiger ſein. Ich weiß einen Ort, wo Sie ſelbſt um
dieſe frühe Stunde ganz vorzüglichen bekommen.“

„Wo denn? Ganz nah?“

„Ganz nah. Keine zehn Häuſer weit. Denn wir ſind
hier zwar etwas entfernt von Ihrem Hotel, aber deſto
näher bei dem meinen. Und meine Hotelwirte ſind auf
die merkwürdigſten Kaffeeſtunden eingerichtet. Gehen wir
hin. Ich laſſe dann von dort einen Fiaker beſorgen.“

„Bei mir wird, glaub ich, der Speiſeſaal nicht ſo
früh aufgemacht,“ meinte Fenia etwas verwundert, „aber
wenn es ſo iſt — gehen wir meinetwegen.“

Ihre einfache Bereitwilligkeit irritierte ihn beinahe.
Die mit ihr durchwachte Nacht hatte ſeine verliebte Neu¬
gier bis zu nervöſer Erregung aufgereizt. Wie, wenn er
ſie gar nicht in den allgemeinen Speiſeſaal führte? konnte
ſie denn das wiſſen? Höchſt wahrſcheinlich war dieſer
wirklich noch nicht auf. Aber ſeine eignen Zimmer
lagen daneben.

Eine Art von ſtiller Wut kam in ihn, ſeine Unklar¬
heit über dieſes Mädchen quälte ihn. War es wohl mög¬
lich, daß ſie einem wildfremden jungen Menſchen ſo weit
entgegenkam, ſich ihm ſo arglos anvertraute, wenn das
alles nicht bloßes Raffinement war? Lachte ſie etwa
im ſtillen über ihn? Oder von welchem fernen Stern
war ſie auf das Pariſer Pflaſter gefallen?

Ach, er war noch ſehr jung damals! Die Weiber
taxierte er ganz beſonders deshalb noch ziemlich falſch,
weil er Angſt hatte, für einen leichtgläubigen Dummkopf
gehalten zu werden. Und was die ſtudierenden Frauen an¬
betraf, gegen die er eine ſolche Abneigung beſaß, ſo mußte

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[21/0025] — 21 — durſtiger ſein. Ich weiß einen Ort, wo Sie ſelbſt um dieſe frühe Stunde ganz vorzüglichen bekommen.“ „Wo denn? Ganz nah?“ „Ganz nah. Keine zehn Häuſer weit. Denn wir ſind hier zwar etwas entfernt von Ihrem Hotel, aber deſto näher bei dem meinen. Und meine Hotelwirte ſind auf die merkwürdigſten Kaffeeſtunden eingerichtet. Gehen wir hin. Ich laſſe dann von dort einen Fiaker beſorgen.“ „Bei mir wird, glaub ich, der Speiſeſaal nicht ſo früh aufgemacht,“ meinte Fenia etwas verwundert, „aber wenn es ſo iſt — gehen wir meinetwegen.“ Ihre einfache Bereitwilligkeit irritierte ihn beinahe. Die mit ihr durchwachte Nacht hatte ſeine verliebte Neu¬ gier bis zu nervöſer Erregung aufgereizt. Wie, wenn er ſie gar nicht in den allgemeinen Speiſeſaal führte? konnte ſie denn das wiſſen? Höchſt wahrſcheinlich war dieſer wirklich noch nicht auf. Aber ſeine eignen Zimmer lagen daneben. Eine Art von ſtiller Wut kam in ihn, ſeine Unklar¬ heit über dieſes Mädchen quälte ihn. War es wohl mög¬ lich, daß ſie einem wildfremden jungen Menſchen ſo weit entgegenkam, ſich ihm ſo arglos anvertraute, wenn das alles nicht bloßes Raffinement war? Lachte ſie etwa im ſtillen über ihn? Oder von welchem fernen Stern war ſie auf das Pariſer Pflaſter gefallen? Ach, er war noch ſehr jung damals! Die Weiber taxierte er ganz beſonders deshalb noch ziemlich falſch, weil er Angſt hatte, für einen leichtgläubigen Dummkopf gehalten zu werden. Und was die ſtudierenden Frauen an¬ betraf, gegen die er eine ſolche Abneigung beſaß, ſo mußte

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/25>, abgerufen am 25.11.2024.