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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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letzten Mal die geliebte, schöne, milde, bürgerfreund¬
liche Königin sehen wollten. Auch da schrieen Viele,
sie wollten ihr Gut und Blut lassen, man solle sie
nur rufen. Was sollte Louise antworten! -- Auf
Wiedersehn, auf Wiedersehn! schluchzte es aus den
Fenstern. Was konnte sie darauf antworten!

Die Fenster alle aufgerissen, überall Kopf an
Kopf, Tücher wehten und Tücher trockneten die Augen.
Sie konnte nicht mehr hinauswehen, sie lehnte sich
erschöpft zurück. Und doch fielen ihr zwei stattliche
Häuser auf, da war es still, die Fenster, auch hie
und da die Laden, waren geschlossen. Die Blicke
ihrer Begleiter sahen mißvergnügt dahin. Die milde
Fürstin sagte: "Gewiß sehr Kranke!" -- "Da wohnt
der Geheimrath Bovillard, sagte die Hofdame ver¬
legen, er soll in der That krank sein!" Die Königin
schütterte zusammen und fragte nicht mehr, auch nicht, wer
in dem andern Hause wohne? Der Adjutant zu Sei¬
ten des Wagens flüsterte der Voß zu: "'S ist doch un¬
glaublich vom Grafen St. Real. Er hat Angst,
daß Napoleon es ihm übel vermerken könnte." --
"Aber ein sehr nobler Cavalier sonst, bemerkte die
alte Gräfin. Auch ein Kranker," sagte sie zur Königin.

Da war die Straße gesperrt in der Nähe des
Doms. Ein Hochzeitszug kam aus der Kirche. Die
Leute lachten, die Straßenjugend war sogar laut;
sie machten ihre Glossen zum Brautpaar. Auch die
Kassenwagen hatten hier Halt machen müssen, und
Walter war mit dem Geheimrath Alltag aus dem

letzten Mal die geliebte, ſchöne, milde, bürgerfreund¬
liche Königin ſehen wollten. Auch da ſchrieen Viele,
ſie wollten ihr Gut und Blut laſſen, man ſolle ſie
nur rufen. Was ſollte Louiſe antworten! — Auf
Wiederſehn, auf Wiederſehn! ſchluchzte es aus den
Fenſtern. Was konnte ſie darauf antworten!

Die Fenſter alle aufgeriſſen, überall Kopf an
Kopf, Tücher wehten und Tücher trockneten die Augen.
Sie konnte nicht mehr hinauswehen, ſie lehnte ſich
erſchöpft zurück. Und doch fielen ihr zwei ſtattliche
Häuſer auf, da war es ſtill, die Fenſter, auch hie
und da die Laden, waren geſchloſſen. Die Blicke
ihrer Begleiter ſahen mißvergnügt dahin. Die milde
Fürſtin ſagte: „Gewiß ſehr Kranke!“ — „Da wohnt
der Geheimrath Bovillard, ſagte die Hofdame ver¬
legen, er ſoll in der That krank ſein!“ Die Königin
ſchütterte zuſammen und fragte nicht mehr, auch nicht, wer
in dem andern Hauſe wohne? Der Adjutant zu Sei¬
ten des Wagens flüſterte der Voß zu: „'S iſt doch un¬
glaublich vom Grafen St. Real. Er hat Angſt,
daß Napoleon es ihm übel vermerken könnte.“ —
„Aber ein ſehr nobler Cavalier ſonſt, bemerkte die
alte Gräfin. Auch ein Kranker,“ ſagte ſie zur Königin.

Da war die Straße geſperrt in der Nähe des
Doms. Ein Hochzeitszug kam aus der Kirche. Die
Leute lachten, die Straßenjugend war ſogar laut;
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Kaſſenwagen hatten hier Halt machen müſſen, und
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[380/0390] letzten Mal die geliebte, ſchöne, milde, bürgerfreund¬ liche Königin ſehen wollten. Auch da ſchrieen Viele, ſie wollten ihr Gut und Blut laſſen, man ſolle ſie nur rufen. Was ſollte Louiſe antworten! — Auf Wiederſehn, auf Wiederſehn! ſchluchzte es aus den Fenſtern. Was konnte ſie darauf antworten! Die Fenſter alle aufgeriſſen, überall Kopf an Kopf, Tücher wehten und Tücher trockneten die Augen. Sie konnte nicht mehr hinauswehen, ſie lehnte ſich erſchöpft zurück. Und doch fielen ihr zwei ſtattliche Häuſer auf, da war es ſtill, die Fenſter, auch hie und da die Laden, waren geſchloſſen. Die Blicke ihrer Begleiter ſahen mißvergnügt dahin. Die milde Fürſtin ſagte: „Gewiß ſehr Kranke!“ — „Da wohnt der Geheimrath Bovillard, ſagte die Hofdame ver¬ legen, er ſoll in der That krank ſein!“ Die Königin ſchütterte zuſammen und fragte nicht mehr, auch nicht, wer in dem andern Hauſe wohne? Der Adjutant zu Sei¬ ten des Wagens flüſterte der Voß zu: „'S iſt doch un¬ glaublich vom Grafen St. Real. Er hat Angſt, daß Napoleon es ihm übel vermerken könnte.“ — „Aber ein ſehr nobler Cavalier ſonſt, bemerkte die alte Gräfin. Auch ein Kranker,“ ſagte ſie zur Königin. Da war die Straße geſperrt in der Nähe des Doms. Ein Hochzeitszug kam aus der Kirche. Die Leute lachten, die Straßenjugend war ſogar laut; ſie machten ihre Gloſſen zum Brautpaar. Auch die Kaſſenwagen hatten hier Halt machen müſſen, und Walter war mit dem Geheimrath Alltag aus dem

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/390>, abgerufen am 24.11.2024.