nicht wegzulöschen, daß viele der gutgesinnten Bürger Berlins die Mahnung jenes Ministers befolgten. Sie schickten sich in die Zeit, denn es war böse Zeit. Sie schwenkten die Hüte vor dem einziehenden Na¬ poleon und riefen "Vive l'Empereur, und illuminirten ihre Häuser, daß der Kaiser selbst in jene Worte der Verwunderung und der Schmach ausbrach, die wir nicht wiederholen wollen. Sie thaten es aber nicht aus Gesinnung, sondern wie Andere nach ihnen, aus der "guten Gesinnung," welche der Dichter nennt: die Rücksicht, Die Elend läßt zu langen Jahren kommen; sie stimmten zu dem Uebel und streichelten es, damit das Uebel, das kommen konnte, nicht noch größer werde, als das, was war. Aber nicht Alle waren gut gesinnt. Es gab Männer, und Frauen auch, welche das Uebel beim rechten Namen nannten, und nicht erschraken, wenn es ihnen ein böses Gesicht machte. Diese Einigen waren die Kieselsteine, an denen der Stahl Funken schlagen sollte, aus denen der stille Brand ward, welcher später zum allmächtigen Feuer aufloderte. Gut Ding will Weile im deutschen Lande. Viele hat die Geschichte genannt, oder fängt jetzt an, ihre Namen zu nennen, aber wie viele sind schlummern gegangen, auf ihren Grabsteinen wächst Moos, und die Geschichte kratzt es nicht mehr ab, um von ihrem stillen Wirken Zeugniß zu geben. Da darf die Dichtung, die so viel Trauriges und Schlimmes nicht verschweigen durfte, auch an die einzelnen
nicht wegzulöſchen, daß viele der gutgeſinnten Bürger Berlins die Mahnung jenes Miniſters befolgten. Sie ſchickten ſich in die Zeit, denn es war böſe Zeit. Sie ſchwenkten die Hüte vor dem einziehenden Na¬ poleon und riefen „Vive l'Empereur, und illuminirten ihre Häuſer, daß der Kaiſer ſelbſt in jene Worte der Verwunderung und der Schmach ausbrach, die wir nicht wiederholen wollen. Sie thaten es aber nicht aus Geſinnung, ſondern wie Andere nach ihnen, aus der „guten Geſinnung,“ welche der Dichter nennt: die Rückſicht, Die Elend läßt zu langen Jahren kommen; ſie ſtimmten zu dem Uebel und ſtreichelten es, damit das Uebel, das kommen konnte, nicht noch größer werde, als das, was war. Aber nicht Alle waren gut geſinnt. Es gab Männer, und Frauen auch, welche das Uebel beim rechten Namen nannten, und nicht erſchraken, wenn es ihnen ein böſes Geſicht machte. Dieſe Einigen waren die Kieſelſteine, an denen der Stahl Funken ſchlagen ſollte, aus denen der ſtille Brand ward, welcher ſpäter zum allmächtigen Feuer aufloderte. Gut Ding will Weile im deutſchen Lande. Viele hat die Geſchichte genannt, oder fängt jetzt an, ihre Namen zu nennen, aber wie viele ſind ſchlummern gegangen, auf ihren Grabſteinen wächſt Moos, und die Geſchichte kratzt es nicht mehr ab, um von ihrem ſtillen Wirken Zeugniß zu geben. Da darf die Dichtung, die ſo viel Trauriges und Schlimmes nicht verſchweigen durfte, auch an die einzelnen
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nicht wegzulöſchen, daß viele der gutgeſinnten Bürger
Berlins die Mahnung jenes Miniſters befolgten.
Sie ſchickten ſich in die Zeit, denn es war böſe Zeit.
Sie ſchwenkten die Hüte vor dem einziehenden Na¬
poleon und riefen „Vive l'Empereur, und illuminirten
ihre Häuſer, daß der Kaiſer ſelbſt in jene Worte der
Verwunderung und der Schmach ausbrach, die wir
nicht wiederholen wollen. Sie thaten es aber nicht
aus Geſinnung, ſondern wie Andere nach ihnen, aus
der „guten Geſinnung,“ welche der Dichter nennt:
die Rückſicht,
Die Elend läßt zu langen Jahren kommen;
ſie ſtimmten zu dem Uebel und ſtreichelten es, damit
das Uebel, das kommen konnte, nicht noch größer
werde, als das, was war. Aber nicht Alle waren
gut geſinnt. Es gab Männer, und Frauen auch,
welche das Uebel beim rechten Namen nannten, und
nicht erſchraken, wenn es ihnen ein böſes Geſicht
machte. Dieſe Einigen waren die Kieſelſteine, an
denen der Stahl Funken ſchlagen ſollte, aus denen
der ſtille Brand ward, welcher ſpäter zum allmächtigen
Feuer aufloderte. Gut Ding will Weile im deutſchen
Lande. Viele hat die Geſchichte genannt, oder fängt
jetzt an, ihre Namen zu nennen, aber wie viele ſind
ſchlummern gegangen, auf ihren Grabſteinen wächſt
Moos, und die Geſchichte kratzt es nicht mehr ab,
um von ihrem ſtillen Wirken Zeugniß zu geben. Da
darf die Dichtung, die ſo viel Trauriges und Schlimmes
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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