Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Ich wandte mich um und erkannte Mutchen. Mutchen sah erschrocken aus; in einen Mantel ge¬ Dann lief sie plötzlich auf mich zu, faßte mich am "Ach, lassen Sie mich um Gottes willen zu Doktor Ich stieß die Thür zu Bennos Wartezimmer auf "Was ist denn geschehen? vor wem fürchtest du dich? "Ich glaube, das Mädchen geht nach Bier," flüsterte "Doktor Gerold? war das der, der eben vorüber¬ Mutchen schmiegte sich in der dunkeln Stube an "-- Wozu?! -- ja, wie soll man denn anders? Ich wandte mich um und erkannte Mutchen. Mutchen ſah erſchrocken aus; in einen Mantel ge¬ Dann lief ſie plötzlich auf mich zu, faßte mich am „Ach, laſſen Sie mich um Gottes willen zu Doktor Ich ſtieß die Thür zu Bennos Wartezimmer auf „Was iſt denn geſchehen? vor wem fürchteſt du dich? „Ich glaube, das Mädchen geht nach Bier,“ flüſterte „Doktor Gerold? war das der, der eben vorüber¬ Mutchen ſchmiegte ſich in der dunkeln Stube an „— Wozu?! — ja, wie ſoll man denn anders? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0168" n="164"/> <fw type="pageNum" place="top">— 164 —<lb/></fw> <p>Ich wandte mich um und erkannte Mutchen.</p><lb/> <p>Mutchen ſah erſchrocken aus; in einen Mantel ge¬<lb/> hüllt, aus dem das helle Geſellſchaftskleidchen hervor¬<lb/> leuchtete, ſtand ſie wie verſtört da und horchte nach<lb/> oben, wo das Geräuſch herabkommender Schritte hörbar<lb/> wurde.</p><lb/> <p>Dann lief ſie plötzlich auf mich zu, faßte mich am<lb/> Arm und flüſterte haſtig und ängſtlich:</p><lb/> <p>„Ach, laſſen Sie mich um Gottes willen zu Doktor<lb/> Frensdorff hineinſchlüpfen, — er iſt nicht zu Hauſe, —<lb/> bitte, bitte, ich erkläre Ihnen gleich —“</p><lb/> <p>Ich ſtieß die Thür zu Bennos Wartezimmer auf<lb/> und zog Mutchen dort hinein.</p><lb/> <p>„Was iſt denn geſchehen? vor wem fürchteſt du dich?<lb/> wer bedroht dich?“</p><lb/> <p>„Ich glaube, das Mädchen geht nach Bier,“ flüſterte<lb/> Mutchen atemlos; „— bitte, bitte, ſagen Sie nur Papa<lb/> oder gar Gabriele nichts, — nein? Sie haben's ja ge¬<lb/> ſehen, Sie ſtanden ja an der Hausthür, als Doktor<lb/> Gerold vorüber mußte.“</p><lb/> <p>„Doktor Gerold? war das der, der eben vorüber¬<lb/> ging? wer iſt es denn? und wozu heimlich?“</p><lb/> <p>Mutchen ſchmiegte ſich in der dunkeln Stube an<lb/> mich und flüſterte halb ſchüchtern, halb ſchelmiſch:</p><lb/> <p>„— Wozu?! — ja, wie ſoll man denn anders?<lb/> Haben Sie denn nie einen lieb gehabt? Ich kann ihn<lb/> doch nicht plötzlich da oben hinſtellen zwiſchen Papa<lb/> und die Tanten und Verwandten. Sie würden ja auf<lb/> den Tod erſchrecken. Abgeſehen davon, daß Gabriele<lb/> mich — na!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [164/0168]
— 164 —
Ich wandte mich um und erkannte Mutchen.
Mutchen ſah erſchrocken aus; in einen Mantel ge¬
hüllt, aus dem das helle Geſellſchaftskleidchen hervor¬
leuchtete, ſtand ſie wie verſtört da und horchte nach
oben, wo das Geräuſch herabkommender Schritte hörbar
wurde.
Dann lief ſie plötzlich auf mich zu, faßte mich am
Arm und flüſterte haſtig und ängſtlich:
„Ach, laſſen Sie mich um Gottes willen zu Doktor
Frensdorff hineinſchlüpfen, — er iſt nicht zu Hauſe, —
bitte, bitte, ich erkläre Ihnen gleich —“
Ich ſtieß die Thür zu Bennos Wartezimmer auf
und zog Mutchen dort hinein.
„Was iſt denn geſchehen? vor wem fürchteſt du dich?
wer bedroht dich?“
„Ich glaube, das Mädchen geht nach Bier,“ flüſterte
Mutchen atemlos; „— bitte, bitte, ſagen Sie nur Papa
oder gar Gabriele nichts, — nein? Sie haben's ja ge¬
ſehen, Sie ſtanden ja an der Hausthür, als Doktor
Gerold vorüber mußte.“
„Doktor Gerold? war das der, der eben vorüber¬
ging? wer iſt es denn? und wozu heimlich?“
Mutchen ſchmiegte ſich in der dunkeln Stube an
mich und flüſterte halb ſchüchtern, halb ſchelmiſch:
„— Wozu?! — ja, wie ſoll man denn anders?
Haben Sie denn nie einen lieb gehabt? Ich kann ihn
doch nicht plötzlich da oben hinſtellen zwiſchen Papa
und die Tanten und Verwandten. Sie würden ja auf
den Tod erſchrecken. Abgeſehen davon, daß Gabriele
mich — na!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |