Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Hausstand weiterzuführen. Das kann ich dir nicht er¬
klären. Doch sei gewiß, gegen meinen Willen thät ich's
nicht."

Ich schaute sie nicht ganz ohne die alte unwillkür¬
liche Bewunderung an, wie sie das so fest und ruhig aus¬
sprach.

"Das glaub ich von dir," erwiderte ich, "mir
wärs unmöglich, etwas so gegen meine intimste Umgebung
durchzusetzen."

"Dir --?!" Gabriele lachte; "du hast ja grade
dein Ziel gegen deine ganze Umgebung durchgesetzt."

"Durchgesetzt? -- nein, nichts. Alles nur geschenkt
bekommen," bemerkte ich leise.

Sie zuckte die Achseln.

"Du bekommst es eben geschenkt, -- wir andern
müssen es erobern. -- -- Aber nur eine thörichte Heirat
hätte dich aus dem Geleise werfen können."

"Das könnte auch dir noch passieren, Gabriele."

Sie wurde sehr rot und entgegnete heftig:

"Du meinst doch nicht etwa, daß die Brieger Herren
dafür in Betracht kämen? Die sind heute noch genau
so schlimm, wie sie damals waren."

"Wie denn: schlimm?" fragte ich.

"Noch ebenso anmaßend und dünkelhaft und zurück¬
geblieben in ihren Anschauungen, angefangen vom klein¬
sten Beamten bis hinauf in die Offizierskreise. Nur die
Form ist je nach ihrem Stande verschieden, das Wesen
ist dasselbe. Glaubst du, auch nur einer von ihnen ahnte
etwas davon, daß wir doch nicht mehr denken wie unsre
Mütter und Großmütter? Daß wir nicht mehr lauter

Hausſtand weiterzuführen. Das kann ich dir nicht er¬
klären. Doch ſei gewiß, gegen meinen Willen thät ich's
nicht.“

Ich ſchaute ſie nicht ganz ohne die alte unwillkür¬
liche Bewunderung an, wie ſie das ſo feſt und ruhig aus¬
ſprach.

„Das glaub ich von dir,“ erwiderte ich, „mir
wärs unmöglich, etwas ſo gegen meine intimſte Umgebung
durchzuſetzen.“

„Dir —?!“ Gabriele lachte; „du haſt ja grade
dein Ziel gegen deine ganze Umgebung durchgeſetzt.“

„Durchgeſetzt? — nein, nichts. Alles nur geſchenkt
bekommen,“ bemerkte ich leiſe.

Sie zuckte die Achſeln.

„Du bekommſt es eben geſchenkt, — wir andern
müſſen es erobern. — — Aber nur eine thörichte Heirat
hätte dich aus dem Geleiſe werfen können.“

„Das könnte auch dir noch paſſieren, Gabriele.“

Sie wurde ſehr rot und entgegnete heftig:

„Du meinſt doch nicht etwa, daß die Brieger Herren
dafür in Betracht kämen? Die ſind heute noch genau
ſo ſchlimm, wie ſie damals waren.“

„Wie denn: ſchlimm?“ fragte ich.

„Noch ebenſo anmaßend und dünkelhaft und zurück¬
geblieben in ihren Anſchauungen, angefangen vom klein¬
ſten Beamten bis hinauf in die Offizierskreiſe. Nur die
Form iſt je nach ihrem Stande verſchieden, das Weſen
iſt daſſelbe. Glaubſt du, auch nur einer von ihnen ahnte
etwas davon, daß wir doch nicht mehr denken wie unſre
Mütter und Großmütter? Daß wir nicht mehr lauter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="138"/><fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 138 &#x2014;<lb/></fw>Haus&#x017F;tand weiterzuführen. Das kann ich dir nicht er¬<lb/>
klären. Doch &#x017F;ei gewiß, gegen meinen Willen thät ich's<lb/>
nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chaute &#x017F;ie nicht ganz ohne die alte unwillkür¬<lb/>
liche Bewunderung an, wie &#x017F;ie das &#x017F;o fe&#x017F;t und ruhig aus¬<lb/>
&#x017F;prach.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das glaub ich von dir,&#x201C; erwiderte ich, &#x201E;mir<lb/>
wärs unmöglich, etwas &#x017F;o gegen meine intim&#x017F;te Umgebung<lb/>
durchzu&#x017F;etzen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dir &#x2014;?!&#x201C; Gabriele lachte; &#x201E;du ha&#x017F;t ja grade<lb/>
dein Ziel gegen deine ganze Umgebung durchge&#x017F;etzt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Durchge&#x017F;etzt? &#x2014; nein, nichts. Alles nur ge&#x017F;chenkt<lb/>
bekommen,&#x201C; bemerkte ich lei&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Sie zuckte die Ach&#x017F;eln.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du bekomm&#x017F;t es eben ge&#x017F;chenkt, &#x2014; wir andern<lb/>&#x017F;&#x017F;en es erobern. &#x2014; &#x2014; Aber nur eine thörichte Heirat<lb/>
hätte dich aus dem Gelei&#x017F;e werfen können.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das könnte auch dir noch pa&#x017F;&#x017F;ieren, Gabriele.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie wurde &#x017F;ehr rot und entgegnete heftig:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du mein&#x017F;t doch nicht etwa, daß die Brieger Herren<lb/>
dafür in Betracht kämen? Die &#x017F;ind heute noch genau<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chlimm, wie &#x017F;ie damals waren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie denn: &#x017F;chlimm?&#x201C; fragte ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Noch eben&#x017F;o anmaßend und dünkelhaft und zurück¬<lb/>
geblieben in ihren An&#x017F;chauungen, angefangen vom klein¬<lb/>
&#x017F;ten Beamten bis hinauf in die Offizierskrei&#x017F;e. Nur die<lb/>
Form i&#x017F;t je nach ihrem Stande ver&#x017F;chieden, das We&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe. Glaub&#x017F;t du, auch nur einer von ihnen ahnte<lb/>
etwas davon, daß wir doch nicht mehr denken wie un&#x017F;re<lb/>
Mütter und Großmütter? Daß wir nicht mehr lauter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0142] — 138 — Hausſtand weiterzuführen. Das kann ich dir nicht er¬ klären. Doch ſei gewiß, gegen meinen Willen thät ich's nicht.“ Ich ſchaute ſie nicht ganz ohne die alte unwillkür¬ liche Bewunderung an, wie ſie das ſo feſt und ruhig aus¬ ſprach. „Das glaub ich von dir,“ erwiderte ich, „mir wärs unmöglich, etwas ſo gegen meine intimſte Umgebung durchzuſetzen.“ „Dir —?!“ Gabriele lachte; „du haſt ja grade dein Ziel gegen deine ganze Umgebung durchgeſetzt.“ „Durchgeſetzt? — nein, nichts. Alles nur geſchenkt bekommen,“ bemerkte ich leiſe. Sie zuckte die Achſeln. „Du bekommſt es eben geſchenkt, — wir andern müſſen es erobern. — — Aber nur eine thörichte Heirat hätte dich aus dem Geleiſe werfen können.“ „Das könnte auch dir noch paſſieren, Gabriele.“ Sie wurde ſehr rot und entgegnete heftig: „Du meinſt doch nicht etwa, daß die Brieger Herren dafür in Betracht kämen? Die ſind heute noch genau ſo ſchlimm, wie ſie damals waren.“ „Wie denn: ſchlimm?“ fragte ich. „Noch ebenſo anmaßend und dünkelhaft und zurück¬ geblieben in ihren Anſchauungen, angefangen vom klein¬ ſten Beamten bis hinauf in die Offizierskreiſe. Nur die Form iſt je nach ihrem Stande verſchieden, das Weſen iſt daſſelbe. Glaubſt du, auch nur einer von ihnen ahnte etwas davon, daß wir doch nicht mehr denken wie unſre Mütter und Großmütter? Daß wir nicht mehr lauter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/142
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/142>, abgerufen am 22.11.2024.