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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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den bloßen Arm, und öffnete ihre blassen blauen Augen
mit einem Ausdruck voll zärtlichen Glücks.

"Ich wurde schon ganz müde vom Liegenbleiben, du
Langschläferin," sagte sie, sich ermunternd, "ich glaube
wirklich, mir sind die Glieder eingeschlafen. Jetzt laß
mich rasch in die Kleider kommen, Kind."

"Wo steckt denn eigentlich Benno am Morgen?"
fragte ich, und fuhr in die Strümpfe.

"Ich habe ihn nebenan im Wohnzimmer gehört, ehe
du wach wurdest. Er wollte dich wohl schon begrüßen.
Jetzt aber könntest du zu ihm gehn, während er seinen
zweiten Thee bei sich im Zimmer nimmt, -- das ist
bald. Es wäre freundlich von dir, -- du mußt gut
gegen ihn sein, hörst du? Er ist ein so vortrefflicher
Mensch, Adine. Du mußt dich nicht dran stoßen, wenn
er dir einmal ein wenig schroff vorkommt."

"Dran stoßen? ach nein, Mama, im Gegenteil.
Das gehört ja so unabänderlich zu ihm. Ohne das würde
es gar kein Wiedersehen sein."

"Du bist es nicht gewöhnt. Bist verwöhnt, mein Kind."

"Eben darum, Mama," bemerkte ich, und kam vor
den Spiegel, um mein Haar aufzuflechten. Unwillkürlich
riß ich an den dunkeln Strähnen, die sich eigenwillig
unter dem Kamm lockten, denn ich hatte, was ich eigent¬
lich nie habe: Eile.

Die Mutter saß halb angekleidet, mit im Schoß
gefalteten Händen, daneben und betrachtete mich mit be¬
sorgter Zärtlichkeit im Gesicht.

"-- War es schön, -- der Einweihungsschmaus in
deinem Atelier?" fragte sie zerstreut.

den bloßen Arm, und öffnete ihre blaſſen blauen Augen
mit einem Ausdruck voll zärtlichen Glücks.

„Ich wurde ſchon ganz müde vom Liegenbleiben, du
Langſchläferin,“ ſagte ſie, ſich ermunternd, „ich glaube
wirklich, mir ſind die Glieder eingeſchlafen. Jetzt laß
mich raſch in die Kleider kommen, Kind.“

„Wo ſteckt denn eigentlich Benno am Morgen?“
fragte ich, und fuhr in die Strümpfe.

„Ich habe ihn nebenan im Wohnzimmer gehört, ehe
du wach wurdeſt. Er wollte dich wohl ſchon begrüßen.
Jetzt aber könnteſt du zu ihm gehn, während er ſeinen
zweiten Thee bei ſich im Zimmer nimmt, — das iſt
bald. Es wäre freundlich von dir, — du mußt gut
gegen ihn ſein, hörſt du? Er iſt ein ſo vortrefflicher
Menſch, Adine. Du mußt dich nicht dran ſtoßen, wenn
er dir einmal ein wenig ſchroff vorkommt.“

„Dran ſtoßen? ach nein, Mama, im Gegenteil.
Das gehört ja ſo unabänderlich zu ihm. Ohne das würde
es gar kein Wiederſehen ſein.“

„Du biſt es nicht gewöhnt. Biſt verwöhnt, mein Kind.“

„Eben darum, Mama,“ bemerkte ich, und kam vor
den Spiegel, um mein Haar aufzuflechten. Unwillkürlich
riß ich an den dunkeln Strähnen, die ſich eigenwillig
unter dem Kamm lockten, denn ich hatte, was ich eigent¬
lich nie habe: Eile.

Die Mutter ſaß halb angekleidet, mit im Schoß
gefalteten Händen, daneben und betrachtete mich mit be¬
ſorgter Zärtlichkeit im Geſicht.

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deinem Atelier?“ fragte ſie zerſtreut.

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[125/0129] — 125 — den bloßen Arm, und öffnete ihre blaſſen blauen Augen mit einem Ausdruck voll zärtlichen Glücks. „Ich wurde ſchon ganz müde vom Liegenbleiben, du Langſchläferin,“ ſagte ſie, ſich ermunternd, „ich glaube wirklich, mir ſind die Glieder eingeſchlafen. Jetzt laß mich raſch in die Kleider kommen, Kind.“ „Wo ſteckt denn eigentlich Benno am Morgen?“ fragte ich, und fuhr in die Strümpfe. „Ich habe ihn nebenan im Wohnzimmer gehört, ehe du wach wurdeſt. Er wollte dich wohl ſchon begrüßen. Jetzt aber könnteſt du zu ihm gehn, während er ſeinen zweiten Thee bei ſich im Zimmer nimmt, — das iſt bald. Es wäre freundlich von dir, — du mußt gut gegen ihn ſein, hörſt du? Er iſt ein ſo vortrefflicher Menſch, Adine. Du mußt dich nicht dran ſtoßen, wenn er dir einmal ein wenig ſchroff vorkommt.“ „Dran ſtoßen? ach nein, Mama, im Gegenteil. Das gehört ja ſo unabänderlich zu ihm. Ohne das würde es gar kein Wiederſehen ſein.“ „Du biſt es nicht gewöhnt. Biſt verwöhnt, mein Kind.“ „Eben darum, Mama,“ bemerkte ich, und kam vor den Spiegel, um mein Haar aufzuflechten. Unwillkürlich riß ich an den dunkeln Strähnen, die ſich eigenwillig unter dem Kamm lockten, denn ich hatte, was ich eigent¬ lich nie habe: Eile. Die Mutter ſaß halb angekleidet, mit im Schoß gefalteten Händen, daneben und betrachtete mich mit be¬ ſorgter Zärtlichkeit im Geſicht. „— War es ſchön, — der Einweihungsſchmaus in deinem Atelier?“ fragte ſie zerſtreut.

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/129>, abgerufen am 28.11.2024.