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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane
sitzen blieb, oder ob ich in die Kniee sank und mein Gesicht
in die Hände drückte, -- jedenfalls hab ich dies meinem
innern Verhalten nach gethan und habe so verharrt. Damit
schloß für mich diese Scene; damit schloß meine Beziehung
zu Benno.

Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht,
imstande sein, die Liebe eines Mannes zu ertragen, der
mich wirklich auf die Kniee festbannen oder mich in
meiner Individualität ähnlich vergewaltigen wollte, wie
Benno es ehedem unwissentlich versucht hatte. Aber was
hilft mir diese Erkenntnis? Hilft sie mir etwa dazu,
nun auch voll und stark und wahrhaft hingebend zu lieben
ohne diese furchtbaren Nervenreize? Nein! Wenn ich das
seitdem je geglaubt habe, so erwies es sich sofort als
ein bloßes Trugspiel, ja eben als ein unwillkürliches
Spiel ohne Dauer und Tiefe. Es ist, wie wenn ich
mich festgenagelt fühlte zwischen der Oberflächlichkeit Mut¬
chens und der hysterischen Romantik der kleinen Ver¬
wachsenen, dazu bestimmt, zwischen diesen beiden Polen
des Gefühls hin und her zu pendeln wie zwischen Leicht¬
sinn und Wahnsinn --.

Denn ich kann wohl als Künstlerin entzückt und
erregt werden, und zugleich mit tiefster Sympathie nach
einem mir teuren Menschenwesen langen, -- aber alles
was dem Weib in mir an den Nerv greift, alles was
instinktiv tiefer greift, als Freundschaft und Phantasie zu¬
sammen vermögen, -- alles das ist dunkel jenem letzten
Schauer verwandt, der vielleicht eine lange, unendliche
Generationen lange Kette duldender und ihres Duldens

Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane
ſitzen blieb, oder ob ich in die Kniee ſank und mein Geſicht
in die Hände drückte, — jedenfalls hab ich dies meinem
innern Verhalten nach gethan und habe ſo verharrt. Damit
ſchloß für mich dieſe Scene; damit ſchloß meine Beziehung
zu Benno.

Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht,
imſtande ſein, die Liebe eines Mannes zu ertragen, der
mich wirklich auf die Kniee feſtbannen oder mich in
meiner Individualität ähnlich vergewaltigen wollte, wie
Benno es ehedem unwiſſentlich verſucht hatte. Aber was
hilft mir dieſe Erkenntnis? Hilft ſie mir etwa dazu,
nun auch voll und ſtark und wahrhaft hingebend zu lieben
ohne dieſe furchtbaren Nervenreize? Nein! Wenn ich das
ſeitdem je geglaubt habe, ſo erwies es ſich ſofort als
ein bloßes Trugſpiel, ja eben als ein unwillkürliches
Spiel ohne Dauer und Tiefe. Es iſt, wie wenn ich
mich feſtgenagelt fühlte zwiſchen der Oberflächlichkeit Mut¬
chens und der hyſteriſchen Romantik der kleinen Ver¬
wachſenen, dazu beſtimmt, zwiſchen dieſen beiden Polen
des Gefühls hin und her zu pendeln wie zwiſchen Leicht¬
ſinn und Wahnſinn —.

Denn ich kann wohl als Künſtlerin entzückt und
erregt werden, und zugleich mit tiefſter Sympathie nach
einem mir teuren Menſchenweſen langen, — aber alles
was dem Weib in mir an den Nerv greift, alles was
inſtinktiv tiefer greift, als Freundſchaft und Phantaſie zu¬
ſammen vermögen, — alles das iſt dunkel jenem letzten
Schauer verwandt, der vielleicht eine lange, unendliche
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[174/0178] — 174 — Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane ſitzen blieb, oder ob ich in die Kniee ſank und mein Geſicht in die Hände drückte, — jedenfalls hab ich dies meinem innern Verhalten nach gethan und habe ſo verharrt. Damit ſchloß für mich dieſe Scene; damit ſchloß meine Beziehung zu Benno. Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht, imſtande ſein, die Liebe eines Mannes zu ertragen, der mich wirklich auf die Kniee feſtbannen oder mich in meiner Individualität ähnlich vergewaltigen wollte, wie Benno es ehedem unwiſſentlich verſucht hatte. Aber was hilft mir dieſe Erkenntnis? Hilft ſie mir etwa dazu, nun auch voll und ſtark und wahrhaft hingebend zu lieben ohne dieſe furchtbaren Nervenreize? Nein! Wenn ich das ſeitdem je geglaubt habe, ſo erwies es ſich ſofort als ein bloßes Trugſpiel, ja eben als ein unwillkürliches Spiel ohne Dauer und Tiefe. Es iſt, wie wenn ich mich feſtgenagelt fühlte zwiſchen der Oberflächlichkeit Mut¬ chens und der hyſteriſchen Romantik der kleinen Ver¬ wachſenen, dazu beſtimmt, zwiſchen dieſen beiden Polen des Gefühls hin und her zu pendeln wie zwiſchen Leicht¬ ſinn und Wahnſinn —. Denn ich kann wohl als Künſtlerin entzückt und erregt werden, und zugleich mit tiefſter Sympathie nach einem mir teuren Menſchenweſen langen, — aber alles was dem Weib in mir an den Nerv greift, alles was inſtinktiv tiefer greift, als Freundſchaft und Phantaſie zu¬ ſammen vermögen, — alles das iſt dunkel jenem letzten Schauer verwandt, der vielleicht eine lange, unendliche Generationen lange Kette duldender und ihres Duldens

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/178>, abgerufen am 25.11.2024.