Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus der Drachenhöhle erlösen -- auch ohne das Horn des Hüon zu besitzen. -- Doch nun zu Ihren eigenen Angelegenheiten, mein wackerer Freund! Würden Sie mit einer Landpfarre vorlieb nehmen? Landpfarre? -- Vorlieb nehmen? stammelte ich; Sie scherzen, Herr Baron! Nein! ich gönnte Ihnen lieber eine Professur, oder ein höheres Kirchenamt, wo Sie Ihr Licht besser leuchten lassen konnten, als vor einer Dorfgemeinde. Indessen, vor der Hand, meinte ich -- Mein Gott! die bescheidenste Landpfarre würde mich zum glücklichsten Menschen machen! Vortrefflich! In der Nahe meines Gutes ist eine eröffnet, welche Graf S. als Patronatsherr zu vergeben hat. Ich habe mich schon bei dem Grafen für Sie verwandt; als ich, ihm Ihr edles Benehmen in jener denkwürdigen Nacht erzählte, war die Sache im Reinen. Aber lesen Sie denn keine Zeitung? -- Seit drei Wochen ruf' ich Ihnen in sechs öffentlichen Blättern ein flehentliches "Samiel, erscheine!" zu, und Sie lassen nichts von sich hören. Der Baron erschrak fast über die Bewegung, welches dieses neue Glück in mir hervorbrachte. Ich zitterte, wurde blaß und roth und suchte vergebens nach Worten. Aber wurd' ich nicht auch an diesem Tage aus dem Füllhorn der ewigen Gute wie mit einem Frühlingsregen überströmt? -- Wenn ich daran denke, staun' ich noch heute, wie viel Freude auf ein Mal der Mensch zu ertragen vermag. Kaum bemerkt' ich, daß wir bereits im Hofe des Amtmanns hielten. Ich gestehe, daß ich eine Anwandlung von Eitelkeit fühlte, so im Triumph dort wieder zu erscheinen. Sie gehen mit mir, sagte der Baron, ich wünsche bei der Verhandlung mit Herrn O. einen Zeugen zu haben. Der im Hofe stehende Kutscher des Amtmanns, welcher eben seine Pferde ausgespannt hatte, starrte aus der Drachenhöhle erlösen — auch ohne das Horn des Hüon zu besitzen. — Doch nun zu Ihren eigenen Angelegenheiten, mein wackerer Freund! Würden Sie mit einer Landpfarre vorlieb nehmen? Landpfarre? — Vorlieb nehmen? stammelte ich; Sie scherzen, Herr Baron! Nein! ich gönnte Ihnen lieber eine Professur, oder ein höheres Kirchenamt, wo Sie Ihr Licht besser leuchten lassen konnten, als vor einer Dorfgemeinde. Indessen, vor der Hand, meinte ich — Mein Gott! die bescheidenste Landpfarre würde mich zum glücklichsten Menschen machen! Vortrefflich! In der Nahe meines Gutes ist eine eröffnet, welche Graf S. als Patronatsherr zu vergeben hat. Ich habe mich schon bei dem Grafen für Sie verwandt; als ich, ihm Ihr edles Benehmen in jener denkwürdigen Nacht erzählte, war die Sache im Reinen. Aber lesen Sie denn keine Zeitung? — Seit drei Wochen ruf' ich Ihnen in sechs öffentlichen Blättern ein flehentliches „Samiel, erscheine!“ zu, und Sie lassen nichts von sich hören. Der Baron erschrak fast über die Bewegung, welches dieses neue Glück in mir hervorbrachte. Ich zitterte, wurde blaß und roth und suchte vergebens nach Worten. Aber wurd' ich nicht auch an diesem Tage aus dem Füllhorn der ewigen Gute wie mit einem Frühlingsregen überströmt? — Wenn ich daran denke, staun' ich noch heute, wie viel Freude auf ein Mal der Mensch zu ertragen vermag. Kaum bemerkt' ich, daß wir bereits im Hofe des Amtmanns hielten. Ich gestehe, daß ich eine Anwandlung von Eitelkeit fühlte, so im Triumph dort wieder zu erscheinen. Sie gehen mit mir, sagte der Baron, ich wünsche bei der Verhandlung mit Herrn O. einen Zeugen zu haben. 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aus der Drachenhöhle erlösen — auch ohne das Horn des Hüon zu besitzen. — Doch nun zu Ihren eigenen Angelegenheiten, mein wackerer Freund! Würden Sie mit einer Landpfarre vorlieb nehmen?
Landpfarre? — Vorlieb nehmen? stammelte ich; Sie scherzen, Herr Baron!
Nein! ich gönnte Ihnen lieber eine Professur, oder ein höheres Kirchenamt, wo Sie Ihr Licht besser leuchten lassen konnten, als vor einer Dorfgemeinde. Indessen, vor der Hand, meinte ich —
Mein Gott! die bescheidenste Landpfarre würde mich zum glücklichsten Menschen machen!
Vortrefflich! In der Nahe meines Gutes ist eine eröffnet, welche Graf S. als Patronatsherr zu vergeben hat. Ich habe mich schon bei dem Grafen für Sie verwandt; als ich, ihm Ihr edles Benehmen in jener denkwürdigen Nacht erzählte, war die Sache im Reinen. Aber lesen Sie denn keine Zeitung? — Seit drei Wochen ruf' ich Ihnen in sechs öffentlichen Blättern ein flehentliches „Samiel, erscheine!“ zu, und Sie lassen nichts von sich hören.
Der Baron erschrak fast über die Bewegung, welches dieses neue Glück in mir hervorbrachte. Ich zitterte, wurde blaß und roth und suchte vergebens nach Worten. Aber wurd' ich nicht auch an diesem Tage aus dem Füllhorn der ewigen Gute wie mit einem Frühlingsregen überströmt? — Wenn ich daran denke, staun' ich noch heute, wie viel Freude auf ein Mal der Mensch zu ertragen vermag.
Kaum bemerkt' ich, daß wir bereits im Hofe des Amtmanns hielten. Ich gestehe, daß ich eine Anwandlung von Eitelkeit fühlte, so im Triumph dort wieder zu erscheinen.
Sie gehen mit mir, sagte der Baron, ich wünsche bei der Verhandlung mit Herrn O. einen Zeugen zu haben.
Der im Hofe stehende Kutscher des Amtmanns, welcher eben seine Pferde ausgespannt hatte, starrte
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Zitationshilfe: | Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/69>, abgerufen am 16.07.2024. |