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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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vereinigen lasse. Er besaß jedoch Menschenkenntniß genug, um sich mit der Eröffnung dieser Absicht nicht zu übereilen. Alle diese Plöne durchkreuzte nun jenes Testament; er hatte nichts von der Errichtung desselben geahnt, da er seinen Schwager zu der Classe der "unpraktischen Charaktere" zählte, wohin er alle Menschen zu rechnen pflegte, die ihre Lebensthätigkeit idealen Interessen widmen und gar dafür Opfer bringen konnten. Er dachte nun im ersten Schreck nicht anders, als daß dem Vormund des Fräuleins freie Hand gegeben sein wurde, jenen Wechsel sofort gegen ihn geltend zu machen -- was ihn trotz seiner günstigen Verhältnisse in der That in einige Verlegenheit gesetzt haben wurde. Mit aufrichtiger Rührung erfüllte ihn daher bei Lesung des Testaments eine darin enthaltene Bestimmung, nach welcher hinsichtlich der Rückzahlung des Capitals mit möglichster Schonung für die Interessen des Amtmanns verfahren werden sollte.

Dem Wunsche des Barons gemäß beschleunigten wir unsere Abreise. Das Fräulein umarmte ihren Oheim mit aufrichtiger Rührung. Ja, ja, sagte dieser, es ist traurig, daß du liebes Kind so von meiner Seite gerissen wirst; du fühltest dich so glücklich in diesem Hause. Nun, ich hoffe, du wirst den Weg dahin nicht vergessen und mit Erlaubniß deines Vormundes von Zeit zu Zeit mich besuchen.

Und Sie, Herr Candidat, sprach er, sich zu mir wendend, wollen mich also auch verlassen? -- Hätte man dies Alles voraussehen können, so könnten wir noch lange zusammenbleiben. Es thut mir wirklich leid. -- Es ist das Beste so, versetzt' ich trocken.

Im Wagen kam ich dem Fräulein gegenüber zu sitzen; ich fühlte mich lebhaft an jene frühere Reise erinnert, wo wir uns zum ersten Mal so einander gegenüber fanden. Auch damals waren die Felder mit Schnee bedeckt, und der kalte Nordwind fauste um die Wagenfenster, es war dieselbe Tageszeit; die Däm-

vereinigen lasse. Er besaß jedoch Menschenkenntniß genug, um sich mit der Eröffnung dieser Absicht nicht zu übereilen. Alle diese Plöne durchkreuzte nun jenes Testament; er hatte nichts von der Errichtung desselben geahnt, da er seinen Schwager zu der Classe der „unpraktischen Charaktere“ zählte, wohin er alle Menschen zu rechnen pflegte, die ihre Lebensthätigkeit idealen Interessen widmen und gar dafür Opfer bringen konnten. Er dachte nun im ersten Schreck nicht anders, als daß dem Vormund des Fräuleins freie Hand gegeben sein wurde, jenen Wechsel sofort gegen ihn geltend zu machen — was ihn trotz seiner günstigen Verhältnisse in der That in einige Verlegenheit gesetzt haben wurde. Mit aufrichtiger Rührung erfüllte ihn daher bei Lesung des Testaments eine darin enthaltene Bestimmung, nach welcher hinsichtlich der Rückzahlung des Capitals mit möglichster Schonung für die Interessen des Amtmanns verfahren werden sollte.

Dem Wunsche des Barons gemäß beschleunigten wir unsere Abreise. Das Fräulein umarmte ihren Oheim mit aufrichtiger Rührung. Ja, ja, sagte dieser, es ist traurig, daß du liebes Kind so von meiner Seite gerissen wirst; du fühltest dich so glücklich in diesem Hause. Nun, ich hoffe, du wirst den Weg dahin nicht vergessen und mit Erlaubniß deines Vormundes von Zeit zu Zeit mich besuchen.

Und Sie, Herr Candidat, sprach er, sich zu mir wendend, wollen mich also auch verlassen? — Hätte man dies Alles voraussehen können, so könnten wir noch lange zusammenbleiben. Es thut mir wirklich leid. — Es ist das Beste so, versetzt' ich trocken.

Im Wagen kam ich dem Fräulein gegenüber zu sitzen; ich fühlte mich lebhaft an jene frühere Reise erinnert, wo wir uns zum ersten Mal so einander gegenüber fanden. Auch damals waren die Felder mit Schnee bedeckt, und der kalte Nordwind fauste um die Wagenfenster, es war dieselbe Tageszeit; die Däm-

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/74>, abgerufen am 24.11.2024.