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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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bewiesen, wo meine Tüchtigkeit. liegt. -- -- Nicht da,
wo wir sie suchten --."

"Scheinbar: ja," versetzte er fast heftig in unter¬
drücktem, gequältem Ton, "scheinbar hatt ich ja recht,
aber warum? Nur, einzig und allein nur, weil wir von
vornherein einen entsetzlichen Fehler gemacht haben. Ich
meine in deinem Verhalten zu mir. Anstatt dich durch
die Grenzen und Schranken meiner Unerfahrenheit ein¬
zuengen, hätt ich mich durch dein reicheres Wesen hinaus¬
leiten lassen sollen aus ihnen, -- grade wie es mir ja
durch dich während unsrer Trennung geschehen ist."

"Nein, o Benno, nein!" fiel ich ein, "dann wärst
du ja gar nicht du selbst gewesen."

"Ich spreche dich ja bei diesem begangenen Fehler
durchaus nicht von Mitschuld frei!" sagte er eindring¬
lich, "nein, wie sehr, wie sehr warst du selbst schuld
daran! Schuld durch deine Folgsamkeit und Fügsamkeit,
schuld durch deine leidenschaftliche Selbstunterwerfung und
den kritiklosen Glauben an meine thörichte Unfehlbarkeit.
Hättest du mich nur nicht über dich gestellt, sondern
neben dich, -- ach, lieber noch unter dich, als so hoch
hinauf."

"Dann hätt ich dich nicht geliebt," sagte ich leise.

"Ach Kind," versetzte er mit gedämpfter Stimme
und wendete sich vom Fenster fort, "-- warum liebt
ich dich denn? mir selbst unbewußt doch um deswillen,
worin du thatsächlich über mir standest, etwas Selteneres,
Feineres, Glanzvolleres warst als ich. Ich kam aus der
Dürftigkeit, aus der Dunkelheit zu dir wie ins Licht.
-- -- Sieh, warum soll das auch nicht sein? Es sind

bewieſen, wo meine Tüchtigkeit. liegt. — — Nicht da,
wo wir ſie ſuchten —.“

„Scheinbar: ja,“ verſetzte er faſt heftig in unter¬
drücktem, gequältem Ton, „ſcheinbar hatt ich ja recht,
aber warum? Nur, einzig und allein nur, weil wir von
vornherein einen entſetzlichen Fehler gemacht haben. Ich
meine in deinem Verhalten zu mir. Anſtatt dich durch
die Grenzen und Schranken meiner Unerfahrenheit ein¬
zuengen, hätt ich mich durch dein reicheres Weſen hinaus¬
leiten laſſen ſollen aus ihnen, — grade wie es mir ja
durch dich während unſrer Trennung geſchehen iſt.“

„Nein, o Benno, nein!“ fiel ich ein, „dann wärſt
du ja gar nicht du ſelbſt geweſen.“

„Ich ſpreche dich ja bei dieſem begangenen Fehler
durchaus nicht von Mitſchuld frei!“ ſagte er eindring¬
lich, „nein, wie ſehr, wie ſehr warſt du ſelbſt ſchuld
daran! Schuld durch deine Folgſamkeit und Fügſamkeit,
ſchuld durch deine leidenſchaftliche Selbſtunterwerfung und
den kritikloſen Glauben an meine thörichte Unfehlbarkeit.
Hätteſt du mich nur nicht über dich geſtellt, ſondern
neben dich, — ach, lieber noch unter dich, als ſo hoch
hinauf.“

„Dann hätt ich dich nicht geliebt,“ ſagte ich leiſe.

„Ach Kind,“ verſetzte er mit gedämpfter Stimme
und wendete ſich vom Fenſter fort, „— warum liebt
ich dich denn? mir ſelbſt unbewußt doch um deswillen,
worin du thatſächlich über mir ſtandeſt, etwas Selteneres,
Feineres, Glanzvolleres warſt als ich. Ich kam aus der
Dürftigkeit, aus der Dunkelheit zu dir wie ins Licht.
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[151/0155] — 151 — bewieſen, wo meine Tüchtigkeit. liegt. — — Nicht da, wo wir ſie ſuchten —.“ „Scheinbar: ja,“ verſetzte er faſt heftig in unter¬ drücktem, gequältem Ton, „ſcheinbar hatt ich ja recht, aber warum? Nur, einzig und allein nur, weil wir von vornherein einen entſetzlichen Fehler gemacht haben. Ich meine in deinem Verhalten zu mir. Anſtatt dich durch die Grenzen und Schranken meiner Unerfahrenheit ein¬ zuengen, hätt ich mich durch dein reicheres Weſen hinaus¬ leiten laſſen ſollen aus ihnen, — grade wie es mir ja durch dich während unſrer Trennung geſchehen iſt.“ „Nein, o Benno, nein!“ fiel ich ein, „dann wärſt du ja gar nicht du ſelbſt geweſen.“ „Ich ſpreche dich ja bei dieſem begangenen Fehler durchaus nicht von Mitſchuld frei!“ ſagte er eindring¬ lich, „nein, wie ſehr, wie ſehr warſt du ſelbſt ſchuld daran! Schuld durch deine Folgſamkeit und Fügſamkeit, ſchuld durch deine leidenſchaftliche Selbſtunterwerfung und den kritikloſen Glauben an meine thörichte Unfehlbarkeit. Hätteſt du mich nur nicht über dich geſtellt, ſondern neben dich, — ach, lieber noch unter dich, als ſo hoch hinauf.“ „Dann hätt ich dich nicht geliebt,“ ſagte ich leiſe. „Ach Kind,“ verſetzte er mit gedämpfter Stimme und wendete ſich vom Fenſter fort, „— warum liebt ich dich denn? mir ſelbſt unbewußt doch um deswillen, worin du thatſächlich über mir ſtandeſt, etwas Selteneres, Feineres, Glanzvolleres warſt als ich. Ich kam aus der Dürftigkeit, aus der Dunkelheit zu dir wie ins Licht. — — Sieh, warum ſoll das auch nicht ſein? Es ſind

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/155>, abgerufen am 23.11.2024.