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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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lassen sich nicht durch Ihre wohlgemeinte Frage irre führen.

Der Referendar starrte mich verwundert an und schien zu erwägen, ob mein Gehirn durch den Schreck vielleicht krankhaft afficirt sein möge. Er zuckte die Achseln, zog sein Buch aus der Tasche und fing an zu lesen.

Unsere Reise ging unaufhaltsam vorwärts; von Station zu Station wurden die Pferde gewechselt; die beiden Häscher blieben uns fortwährend gegenüber. Der Referendar war schweigsam und las viel in seinem Fichte, ohne sich um die auf ihn gerichteten Feuerschlünde zu kümmern; mich peinigte dagegen beständig der Gedanke, dieselben könnten sich durch eine Erschütterung des Wagens plötzlich entladen, und ich gestehe, daß ich mich möglichst außerhalb der Schuslinie zu halten bemüht war. Es geschah jedoch nichts der Art, und wir langten wohlbehalten in Cassel an, um aus dem Wagen ins Gefängniß zu steigen.

Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß man den über meine Person entstandenen Irrthum bald entdeckte, zumal da der Referendar, welcher als gewissenhafter Fichtianer jede, auch die wohlgemeinteste Unwahrheit verdammte, sich ganz offen über den Sachverhalt aussprach. Ich selbst war inzwischen ganz zufrieden, der Löwenhaut entkleidet und wieder ich selbst zu werden, und bemühte mich bestens, die vorgegangene Verwechselung als einen mir höchst unangenehmen Zufall, an dem ich völlig unschuldig, darzustellen. Man wollte jedoch anfangs meiner wahrheitsgemäßen Erzahlung, wie ich in das Schloß des Barons und später in den Heuschober gerathen, keinen Glauben schenken und behandelte mich als einen gefährlichen Verbrecher. Ich fühlte mich durch diese mir beigelegte Wichtigkeit jetzt nicht im mindesten mehr geschmeichelt; düstere Visionen stiegen in meinem Kerkerloch, besonders in schlaflosen Nächten, vor meinem Geiste auf; ich dachte häufig an

lassen sich nicht durch Ihre wohlgemeinte Frage irre führen.

Der Referendar starrte mich verwundert an und schien zu erwägen, ob mein Gehirn durch den Schreck vielleicht krankhaft afficirt sein möge. Er zuckte die Achseln, zog sein Buch aus der Tasche und fing an zu lesen.

Unsere Reise ging unaufhaltsam vorwärts; von Station zu Station wurden die Pferde gewechselt; die beiden Häscher blieben uns fortwährend gegenüber. Der Referendar war schweigsam und las viel in seinem Fichte, ohne sich um die auf ihn gerichteten Feuerschlünde zu kümmern; mich peinigte dagegen beständig der Gedanke, dieselben könnten sich durch eine Erschütterung des Wagens plötzlich entladen, und ich gestehe, daß ich mich möglichst außerhalb der Schuslinie zu halten bemüht war. Es geschah jedoch nichts der Art, und wir langten wohlbehalten in Cassel an, um aus dem Wagen ins Gefängniß zu steigen.

Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß man den über meine Person entstandenen Irrthum bald entdeckte, zumal da der Referendar, welcher als gewissenhafter Fichtianer jede, auch die wohlgemeinteste Unwahrheit verdammte, sich ganz offen über den Sachverhalt aussprach. Ich selbst war inzwischen ganz zufrieden, der Löwenhaut entkleidet und wieder ich selbst zu werden, und bemühte mich bestens, die vorgegangene Verwechselung als einen mir höchst unangenehmen Zufall, an dem ich völlig unschuldig, darzustellen. Man wollte jedoch anfangs meiner wahrheitsgemäßen Erzahlung, wie ich in das Schloß des Barons und später in den Heuschober gerathen, keinen Glauben schenken und behandelte mich als einen gefährlichen Verbrecher. Ich fühlte mich durch diese mir beigelegte Wichtigkeit jetzt nicht im mindesten mehr geschmeichelt; düstere Visionen stiegen in meinem Kerkerloch, besonders in schlaflosen Nächten, vor meinem Geiste auf; ich dachte häufig an

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[0037] lassen sich nicht durch Ihre wohlgemeinte Frage irre führen. Der Referendar starrte mich verwundert an und schien zu erwägen, ob mein Gehirn durch den Schreck vielleicht krankhaft afficirt sein möge. Er zuckte die Achseln, zog sein Buch aus der Tasche und fing an zu lesen. Unsere Reise ging unaufhaltsam vorwärts; von Station zu Station wurden die Pferde gewechselt; die beiden Häscher blieben uns fortwährend gegenüber. Der Referendar war schweigsam und las viel in seinem Fichte, ohne sich um die auf ihn gerichteten Feuerschlünde zu kümmern; mich peinigte dagegen beständig der Gedanke, dieselben könnten sich durch eine Erschütterung des Wagens plötzlich entladen, und ich gestehe, daß ich mich möglichst außerhalb der Schuslinie zu halten bemüht war. Es geschah jedoch nichts der Art, und wir langten wohlbehalten in Cassel an, um aus dem Wagen ins Gefängniß zu steigen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß man den über meine Person entstandenen Irrthum bald entdeckte, zumal da der Referendar, welcher als gewissenhafter Fichtianer jede, auch die wohlgemeinteste Unwahrheit verdammte, sich ganz offen über den Sachverhalt aussprach. Ich selbst war inzwischen ganz zufrieden, der Löwenhaut entkleidet und wieder ich selbst zu werden, und bemühte mich bestens, die vorgegangene Verwechselung als einen mir höchst unangenehmen Zufall, an dem ich völlig unschuldig, darzustellen. Man wollte jedoch anfangs meiner wahrheitsgemäßen Erzahlung, wie ich in das Schloß des Barons und später in den Heuschober gerathen, keinen Glauben schenken und behandelte mich als einen gefährlichen Verbrecher. Ich fühlte mich durch diese mir beigelegte Wichtigkeit jetzt nicht im mindesten mehr geschmeichelt; düstere Visionen stiegen in meinem Kerkerloch, besonders in schlaflosen Nächten, vor meinem Geiste auf; ich dachte häufig an

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/37>, abgerufen am 25.11.2024.