Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.mühsamem Nebenerwerb, Stundengeben und Uebersetzungen Kam daher dieser merkwürdig schwesterliche, geschlechts¬ Immer wieder schweiften seine Augen und seine Ge¬ Jedenfalls ging etwas Aufregendes von Fenia über mühſamem Nebenerwerb, Stundengeben und Ueberſetzungen Kam daher dieſer merkwürdig ſchweſterliche, geſchlechts¬ Immer wieder ſchweiften ſeine Augen und ſeine Ge¬ Jedenfalls ging etwas Aufregendes von Fenia über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="16"/><fw type="pageNum" place="top">— 16 —<lb/></fw>mühſamem Nebenerwerb, Stundengeben und Ueberſetzungen<lb/> aller Art hartnäckig fortſetzte. In Zürich ſchien ſie mit<lb/> lauter ihr befreundeten Männern zuſammen zu ſtudieren,<lb/> — einer von ihnen hatte ſie in den Herbſtferien auch<lb/> hierher, nach Paris, begleitet, war dann aber nach Ru߬<lb/> land abgereiſt.</p><lb/> <p>Kam daher dieſer merkwürdig ſchweſterliche, geſchlechts¬<lb/> loſe Anſtrich, den ſie ſich gab, als gäbe es für ſie auf<lb/> der Welt nur lauter Brüder? Oder war es nicht viel<lb/> wahrſcheinlicher, daß dies unendlich unbefangene Betragen<lb/> nur den äußeren Deckmantel abgab für ein ganz freies<lb/> Leben? Sie mußte doch ſchon recht viel von der Welt<lb/> und den Menſchen kennen, — mehr als eines der wohl¬<lb/> behüteten jungen Mädchen unſrer Kreiſe.</p><lb/> <p>Immer wieder ſchweiften ſeine Augen und ſeine Ge¬<lb/> danken zu ihr hinüber, von der er argwöhnte, ſie<lb/> halte ſich eine höchſt kluge und gelungene Maske vor.<lb/> Steckte nicht hinter dieſem Nonnenkleidchen, das unter<lb/> den andern Toiletten faſt auffiel, etwas recht Leicht¬<lb/> geſchürztes, — hinter dieſem offenen, durchgeiſtigten Ge¬<lb/> ſicht nicht etwas Sinnenheißes, worüber ſich nur ein Tölpel<lb/> täuſchen ließ? — Spielte nur ſeine eigne Phantaſie<lb/> ihm einen Streich, oder erinnerte Fenia nicht an die<lb/> Magerkeit, Geiſtigkeit und ſtiliſierte Einfachheit einer<lb/> modern präraphaelitiſchen Geſtalt, die ſo keuſch aus¬<lb/> ſchauen will, und doch geheimnisvoll umblüht wird von<lb/> verräteriſch farbenheißen, ſeltſam berauſchenden Blu¬<lb/> men — —?</p><lb/> <p>Jedenfalls ging etwas Aufregendes von Fenia über<lb/> ihn aus und reizte ihn ſtark, trotz der Abneigung, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
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mühſamem Nebenerwerb, Stundengeben und Ueberſetzungen
aller Art hartnäckig fortſetzte. In Zürich ſchien ſie mit
lauter ihr befreundeten Männern zuſammen zu ſtudieren,
— einer von ihnen hatte ſie in den Herbſtferien auch
hierher, nach Paris, begleitet, war dann aber nach Ru߬
land abgereiſt.
Kam daher dieſer merkwürdig ſchweſterliche, geſchlechts¬
loſe Anſtrich, den ſie ſich gab, als gäbe es für ſie auf
der Welt nur lauter Brüder? Oder war es nicht viel
wahrſcheinlicher, daß dies unendlich unbefangene Betragen
nur den äußeren Deckmantel abgab für ein ganz freies
Leben? Sie mußte doch ſchon recht viel von der Welt
und den Menſchen kennen, — mehr als eines der wohl¬
behüteten jungen Mädchen unſrer Kreiſe.
Immer wieder ſchweiften ſeine Augen und ſeine Ge¬
danken zu ihr hinüber, von der er argwöhnte, ſie
halte ſich eine höchſt kluge und gelungene Maske vor.
Steckte nicht hinter dieſem Nonnenkleidchen, das unter
den andern Toiletten faſt auffiel, etwas recht Leicht¬
geſchürztes, — hinter dieſem offenen, durchgeiſtigten Ge¬
ſicht nicht etwas Sinnenheißes, worüber ſich nur ein Tölpel
täuſchen ließ? — Spielte nur ſeine eigne Phantaſie
ihm einen Streich, oder erinnerte Fenia nicht an die
Magerkeit, Geiſtigkeit und ſtiliſierte Einfachheit einer
modern präraphaelitiſchen Geſtalt, die ſo keuſch aus¬
ſchauen will, und doch geheimnisvoll umblüht wird von
verräteriſch farbenheißen, ſeltſam berauſchenden Blu¬
men — —?
Jedenfalls ging etwas Aufregendes von Fenia über
ihn aus und reizte ihn ſtark, trotz der Abneigung, die
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