Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.Haselstauden und Schilf. Ihre nackten Arme waren unbeschreiblich schön und das Antlitz mit den runden Augen und der breiten Stumpfnase das einer Wassernixe. Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen. Da sagte er verlegen: "Wie geht's, Annerl?!?" Um 4 Uhr nachmittags aber hing sich jeden Tag die süsse Wassernixe in weissem Trikot mit nackten Armen an sein Boot an. Er sprach nie ein Wort mit ihr, berührte hie und da zärtlichst ihre süssen nassen kalten Hände an dem Bootrande. Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen. Da sagte er verlegen: "Wie geht's, Annerl?!?" [Abbildung]Kindermädchen. Kindermädchen, blondes Kindermädchen, tagaus, tagein, gleichmütig-heiteren Sinnes, erfüllst du deine Pflicht. Die jungen Herren vom Hause blicken dich an, blicken dir nach - - -. Der fremde Gast bewundert deinen edlen weissen Hals - - -. So schöpfst du leicht das Obers ab des Lebens in der Familie, welche schwerer lebt! Und irgendwo, in weiter Ferne ist stets noch ein "Bräutigam" in Sicht. "Er wird mich heiraten, bis - - -." Haselstauden und Schilf. Ihre nackten Arme waren unbeschreiblich schön und das Antlitz mit den runden Augen und der breiten Stumpfnase das einer Wassernixe. Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen. Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“ Um 4 Uhr nachmittags aber hing sich jeden Tag die süsse Wassernixe in weissem Trikot mit nackten Armen an sein Boot an. Er sprach nie ein Wort mit ihr, berührte hie und da zärtlichst ihre süssen nassen kalten Hände an dem Bootrande. Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen. Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“ [Abbildung]Kindermädchen. Kindermädchen, blondes Kindermädchen, tagaus, tagein, gleichmütig-heiteren Sinnes, erfüllst du deine Pflicht. Die jungen Herren vom Hause blicken dich an, blicken dir nach – – –. Der fremde Gast bewundert deinen edlen weissen Hals – – –. So schöpfst du leicht das Obers ab des Lebens in der Familie, welche schwerer lebt! Und irgendwo, in weiter Ferne ist stets noch ein „Bräutigam“ in Sicht. „Er wird mich heiraten, bis – – –.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="134"/> Haselstauden und Schilf. Ihre nackten Arme waren unbeschreiblich schön und das Antlitz mit den runden Augen und der breiten Stumpfnase das einer Wassernixe.</p> <p>Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.</p> <p>Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“</p> <p>Um 4 Uhr nachmittags aber hing sich jeden Tag die süsse Wassernixe in weissem Trikot mit nackten Armen an sein Boot an. Er sprach nie ein Wort mit ihr, berührte hie und da zärtlichst ihre süssen nassen kalten Hände an dem Bootrande.</p> <p>Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.</p> <p>Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“</p> <figure/><lb/> <p> <hi rendition="#g">Kindermädchen.</hi> </p> <p>Kindermädchen, blondes Kindermädchen,</p> <p>tagaus, tagein, gleichmütig-heiteren Sinnes, erfüllst du deine Pflicht.</p> <p>Die jungen Herren vom Hause blicken dich an, blicken dir nach – – –.</p> <p>Der fremde Gast bewundert deinen edlen weissen Hals – – –.</p> <p>So schöpfst du leicht das Obers ab des Lebens</p> <p>in der Familie, welche schwerer lebt!</p> <p>Und irgendwo, in weiter Ferne ist</p> <p>stets noch ein „Bräutigam“ in Sicht.</p> <p>„Er wird mich <hi rendition="#g">heiraten</hi>, bis – – –.“ </p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0134]
Haselstauden und Schilf. Ihre nackten Arme waren unbeschreiblich schön und das Antlitz mit den runden Augen und der breiten Stumpfnase das einer Wassernixe.
Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.
Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“
Um 4 Uhr nachmittags aber hing sich jeden Tag die süsse Wassernixe in weissem Trikot mit nackten Armen an sein Boot an. Er sprach nie ein Wort mit ihr, berührte hie und da zärtlichst ihre süssen nassen kalten Hände an dem Bootrande.
Wenn er sie am Lande traf, war sie das armselige Bürgermädchen.
Da sagte er verlegen: „Wie geht’s, Annerl?!?“
[Abbildung]
Kindermädchen.
Kindermädchen, blondes Kindermädchen,
tagaus, tagein, gleichmütig-heiteren Sinnes, erfüllst du deine Pflicht.
Die jungen Herren vom Hause blicken dich an, blicken dir nach – – –.
Der fremde Gast bewundert deinen edlen weissen Hals – – –.
So schöpfst du leicht das Obers ab des Lebens
in der Familie, welche schwerer lebt!
Und irgendwo, in weiter Ferne ist
stets noch ein „Bräutigam“ in Sicht.
„Er wird mich heiraten, bis – – –.“
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Zitationshilfe: | Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906/134>, abgerufen am 16.02.2025. |