Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.ich ganz aufgegangen wäre hier im Winkel. Aber das ist Ich hatte die Hände sinken lassen und schaute auf "Um den Hals fallen sollte man ihm, und ihm alles Er stand in seiner Unruhe wieder auf und sagte be¬ "Was es mich damals gekostet hat, -- nur deine ich ganz aufgegangen wäre hier im Winkel. Aber das iſt Ich hatte die Hände ſinken laſſen und ſchaute auf „Um den Hals fallen ſollte man ihm, und ihm alles Er ſtand in ſeiner Unruhe wieder auf und ſagte be¬ „Was es mich damals gekoſtet hat, — nur deine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="153"/><fw type="pageNum" place="top">— 153 —<lb/></fw>ich ganz aufgegangen wäre hier im Winkel. Aber das iſt<lb/> nicht ſo. Mit einem Ziel vor Augen, einem einzigen<lb/> Ziel, hab ich wie verrückt gearbeitet — und auch ge¬<lb/> ſpart und gegeizt, — der reine Hamſter —.“ Er bückte<lb/> den Kopf gegen das Feuer und lächelte ein wenig: es<lb/> ſah beinah kindlich froh aus.</p><lb/> <p>Ich hatte die Hände ſinken laſſen und ſchaute auf<lb/> ihn, und eine unausſprechliche Weichheit kam über mich.<lb/> Ich ſah den blonden Kopf mit dem gelichteten Haar an<lb/> den Schläfen, dem nervöſen Zug um den Mund, und<lb/> mit dem etwas angeſtrengten, geſpannten Ausdruck,<lb/> der faſt nie mehr von ſeinem Geſichte wich. Und ich<lb/> ſah vor mir die Oede, durch die er gewandert war,<lb/> die Summe von Arbeit und Einſamkeit, die hinter ihm<lb/> lag. Wie ein neuer, zuvor nie in ſeiner Wirklichkeit<lb/> von mir geſchauter Menſch kam er mir vor; der „ge¬<lb/> panzerte“ Mann meiner Backfiſchromantik legte ſeine<lb/> Rüſtung ab, und dahinter ſtand ein kindguter, liebe¬<lb/> bedürftiger Menſch, der keinen, — nein keinen, mit har¬<lb/> tem Fuß niederzutreten vermöchte.</p><lb/> <p>„Um den Hals fallen ſollte man ihm, und ihm alles<lb/> Liebe anthun!“ dachte ich weich und erſchüttert. Aber<lb/> in meinem Herzen blieb dennoch dieſelbe große Traurig¬<lb/> keit und Enttäuſchung, wie wenn er mir etwas Bitteres<lb/> zu leide gethan hätte.</p><lb/> <p>Er ſtand in ſeiner Unruhe wieder auf und ſagte be¬<lb/> fangen:</p><lb/> <p>„Was es mich damals gekoſtet hat, — nur deine<lb/> Mutter weiß es, was es mich gekoſtet hat, dich fort¬<lb/> zulaſſen. Du durfteſt es ja nicht wiſſen. Und um deinet¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0157]
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ich ganz aufgegangen wäre hier im Winkel. Aber das iſt
nicht ſo. Mit einem Ziel vor Augen, einem einzigen
Ziel, hab ich wie verrückt gearbeitet — und auch ge¬
ſpart und gegeizt, — der reine Hamſter —.“ Er bückte
den Kopf gegen das Feuer und lächelte ein wenig: es
ſah beinah kindlich froh aus.
Ich hatte die Hände ſinken laſſen und ſchaute auf
ihn, und eine unausſprechliche Weichheit kam über mich.
Ich ſah den blonden Kopf mit dem gelichteten Haar an
den Schläfen, dem nervöſen Zug um den Mund, und
mit dem etwas angeſtrengten, geſpannten Ausdruck,
der faſt nie mehr von ſeinem Geſichte wich. Und ich
ſah vor mir die Oede, durch die er gewandert war,
die Summe von Arbeit und Einſamkeit, die hinter ihm
lag. Wie ein neuer, zuvor nie in ſeiner Wirklichkeit
von mir geſchauter Menſch kam er mir vor; der „ge¬
panzerte“ Mann meiner Backfiſchromantik legte ſeine
Rüſtung ab, und dahinter ſtand ein kindguter, liebe¬
bedürftiger Menſch, der keinen, — nein keinen, mit har¬
tem Fuß niederzutreten vermöchte.
„Um den Hals fallen ſollte man ihm, und ihm alles
Liebe anthun!“ dachte ich weich und erſchüttert. Aber
in meinem Herzen blieb dennoch dieſelbe große Traurig¬
keit und Enttäuſchung, wie wenn er mir etwas Bitteres
zu leide gethan hätte.
Er ſtand in ſeiner Unruhe wieder auf und ſagte be¬
fangen:
„Was es mich damals gekoſtet hat, — nur deine
Mutter weiß es, was es mich gekoſtet hat, dich fort¬
zulaſſen. Du durfteſt es ja nicht wiſſen. Und um deinet¬
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