Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich danke Ihnen -- ja, Herr Baron. Nirgends angehalten? Nein! die einzige kleine Gefahr, die ich auf der kurzen Tour zu bestehen hatte, war, daß auf der letzten Station die Pferde durchgingen. Aber Alles gut abgelaufen? Mit Gottes Hülfe -- ja. Freut mich. Jetzt zur Sache! Niemand kann uns hier hören; was bringen Sie mir? Freilich nur mich selbst und die ergebensten Grüße von dem edlen Professor H., dem ich das Glück verdanke -- Professor H.? Hat man ihn eingeweiht? Seit wann? Mir neu. Soll allerdings ein guter Patriot sein. O gewiß, Herr Baron, und ein herrlicher Exeget, und wenn er wollte, könnte er unser größter Kirchenhistoriker sein. Nun, davon wissen wir nichts; Sie scheinen sich sehr für Wissenschaft zu interessiren, mehr als Officiere sonst pflegen -- aber zur Sache: Hat Ihnen Graf Chasot Briefe mitgegeben? Graf -- Chasot? -- Man denke sich mein Erstaunen, als ich in so naher Verbindung mit meiner geringen Person den Flügeladjutanten des preußischen Königs nennen hörte. Der Baron runzelte die Stirn. Was sollen diese Possen? rief er ärgerlich; zweifeln Sie, daß ich der bin, an den Sie adressirt sind -- oder hat vielleicht das Berliner Comite neue Vorsichtsmaßregeln und Erkennungsceremonien vorgeschrieben? Doch plötzlich, als wenn ihm ein Licht aufginge, sah er mich halb erschrocken, halb drohend an und sagte heftig: Herr, wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher? Ich nannte meinen Namen und erzählte die Veranlassung meiner Reise -- freilich verlegen genug; denn ich sah ein, daß hier ein Mißverständniß obwalten mußte. Ich danke Ihnen — ja, Herr Baron. Nirgends angehalten? Nein! die einzige kleine Gefahr, die ich auf der kurzen Tour zu bestehen hatte, war, daß auf der letzten Station die Pferde durchgingen. Aber Alles gut abgelaufen? Mit Gottes Hülfe — ja. Freut mich. Jetzt zur Sache! Niemand kann uns hier hören; was bringen Sie mir? Freilich nur mich selbst und die ergebensten Grüße von dem edlen Professor H., dem ich das Glück verdanke — Professor H.? Hat man ihn eingeweiht? Seit wann? Mir neu. Soll allerdings ein guter Patriot sein. O gewiß, Herr Baron, und ein herrlicher Exeget, und wenn er wollte, könnte er unser größter Kirchenhistoriker sein. Nun, davon wissen wir nichts; Sie scheinen sich sehr für Wissenschaft zu interessiren, mehr als Officiere sonst pflegen — aber zur Sache: Hat Ihnen Graf Chasot Briefe mitgegeben? Graf — Chasot? — Man denke sich mein Erstaunen, als ich in so naher Verbindung mit meiner geringen Person den Flügeladjutanten des preußischen Königs nennen hörte. Der Baron runzelte die Stirn. Was sollen diese Possen? rief er ärgerlich; zweifeln Sie, daß ich der bin, an den Sie adressirt sind — oder hat vielleicht das Berliner Comité neue Vorsichtsmaßregeln und Erkennungsceremonien vorgeschrieben? Doch plötzlich, als wenn ihm ein Licht aufginge, sah er mich halb erschrocken, halb drohend an und sagte heftig: Herr, wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher? Ich nannte meinen Namen und erzählte die Veranlassung meiner Reise — freilich verlegen genug; denn ich sah ein, daß hier ein Mißverständniß obwalten mußte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0023"/> <p>Ich danke Ihnen — ja, Herr Baron.</p><lb/> <p>Nirgends angehalten?</p><lb/> <p>Nein! die einzige kleine Gefahr, die ich auf der kurzen Tour zu bestehen hatte, war, daß auf der letzten Station die Pferde durchgingen.</p><lb/> <p>Aber Alles gut abgelaufen?</p><lb/> <p>Mit Gottes Hülfe — ja.</p><lb/> <p>Freut mich. Jetzt zur Sache! 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Ich danke Ihnen — ja, Herr Baron.
Nirgends angehalten?
Nein! die einzige kleine Gefahr, die ich auf der kurzen Tour zu bestehen hatte, war, daß auf der letzten Station die Pferde durchgingen.
Aber Alles gut abgelaufen?
Mit Gottes Hülfe — ja.
Freut mich. Jetzt zur Sache! Niemand kann uns hier hören; was bringen Sie mir?
Freilich nur mich selbst und die ergebensten Grüße von dem edlen Professor H., dem ich das Glück verdanke —
Professor H.? Hat man ihn eingeweiht? Seit wann? Mir neu. Soll allerdings ein guter Patriot sein.
O gewiß, Herr Baron, und ein herrlicher Exeget, und wenn er wollte, könnte er unser größter Kirchenhistoriker sein.
Nun, davon wissen wir nichts; Sie scheinen sich sehr für Wissenschaft zu interessiren, mehr als Officiere sonst pflegen — aber zur Sache: Hat Ihnen Graf Chasot Briefe mitgegeben?
Graf — Chasot? — Man denke sich mein Erstaunen, als ich in so naher Verbindung mit meiner geringen Person den Flügeladjutanten des preußischen Königs nennen hörte.
Der Baron runzelte die Stirn. Was sollen diese Possen? rief er ärgerlich; zweifeln Sie, daß ich der bin, an den Sie adressirt sind — oder hat vielleicht das Berliner Comité neue Vorsichtsmaßregeln und Erkennungsceremonien vorgeschrieben?
Doch plötzlich, als wenn ihm ein Licht aufginge, sah er mich halb erschrocken, halb drohend an und sagte heftig: Herr, wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher?
Ich nannte meinen Namen und erzählte die Veranlassung meiner Reise — freilich verlegen genug; denn ich sah ein, daß hier ein Mißverständniß obwalten mußte.
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Zitationshilfe: | Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/23>, abgerufen am 16.07.2024. |