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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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loi." Napoleon leitete gegen ihn kein Disciplinar¬
verfahren ein. Der Mann des Rechtes, der die
männliche Antwort gab, hieß Sethe.

Ob der Fall in unsere Geschichte gehört? --
Er geht über sie hinaus. Wandel ward von Paris
aus verfolgt, das preußische Gericht fand aber die
Beweise nicht zur Ueberzeugung geführt. Auch in
Bezug auf seine Verbrechen in Berlin hatte Wandel
gegen Fuchsius richtig vorausgesagt. Trotz der
moralischen Ueberzeugung, welche das Gericht gewann,
genügten die Beweise nicht, um gegen ihn die letzte
Strafe zu dictiren. Er büßte, wie die Lupinus, für
seine schweren Verbrechen nur durch eine lange Freiheits¬
strafe. Beide überlebten sogar ihre Strafzeit.

Viele von den Personen, die wir hier vorgeführt,
haben auch den Tag überlebt, mit dem wir unsere
Geschichte beschließen, es wäre sogar möglich, daß sie
noch heute leben. Wenn sie die Theilnahme unserer
Leser sich erwarben, wäre es möglich, daß wir auch
von ihren ferneren Schicksalen Kunde gäben, denn es
ist viel vorgegangen seit fünfzig Jahren und heut.


Das war der traurigste Auszug, den je Berlin
gesehn. Selbst der Jubel des Volks, als die Wa¬
gen der Königin vorm Schlosse hielten, um Wäsche
und das Nöthigste zu einer Reise ohne Ziel einzu¬
nehmen, war herzzerreißend für die hohe Frau. Sie
hatte nicht Worte, nur Thränen. Dann die Straßen,
die Tausende, die dem Wagen folgten, die zum

loi.“ Napoleon leitete gegen ihn kein Disciplinar¬
verfahren ein. Der Mann des Rechtes, der die
männliche Antwort gab, hieß Sethe.

Ob der Fall in unſere Geſchichte gehört? —
Er geht über ſie hinaus. Wandel ward von Paris
aus verfolgt, das preußiſche Gericht fand aber die
Beweiſe nicht zur Ueberzeugung geführt. Auch in
Bezug auf ſeine Verbrechen in Berlin hatte Wandel
gegen Fuchſius richtig vorausgeſagt. Trotz der
moraliſchen Ueberzeugung, welche das Gericht gewann,
genügten die Beweiſe nicht, um gegen ihn die letzte
Strafe zu dictiren. Er büßte, wie die Lupinus, für
ſeine ſchweren Verbrechen nur durch eine lange Freiheits¬
ſtrafe. Beide überlebten ſogar ihre Strafzeit.

Viele von den Perſonen, die wir hier vorgeführt,
haben auch den Tag überlebt, mit dem wir unſere
Geſchichte beſchließen, es wäre ſogar möglich, daß ſie
noch heute leben. Wenn ſie die Theilnahme unſerer
Leſer ſich erwarben, wäre es möglich, daß wir auch
von ihren ferneren Schickſalen Kunde gäben, denn es
iſt viel vorgegangen ſeit fünfzig Jahren und heut.


Das war der traurigſte Auszug, den je Berlin
geſehn. Selbſt der Jubel des Volks, als die Wa¬
gen der Königin vorm Schloſſe hielten, um Wäſche
und das Nöthigſte zu einer Reiſe ohne Ziel einzu¬
nehmen, war herzzerreißend für die hohe Frau. Sie
hatte nicht Worte, nur Thränen. Dann die Straßen,
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[379/0389] loi.“ Napoleon leitete gegen ihn kein Disciplinar¬ verfahren ein. Der Mann des Rechtes, der die männliche Antwort gab, hieß Sethe. Ob der Fall in unſere Geſchichte gehört? — Er geht über ſie hinaus. Wandel ward von Paris aus verfolgt, das preußiſche Gericht fand aber die Beweiſe nicht zur Ueberzeugung geführt. Auch in Bezug auf ſeine Verbrechen in Berlin hatte Wandel gegen Fuchſius richtig vorausgeſagt. Trotz der moraliſchen Ueberzeugung, welche das Gericht gewann, genügten die Beweiſe nicht, um gegen ihn die letzte Strafe zu dictiren. Er büßte, wie die Lupinus, für ſeine ſchweren Verbrechen nur durch eine lange Freiheits¬ ſtrafe. Beide überlebten ſogar ihre Strafzeit. Viele von den Perſonen, die wir hier vorgeführt, haben auch den Tag überlebt, mit dem wir unſere Geſchichte beſchließen, es wäre ſogar möglich, daß ſie noch heute leben. Wenn ſie die Theilnahme unſerer Leſer ſich erwarben, wäre es möglich, daß wir auch von ihren ferneren Schickſalen Kunde gäben, denn es iſt viel vorgegangen ſeit fünfzig Jahren und heut. Das war der traurigſte Auszug, den je Berlin geſehn. Selbſt der Jubel des Volks, als die Wa¬ gen der Königin vorm Schloſſe hielten, um Wäſche und das Nöthigſte zu einer Reiſe ohne Ziel einzu¬ nehmen, war herzzerreißend für die hohe Frau. Sie hatte nicht Worte, nur Thränen. Dann die Straßen, die Tauſende, die dem Wagen folgten, die zum

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/389>, abgerufen am 24.11.2024.