Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zweifelhaft. Die Natur schafft nicht zwei solche Copieen desselben Urbildes. Und wenn die Züge gelogen hätten, das war derselbe zornige, freche, lächelnde Blick aus dem kugelrunden, blitzenden Auge, den Büren ihm zuwarf, als er, aus dem Wagen gestoßen, rief, sie würden dereinst abrechnen. Sie rechneten in den Secunden, wo keiner die Lippen öffnete, mit einander ab. Die Augen sagten sich Alles, was auszusprechen war. Die Worte nachher waren nur der formelle Deckmantel für das, was vorher schweigend und vollständiger gesprochen worden. Man sagt, Herr von Sacken, sprach der Herzog, Sie wären ein Astrologe und fragten Zigeunerweiber über die Zukunft aus. Ein Wunder, wenn ein Philosoph an Wunder glaubt. Die Wunder kommen von selbst, entgegnete Sacken. Ich verlange nicht mehr, als ich jetzt sehe. Glauben Sie noch, daß die Welt nicht vorwärts geht? Ich hörte, Sie sollten der Meinung sein. Ein alter Spruch, Durchlaucht, meint, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben. Sie haben weite Reisen gemacht. Ich billige es, wenn meine Cavaliere ihre rauhen Sitten im Auslande abschleifen. Aber Sie sollen ein Menschenhasser geblieben sein. Ich fand keinen Grund, meine Ansichten über das Geschlecht zu ändern. zweifelhaft. Die Natur schafft nicht zwei solche Copieen desselben Urbildes. Und wenn die Züge gelogen hätten, das war derselbe zornige, freche, lächelnde Blick aus dem kugelrunden, blitzenden Auge, den Büren ihm zuwarf, als er, aus dem Wagen gestoßen, rief, sie würden dereinst abrechnen. Sie rechneten in den Secunden, wo keiner die Lippen öffnete, mit einander ab. Die Augen sagten sich Alles, was auszusprechen war. Die Worte nachher waren nur der formelle Deckmantel für das, was vorher schweigend und vollständiger gesprochen worden. Man sagt, Herr von Sacken, sprach der Herzog, Sie wären ein Astrologe und fragten Zigeunerweiber über die Zukunft aus. Ein Wunder, wenn ein Philosoph an Wunder glaubt. Die Wunder kommen von selbst, entgegnete Sacken. Ich verlange nicht mehr, als ich jetzt sehe. Glauben Sie noch, daß die Welt nicht vorwärts geht? Ich hörte, Sie sollten der Meinung sein. Ein alter Spruch, Durchlaucht, meint, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben. Sie haben weite Reisen gemacht. Ich billige es, wenn meine Cavaliere ihre rauhen Sitten im Auslande abschleifen. Aber Sie sollen ein Menschenhasser geblieben sein. Ich fand keinen Grund, meine Ansichten über das Geschlecht zu ändern. <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0080"/> zweifelhaft. Die Natur schafft nicht zwei solche Copieen desselben Urbildes. Und wenn die Züge gelogen hätten, das war derselbe zornige, freche, lächelnde Blick aus dem kugelrunden, blitzenden Auge, den Büren ihm zuwarf, als er, aus dem Wagen gestoßen, rief, sie würden dereinst abrechnen. Sie rechneten in den Secunden, wo keiner die Lippen öffnete, mit einander ab. Die Augen sagten sich Alles, was auszusprechen war. Die Worte nachher waren nur der formelle Deckmantel für das, was vorher schweigend und vollständiger gesprochen worden.</p><lb/> <p>Man sagt, Herr von Sacken, sprach der Herzog, Sie wären ein Astrologe und fragten Zigeunerweiber über die Zukunft aus. Ein Wunder, wenn ein Philosoph an Wunder glaubt.</p><lb/> <p>Die Wunder kommen von selbst, entgegnete Sacken. Ich verlange nicht mehr, als ich jetzt sehe.</p><lb/> <p>Glauben Sie noch, daß die Welt nicht vorwärts geht? Ich hörte, Sie sollten der Meinung sein.</p><lb/> <p>Ein alter Spruch, Durchlaucht, meint, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben.</p><lb/> <p>Sie haben weite Reisen gemacht. Ich billige es, wenn meine Cavaliere ihre rauhen Sitten im Auslande abschleifen. Aber Sie sollen ein Menschenhasser geblieben sein.</p><lb/> <p>Ich fand keinen Grund, meine Ansichten über das Geschlecht zu ändern.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
zweifelhaft. Die Natur schafft nicht zwei solche Copieen desselben Urbildes. Und wenn die Züge gelogen hätten, das war derselbe zornige, freche, lächelnde Blick aus dem kugelrunden, blitzenden Auge, den Büren ihm zuwarf, als er, aus dem Wagen gestoßen, rief, sie würden dereinst abrechnen. Sie rechneten in den Secunden, wo keiner die Lippen öffnete, mit einander ab. Die Augen sagten sich Alles, was auszusprechen war. Die Worte nachher waren nur der formelle Deckmantel für das, was vorher schweigend und vollständiger gesprochen worden.
Man sagt, Herr von Sacken, sprach der Herzog, Sie wären ein Astrologe und fragten Zigeunerweiber über die Zukunft aus. Ein Wunder, wenn ein Philosoph an Wunder glaubt.
Die Wunder kommen von selbst, entgegnete Sacken. Ich verlange nicht mehr, als ich jetzt sehe.
Glauben Sie noch, daß die Welt nicht vorwärts geht? Ich hörte, Sie sollten der Meinung sein.
Ein alter Spruch, Durchlaucht, meint, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben.
Sie haben weite Reisen gemacht. Ich billige es, wenn meine Cavaliere ihre rauhen Sitten im Auslande abschleifen. Aber Sie sollen ein Menschenhasser geblieben sein.
Ich fand keinen Grund, meine Ansichten über das Geschlecht zu ändern.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |