Es war im September, der stillsten Zeit des Pa¬ riser Lebens. Die vornehme Welt steckte in den See¬ bädern, die Fremden wurden scharenweise von der drücken¬ den Hitze vertrieben. Trotzdem drängte sich an den schwülen Abenden auf den Boulevards eine so vielköpfige Menge, daß sie der Hochsaison jeder andern Stadt im¬ mer noch genügt hätte.
Max Werner flanierte nach Mitternacht über den Boulevard St. Michel, als er in eine kleine Gesellschaft ihm bekannter Familien hineingeriet. Sie hatten mit durchreisenden Freunden ein Theater besucht, und wollten nun diesen Herren und Damen ein wenig "Paris bei Nacht" zeigen, -- nämlich erst in einem charakteristischen Nachtcafe des Quartier latin einkehren, und dann, im Morgengrauen, um die Stunde, wo die Stadt schläft, den interessanten Trubel bei den Hallen betrachten, wenn der verödete Platz sich mit den Marktleuten belebt, die ihre Waren vom Lande einfahren und sie ausbreiten.
Nach einigem Zögern und Schwanken von seiten der Damen entschied man sich für das Cafe Darcourt, das um diese Stunde schon überfüllt war mit den Grisetten und Studenten des Quartiers, und besetzte ein paar der
Es war im September, der ſtillſten Zeit des Pa¬ riſer Lebens. Die vornehme Welt ſteckte in den See¬ bädern, die Fremden wurden ſcharenweiſe von der drücken¬ den Hitze vertrieben. Trotzdem drängte ſich an den ſchwülen Abenden auf den Boulevards eine ſo vielköpfige Menge, daß ſie der Hochſaiſon jeder andern Stadt im¬ mer noch genügt hätte.
Max Werner flanierte nach Mitternacht über den Boulevard St. Michel, als er in eine kleine Geſellſchaft ihm bekannter Familien hineingeriet. Sie hatten mit durchreiſenden Freunden ein Theater beſucht, und wollten nun dieſen Herren und Damen ein wenig „Paris bei Nacht“ zeigen, — nämlich erſt in einem charakteriſtiſchen Nachtcafé des Quartier latin einkehren, und dann, im Morgengrauen, um die Stunde, wo die Stadt ſchläft, den intereſſanten Trubel bei den Hallen betrachten, wenn der verödete Platz ſich mit den Marktleuten belebt, die ihre Waren vom Lande einfahren und ſie ausbreiten.
Nach einigem Zögern und Schwanken von ſeiten der Damen entſchied man ſich für das Café Darcourt, das um dieſe Stunde ſchon überfüllt war mit den Griſetten und Studenten des Quartiers, und beſetzte ein paar der
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Es war im September, der ſtillſten Zeit des Pa¬
riſer Lebens. Die vornehme Welt ſteckte in den See¬
bädern, die Fremden wurden ſcharenweiſe von der drücken¬
den Hitze vertrieben. Trotzdem drängte ſich an den
ſchwülen Abenden auf den Boulevards eine ſo vielköpfige
Menge, daß ſie der Hochſaiſon jeder andern Stadt im¬
mer noch genügt hätte.
Max Werner flanierte nach Mitternacht über den
Boulevard St. Michel, als er in eine kleine Geſellſchaft
ihm bekannter Familien hineingeriet. Sie hatten mit
durchreiſenden Freunden ein Theater beſucht, und wollten
nun dieſen Herren und Damen ein wenig „Paris bei
Nacht“ zeigen, — nämlich erſt in einem charakteriſtiſchen
Nachtcafé des Quartier latin einkehren, und dann, im
Morgengrauen, um die Stunde, wo die Stadt ſchläft,
den intereſſanten Trubel bei den Hallen betrachten, wenn
der verödete Platz ſich mit den Marktleuten belebt, die
ihre Waren vom Lande einfahren und ſie ausbreiten.
Nach einigem Zögern und Schwanken von ſeiten der
Damen entſchied man ſich für das Café Darcourt, das
um dieſe Stunde ſchon überfüllt war mit den Griſetten
und Studenten des Quartiers, und beſetzte ein paar der
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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/11>, abgerufen am 16.02.2025.
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