Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Wunderlicher, wackrer Freund! Sollte man nicht glauben, es gäbe wirklich noch Liebestränke, und der Kurländer hätte Euch einen beigebracht, so Euch um Euren Verstand bringt? Aber, wie dem auch sei, verlaßt Euch darauf: was der Advocat Behrend einmal zusagte, hält er, und nicht wie ein bezahlter Sachwalter, sondern wie ein Mann, dem's Ehr' und Gewissen ist, eine fremde Sache zu seiner eigenen zu machen.

Behrend's Aufgabe war indessen nicht leicht. Ein Stadtsoldat war wirklich an den im Gefecht erhaltenen Wunden gestorben. Alle Aussagen deuteten auf Lauson's Liebling, der zwar diese That in Abrede stellte, aber sich in den Verhören zu dem thätigen Antheil an der Befreiung der Gefangenen bekannte. Ja, in seiner Eitelkeit brüstete er sich, die Commilitonen in dem, was er ihr Recht nannte, angeführt zu haben. Seine Landsleute ließen ihm diesmal kluger Weise eine Ehre, zu der sie ihm unter andern Verhältnissen, wie wir wissen, die Befugniß abgesprochen hätten. Dem akademischen Gericht lag freilich wenig an einen hartem Urtel gegen einen Universitätsbürger, aber Friedrich Wilhelm's strenger Blick hätte jede Nachsicht gegen einen Todtschläger kaum weniger hart als die That selbst gestraft. Um deshalb suchte Büren's oder Biern's Vertheidiger auf geschickte Weise allen Verdacht auf den über Nacht von seinen

Wunderlicher, wackrer Freund! Sollte man nicht glauben, es gäbe wirklich noch Liebestränke, und der Kurländer hätte Euch einen beigebracht, so Euch um Euren Verstand bringt? Aber, wie dem auch sei, verlaßt Euch darauf: was der Advocat Behrend einmal zusagte, hält er, und nicht wie ein bezahlter Sachwalter, sondern wie ein Mann, dem's Ehr' und Gewissen ist, eine fremde Sache zu seiner eigenen zu machen.

Behrend's Aufgabe war indessen nicht leicht. Ein Stadtsoldat war wirklich an den im Gefecht erhaltenen Wunden gestorben. Alle Aussagen deuteten auf Lauson's Liebling, der zwar diese That in Abrede stellte, aber sich in den Verhören zu dem thätigen Antheil an der Befreiung der Gefangenen bekannte. Ja, in seiner Eitelkeit brüstete er sich, die Commilitonen in dem, was er ihr Recht nannte, angeführt zu haben. Seine Landsleute ließen ihm diesmal kluger Weise eine Ehre, zu der sie ihm unter andern Verhältnissen, wie wir wissen, die Befugniß abgesprochen hätten. Dem akademischen Gericht lag freilich wenig an einen hartem Urtel gegen einen Universitätsbürger, aber Friedrich Wilhelm's strenger Blick hätte jede Nachsicht gegen einen Todtschläger kaum weniger hart als die That selbst gestraft. Um deshalb suchte Büren's oder Biern's Vertheidiger auf geschickte Weise allen Verdacht auf den über Nacht von seinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0031"/>
        <p>Wunderlicher, wackrer Freund! Sollte man nicht glauben, es gäbe wirklich noch                Liebestränke, und der Kurländer hätte Euch einen beigebracht, so Euch um Euren                Verstand bringt? Aber, wie dem auch sei, verlaßt Euch darauf: was der Advocat Behrend                einmal zusagte, hält er, und nicht wie ein bezahlter Sachwalter, sondern wie ein                Mann, dem's Ehr' und Gewissen ist, eine fremde Sache zu seiner eigenen zu machen.</p><lb/>
      </div>
      <div n="3">
        <p>Behrend's Aufgabe war indessen nicht leicht. Ein Stadtsoldat war wirklich an den im                Gefecht erhaltenen Wunden gestorben. Alle Aussagen deuteten auf Lauson's Liebling,                der zwar diese That in Abrede stellte, aber sich in den Verhören zu dem thätigen                Antheil an der Befreiung der Gefangenen bekannte. Ja, in seiner Eitelkeit brüstete er                sich, die Commilitonen in dem, was er ihr Recht nannte, angeführt zu haben. Seine                Landsleute ließen ihm diesmal kluger Weise eine Ehre, zu der sie ihm unter andern                Verhältnissen, wie wir wissen, die Befugniß abgesprochen hätten. Dem akademischen                Gericht lag freilich wenig an einen hartem Urtel gegen einen Universitätsbürger, aber                Friedrich Wilhelm's strenger Blick hätte jede Nachsicht gegen einen Todtschläger kaum                weniger hart als die That selbst gestraft. Um deshalb suchte Büren's oder Biern's                Vertheidiger auf geschickte Weise allen Verdacht auf den über Nacht von seinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] Wunderlicher, wackrer Freund! Sollte man nicht glauben, es gäbe wirklich noch Liebestränke, und der Kurländer hätte Euch einen beigebracht, so Euch um Euren Verstand bringt? Aber, wie dem auch sei, verlaßt Euch darauf: was der Advocat Behrend einmal zusagte, hält er, und nicht wie ein bezahlter Sachwalter, sondern wie ein Mann, dem's Ehr' und Gewissen ist, eine fremde Sache zu seiner eigenen zu machen. Behrend's Aufgabe war indessen nicht leicht. Ein Stadtsoldat war wirklich an den im Gefecht erhaltenen Wunden gestorben. Alle Aussagen deuteten auf Lauson's Liebling, der zwar diese That in Abrede stellte, aber sich in den Verhören zu dem thätigen Antheil an der Befreiung der Gefangenen bekannte. Ja, in seiner Eitelkeit brüstete er sich, die Commilitonen in dem, was er ihr Recht nannte, angeführt zu haben. Seine Landsleute ließen ihm diesmal kluger Weise eine Ehre, zu der sie ihm unter andern Verhältnissen, wie wir wissen, die Befugniß abgesprochen hätten. Dem akademischen Gericht lag freilich wenig an einen hartem Urtel gegen einen Universitätsbürger, aber Friedrich Wilhelm's strenger Blick hätte jede Nachsicht gegen einen Todtschläger kaum weniger hart als die That selbst gestraft. Um deshalb suchte Büren's oder Biern's Vertheidiger auf geschickte Weise allen Verdacht auf den über Nacht von seinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/31
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/31>, abgerufen am 22.12.2024.