Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.Harun al Raschid. Eine Grossmutter ging des Mittags mit ihrem wunderbar schönen Enkelkinde, einem 8jährigen Mäderl, über den Graben. Das Kind machte Halt vor einem Manne, der bewegliche Blech-Männchen verkaufte, Männchen, die in rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freiturner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche! Das wunderbare Kind hielt seine Grossmama zurück, die vorwärts drängte: "Wozu ihre Tantalus-Qualen vergrössern?!? Es kostet ja doch 3 Kronen!" Da trat ein fremder Mann vor, zog den Hut, sagte zu dem wunderbaren Kinde: "Darf ich Ihnen diesen Gegenstand schenken, Fräulein?!?" Weder die Grossmutter noch die Enkelin sagten eine Silbe. Sie standen da. Perplex. Er kaufte den Hampelmann und überreichte ihn der jungen Dame. Niemand sprach ein Wort dabei. Die Grossmutter sagte später verlegen: "Weil du aber auch immer bei allen Sachen auf der Strasse stehen bleiben musst - - -." Das Kind verstand das gar nicht - - -. Sie fühlte: "Jemand Fremder war sanfter zu mir als alle meine Angehörigen - - -." [Abbildung]In sich selbst versunken bleiben - - - einziges Verbrechen des Mannes! Aus sich heraus gehen - - - einzige Pflicht! In die Welt! Goethisch Harun al Raschid. Eine Grossmutter ging des Mittags mit ihrem wunderbar schönen Enkelkinde, einem 8jährigen Mäderl, über den Graben. Das Kind machte Halt vor einem Manne, der bewegliche Blech-Männchen verkaufte, Männchen, die in rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freiturner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche! Das wunderbare Kind hielt seine Grossmama zurück, die vorwärts drängte: „Wozu ihre Tantalus-Qualen vergrössern?!? Es kostet ja doch 3 Kronen!“ Da trat ein fremder Mann vor, zog den Hut, sagte zu dem wunderbaren Kinde: „Darf ich Ihnen diesen Gegenstand schenken, Fräulein?!?“ Weder die Grossmutter noch die Enkelin sagten eine Silbe. Sie standen da. Perplex. Er kaufte den Hampelmann und überreichte ihn der jungen Dame. Niemand sprach ein Wort dabei. Die Grossmutter sagte später verlegen: „Weil du aber auch immer bei allen Sachen auf der Strasse stehen bleiben musst – – –.“ Das Kind verstand das gar nicht – – –. Sie fühlte: „Jemand Fremder war sanfter zu mir als alle meine Angehörigen – – –.“ [Abbildung]In sich selbst versunken bleiben – – – einziges Verbrechen des Mannes! Aus sich heraus gehen – – – einzige Pflicht! In die Welt! Goethisch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0099" n="99"/> <p> <hi rendition="#g">Harun al Raschid.</hi> </p> <p>Eine Grossmutter ging des Mittags mit ihrem wunderbar schönen Enkelkinde, einem 8jährigen Mäderl, über den Graben. Das Kind machte Halt vor einem Manne, der bewegliche Blech-Männchen verkaufte, Männchen, die in rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freiturner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche!</p> <p>Das wunderbare Kind hielt seine Grossmama zurück, die vorwärts drängte: „Wozu ihre Tantalus-Qualen vergrössern?!? Es kostet ja doch 3 Kronen!“</p> <p>Da trat ein fremder Mann vor, zog den Hut, sagte zu dem wunderbaren Kinde: „Darf ich Ihnen diesen Gegenstand schenken, Fräulein?!?“</p> <p>Weder die Grossmutter noch die Enkelin sagten eine Silbe. Sie standen da. Perplex.</p> <p>Er kaufte den Hampelmann und überreichte ihn der jungen Dame. Niemand sprach ein Wort dabei.</p> <p>Die Grossmutter sagte später verlegen: „Weil du aber auch immer bei allen Sachen auf der Strasse stehen bleiben musst – – –.“</p> <p>Das Kind verstand das gar nicht – – –.</p> <p>Sie fühlte: „Jemand <hi rendition="#g">Fremder</hi> war sanfter zu mir als alle meine <hi rendition="#g">Angehörigen</hi> – – –.“</p> <figure/><lb/> <p>In sich selbst versunken bleiben – – – einziges Verbrechen des Mannes! Aus sich heraus gehen – – – einzige Pflicht! In die Welt! Goethisch </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0099]
Harun al Raschid.
Eine Grossmutter ging des Mittags mit ihrem wunderbar schönen Enkelkinde, einem 8jährigen Mäderl, über den Graben. Das Kind machte Halt vor einem Manne, der bewegliche Blech-Männchen verkaufte, Männchen, die in rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freiturner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche!
Das wunderbare Kind hielt seine Grossmama zurück, die vorwärts drängte: „Wozu ihre Tantalus-Qualen vergrössern?!? Es kostet ja doch 3 Kronen!“
Da trat ein fremder Mann vor, zog den Hut, sagte zu dem wunderbaren Kinde: „Darf ich Ihnen diesen Gegenstand schenken, Fräulein?!?“
Weder die Grossmutter noch die Enkelin sagten eine Silbe. Sie standen da. Perplex.
Er kaufte den Hampelmann und überreichte ihn der jungen Dame. Niemand sprach ein Wort dabei.
Die Grossmutter sagte später verlegen: „Weil du aber auch immer bei allen Sachen auf der Strasse stehen bleiben musst – – –.“
Das Kind verstand das gar nicht – – –.
Sie fühlte: „Jemand Fremder war sanfter zu mir als alle meine Angehörigen – – –.“
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