Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.dann in eurem Innern eine Ehe gehabt, eine wahrhafte wirkliche Ehe, mit der, die nie kam! Ich trinke Tee. Sechs Uhr abends rückt heran. Ich spüre es heranrücken. Nicht so intensiv, wie die Kinder den Weihnachtsabend heranrücken spüren. Aber immerhin. Punkt sechs Uhr trinke ich Tee, ein feierliches Geniessen ohne Enttäuschungen in diesem belasteten Dasein. Etwas, was man sicher hat, man hat seine friedevolle Glückseligkeit in seiner eigenen Macht. Es ist direkt unabhängig vom Schicksale. Schon das Eingiessen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halb-Litergefäss aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem "Cafe Central", duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande. Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend. Dazu rauche ich eine Zigarette "Chelmis, Hyksos". Ich trinke sehr, sehr langsam. Der Tee ist ein inneres anregendes Nervenbad. Man trägt die Dinge leichter dabei. Man fühlt es, eine Frau sollte eine solche Wirkung ausüben. Aber sie tut es niemals. Sie hat noch nicht die Kultur friedereicher Sanftmütigkeiten, um wie ein edler warmer goldgelber Tee zu wirken. Sie glaubt, sie verlöre dann etwa ihre Macht. Aber mein Tee dann in eurem Innern eine Ehe gehabt, eine wahrhafte wirkliche Ehe, mit der, die nie kam! Ich trinke Tee. Sechs Uhr abends rückt heran. Ich spüre es heranrücken. Nicht so intensiv, wie die Kinder den Weihnachtsabend heranrücken spüren. Aber immerhin. Punkt sechs Uhr trinke ich Tee, ein feierliches Geniessen ohne Enttäuschungen in diesem belasteten Dasein. Etwas, was man sicher hat, man hat seine friedevolle Glückseligkeit in seiner eigenen Macht. Es ist direkt unabhängig vom Schicksale. Schon das Eingiessen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halb-Litergefäss aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem „Café Central“, duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande. Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend. Dazu rauche ich eine Zigarette „Chelmis, Hyksos“. Ich trinke sehr, sehr langsam. Der Tee ist ein inneres anregendes Nervenbad. Man trägt die Dinge leichter dabei. Man fühlt es, eine Frau sollte eine solche Wirkung ausüben. Aber sie tut es niemals. Sie hat noch nicht die Kultur friedereicher Sanftmütigkeiten, um wie ein edler warmer goldgelber Tee zu wirken. Sie glaubt, sie verlöre dann etwa ihre Macht. Aber mein Tee <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="153"/> dann in eurem Innern eine Ehe gehabt, eine wahrhafte wirkliche Ehe, mit der, die nie kam!</p> <figure/><lb/> <p> <hi rendition="#g">Ich trinke Tee.</hi> </p> <p>Sechs Uhr abends rückt heran. Ich spüre es heranrücken. Nicht so intensiv, wie die Kinder den Weihnachtsabend heranrücken spüren. Aber immerhin. Punkt sechs Uhr trinke ich Tee, ein feierliches Geniessen ohne Enttäuschungen in diesem belasteten Dasein. Etwas, was man sicher hat, man hat seine friedevolle Glückseligkeit in seiner eigenen Macht. Es ist direkt unabhängig vom Schicksale. Schon das Eingiessen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halb-Litergefäss aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem „Café Central“, duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande.</p> <p>Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend. Dazu rauche ich eine Zigarette „Chelmis, Hyksos“. Ich trinke sehr, sehr langsam. Der Tee ist ein inneres anregendes Nervenbad. Man trägt die Dinge leichter dabei. Man fühlt es, eine Frau sollte eine solche Wirkung ausüben. Aber sie tut es niemals. Sie hat noch nicht die Kultur friedereicher Sanftmütigkeiten, um wie ein edler warmer goldgelber Tee zu wirken. Sie glaubt, sie verlöre dann etwa ihre Macht. Aber mein Tee </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0153]
dann in eurem Innern eine Ehe gehabt, eine wahrhafte wirkliche Ehe, mit der, die nie kam!
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Ich trinke Tee.
Sechs Uhr abends rückt heran. Ich spüre es heranrücken. Nicht so intensiv, wie die Kinder den Weihnachtsabend heranrücken spüren. Aber immerhin. Punkt sechs Uhr trinke ich Tee, ein feierliches Geniessen ohne Enttäuschungen in diesem belasteten Dasein. Etwas, was man sicher hat, man hat seine friedevolle Glückseligkeit in seiner eigenen Macht. Es ist direkt unabhängig vom Schicksale. Schon das Eingiessen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halb-Litergefäss aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem „Café Central“, duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande.
Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend. Dazu rauche ich eine Zigarette „Chelmis, Hyksos“. Ich trinke sehr, sehr langsam. Der Tee ist ein inneres anregendes Nervenbad. Man trägt die Dinge leichter dabei. Man fühlt es, eine Frau sollte eine solche Wirkung ausüben. Aber sie tut es niemals. Sie hat noch nicht die Kultur friedereicher Sanftmütigkeiten, um wie ein edler warmer goldgelber Tee zu wirken. Sie glaubt, sie verlöre dann etwa ihre Macht. Aber mein Tee
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