Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Wasser im Kesselchen zwischen uns brodelte heftig,
und um das Schweigen zu brechen, bemerkte ich heiter:

"Ich bin zu deinem Frühstück hergekommen, wie
du siehst. Wirst du mir auch zu trinken geben?"

Er deutete auf eine zweite Tasse, die bereit stand,
und äußerte zögernd:

"Ich hoffte, du würdest kommen. -- -- Willst du
nicht, -- -- wenn es dir nicht -- -- willst du
mir nicht die Freude machen, uns den Thee zu bereiten?"

Ich erhob mich und griff nach dem Theetopf. Aber
während ich mit dem Geschirr hantierte, trat wieder das
Schweigen ein, und ich fühlte mit Verlegenheit, wie
Benno, der stumm dasaß und rauchte, den Blick nicht
von meinen Händen ließ.

Es war etwas so ganz andres, sich im vollen, nüch¬
ternen Tageslicht wiederzusehen, als am Abend vorher in
der Schneenacht. Man scheut sich unwillkürlich vor all
den leise mitflüsternden Erinnerungen, die schwer sind
von alten Träumen, und die sich in der hellen Wirk¬
lichkeit des Tages nicht zurechtfinden können, sondern
allem unversehens phantastische Lichter aufsetzen, -- blasse,
mystische Lichtlein --.

"Es geht nicht an, daß wir hier stumm dasitzen,"
dachte ich unruhig und sagte schließlich hoffnungslos, nur
um irgend ein lautes Wort zu finden, scherzend:

"Du willst wohl aufpassen, ob ich bei meinem Farben¬
kleckserberuf noch zur geringsten weiblichen, häuslichen
Arbeit tauglich geblieben bin."

"Ach nein," versetzte er so ernsthaft erstaunt, daß
man seiner Stimme anhörte, von wie weit er eben

Das Waſſer im Keſſelchen zwiſchen uns brodelte heftig,
und um das Schweigen zu brechen, bemerkte ich heiter:

„Ich bin zu deinem Frühſtück hergekommen, wie
du ſiehſt. Wirſt du mir auch zu trinken geben?“

Er deutete auf eine zweite Taſſe, die bereit ſtand,
und äußerte zögernd:

„Ich hoffte, du würdeſt kommen. — — Willſt du
nicht, — — wenn es dir nicht — — willſt du
mir nicht die Freude machen, uns den Thee zu bereiten?“

Ich erhob mich und griff nach dem Theetopf. Aber
während ich mit dem Geſchirr hantierte, trat wieder das
Schweigen ein, und ich fühlte mit Verlegenheit, wie
Benno, der ſtumm daſaß und rauchte, den Blick nicht
von meinen Händen ließ.

Es war etwas ſo ganz andres, ſich im vollen, nüch¬
ternen Tageslicht wiederzuſehen, als am Abend vorher in
der Schneenacht. Man ſcheut ſich unwillkürlich vor all
den leiſe mitflüſternden Erinnerungen, die ſchwer ſind
von alten Träumen, und die ſich in der hellen Wirk¬
lichkeit des Tages nicht zurechtfinden können, ſondern
allem unverſehens phantaſtiſche Lichter aufſetzen, — blaſſe,
myſtiſche Lichtlein —.

„Es geht nicht an, daß wir hier ſtumm daſitzen,“
dachte ich unruhig und ſagte ſchließlich hoffnungslos, nur
um irgend ein lautes Wort zu finden, ſcherzend:

„Du willſt wohl aufpaſſen, ob ich bei meinem Farben¬
kleckſerberuf noch zur geringſten weiblichen, häuslichen
Arbeit tauglich geblieben bin.“

„Ach nein,“ verſetzte er ſo ernſthaft erſtaunt, daß
man ſeiner Stimme anhörte, von wie weit er eben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0134" n="130"/>
        <fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 130 &#x2014;<lb/></fw>
        <p>Das Wa&#x017F;&#x017F;er im Ke&#x017F;&#x017F;elchen zwi&#x017F;chen uns brodelte heftig,<lb/>
und um das Schweigen zu brechen, bemerkte ich heiter:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bin zu deinem Früh&#x017F;tück hergekommen, wie<lb/>
du &#x017F;ieh&#x017F;t. Wir&#x017F;t du mir auch zu trinken geben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er deutete auf eine zweite Ta&#x017F;&#x017F;e, die bereit &#x017F;tand,<lb/>
und äußerte zögernd:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich hoffte, du würde&#x017F;t kommen. &#x2014; &#x2014; Will&#x017F;t du<lb/>
nicht, &#x2014; &#x2014; wenn es dir nicht &#x2014; &#x2014; will&#x017F;t du<lb/>
mir nicht die Freude machen, uns den Thee zu bereiten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich erhob mich und griff nach dem Theetopf. Aber<lb/>
während ich mit dem Ge&#x017F;chirr hantierte, trat wieder das<lb/>
Schweigen ein, und ich fühlte mit Verlegenheit, wie<lb/>
Benno, der &#x017F;tumm da&#x017F;aß und rauchte, den Blick nicht<lb/>
von meinen Händen ließ.</p><lb/>
        <p>Es war etwas &#x017F;o ganz andres, &#x017F;ich im vollen, nüch¬<lb/>
ternen Tageslicht wiederzu&#x017F;ehen, als am Abend vorher in<lb/>
der Schneenacht. Man &#x017F;cheut &#x017F;ich unwillkürlich vor all<lb/>
den lei&#x017F;e mitflü&#x017F;ternden Erinnerungen, die &#x017F;chwer &#x017F;ind<lb/>
von alten Träumen, und die &#x017F;ich in der hellen Wirk¬<lb/>
lichkeit des Tages nicht zurechtfinden können, &#x017F;ondern<lb/>
allem unver&#x017F;ehens phanta&#x017F;ti&#x017F;che Lichter auf&#x017F;etzen, &#x2014; bla&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
my&#x017F;ti&#x017F;che Lichtlein &#x2014;.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es geht nicht an, daß wir hier &#x017F;tumm da&#x017F;itzen,&#x201C;<lb/>
dachte ich unruhig und &#x017F;agte &#x017F;chließlich hoffnungslos, nur<lb/>
um irgend ein lautes Wort zu finden, &#x017F;cherzend:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du will&#x017F;t wohl aufpa&#x017F;&#x017F;en, ob ich bei meinem Farben¬<lb/>
kleck&#x017F;erberuf noch zur gering&#x017F;ten weiblichen, häuslichen<lb/>
Arbeit tauglich geblieben bin.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach nein,&#x201C; ver&#x017F;etzte er &#x017F;o ern&#x017F;thaft er&#x017F;taunt, daß<lb/>
man &#x017F;einer Stimme anhörte, von wie weit er eben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0134] — 130 — Das Waſſer im Keſſelchen zwiſchen uns brodelte heftig, und um das Schweigen zu brechen, bemerkte ich heiter: „Ich bin zu deinem Frühſtück hergekommen, wie du ſiehſt. Wirſt du mir auch zu trinken geben?“ Er deutete auf eine zweite Taſſe, die bereit ſtand, und äußerte zögernd: „Ich hoffte, du würdeſt kommen. — — Willſt du nicht, — — wenn es dir nicht — — willſt du mir nicht die Freude machen, uns den Thee zu bereiten?“ Ich erhob mich und griff nach dem Theetopf. Aber während ich mit dem Geſchirr hantierte, trat wieder das Schweigen ein, und ich fühlte mit Verlegenheit, wie Benno, der ſtumm daſaß und rauchte, den Blick nicht von meinen Händen ließ. Es war etwas ſo ganz andres, ſich im vollen, nüch¬ ternen Tageslicht wiederzuſehen, als am Abend vorher in der Schneenacht. Man ſcheut ſich unwillkürlich vor all den leiſe mitflüſternden Erinnerungen, die ſchwer ſind von alten Träumen, und die ſich in der hellen Wirk¬ lichkeit des Tages nicht zurechtfinden können, ſondern allem unverſehens phantaſtiſche Lichter aufſetzen, — blaſſe, myſtiſche Lichtlein —. „Es geht nicht an, daß wir hier ſtumm daſitzen,“ dachte ich unruhig und ſagte ſchließlich hoffnungslos, nur um irgend ein lautes Wort zu finden, ſcherzend: „Du willſt wohl aufpaſſen, ob ich bei meinem Farben¬ kleckſerberuf noch zur geringſten weiblichen, häuslichen Arbeit tauglich geblieben bin.“ „Ach nein,“ verſetzte er ſo ernſthaft erſtaunt, daß man ſeiner Stimme anhörte, von wie weit er eben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/134
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/134>, abgerufen am 25.11.2024.