Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ab. Alles für Andre! Nun, mein Herr, jetzt gilt es
für mich selbst
. Werde ich mich schlagen, wie Ihre
Soldaten, für Commisbrod, aus Furcht vor dem Cor¬
poralstock? Nein, wie der Pirat, den die Fregatten
eingeholt. In dem Todeskampfe siegt er wohl zu¬
weilen gegen die Uebermacht, es kommt öfter vor,
daß er die Verfolger mit sich in die Luft sprengt.
O, es soll ein Kampf werden, auf den ich mich freue;
eine Beschäftigung für den Geist, wie ich sie wünsche.
Sperren Sie mich in den engsten Kerker; je kleiner
der Kessel, um so größer die Expansionskraft des
Gases. Mein Compliment Ihnen, ich weiß, wen ich
vor mir habe: keine plumpe Criminalspinne, die
außer ihrer Aktenhöhle, blödsichtig, nicht um sich weiß,
nein, einen feinen Welt- und Lebemann, der mit sei¬
nen Kenntnissen und psychologischen Erfahrungen mich
umgarnen und harmlos fangen möchte. Grad, auf
solchen Gegner freue ich mich. Ich schätze Sie. Wir
wollen uns in Minen und Contreminen begegnen.
Das wird meinen Geist frisch erhalten; das erfrischt
auch das Blut; weit mehr, als die körperliche Be¬
wegung. Ich werde ein gesunder Gefangener blei¬
ben. Auch Sie sollen Ihre Freude an mir haben.
Ein Inquisitor verliebt sich am Ende in seinen In¬
quisiten -- er sehnt sich in der Nacht auf den näch¬
sten Morgen, wo er ihn wieder erblickt --"

"Bis er ihn an einem Morgen dem Richter ab¬
liefert, der ihn nicht zurückliefert."

"Das bilden Sie sich ja nicht ein. Sie meinen

V. 24

ab. Alles für Andre! Nun, mein Herr, jetzt gilt es
für mich ſelbſt
. Werde ich mich ſchlagen, wie Ihre
Soldaten, für Commisbrod, aus Furcht vor dem Cor¬
poralſtock? Nein, wie der Pirat, den die Fregatten
eingeholt. In dem Todeskampfe ſiegt er wohl zu¬
weilen gegen die Uebermacht, es kommt öfter vor,
daß er die Verfolger mit ſich in die Luft ſprengt.
O, es ſoll ein Kampf werden, auf den ich mich freue;
eine Beſchäftigung für den Geiſt, wie ich ſie wünſche.
Sperren Sie mich in den engſten Kerker; je kleiner
der Keſſel, um ſo größer die Expanſionskraft des
Gaſes. Mein Compliment Ihnen, ich weiß, wen ich
vor mir habe: keine plumpe Criminalſpinne, die
außer ihrer Aktenhöhle, blödſichtig, nicht um ſich weiß,
nein, einen feinen Welt- und Lebemann, der mit ſei¬
nen Kenntniſſen und pſychologiſchen Erfahrungen mich
umgarnen und harmlos fangen möchte. Grad, auf
ſolchen Gegner freue ich mich. Ich ſchätze Sie. Wir
wollen uns in Minen und Contreminen begegnen.
Das wird meinen Geiſt friſch erhalten; das erfriſcht
auch das Blut; weit mehr, als die körperliche Be¬
wegung. Ich werde ein geſunder Gefangener blei¬
ben. Auch Sie ſollen Ihre Freude an mir haben.
Ein Inquiſitor verliebt ſich am Ende in ſeinen In¬
quiſiten — er ſehnt ſich in der Nacht auf den näch¬
ſten Morgen, wo er ihn wieder erblickt —“

„Bis er ihn an einem Morgen dem Richter ab¬
liefert, der ihn nicht zurückliefert.“

„Das bilden Sie ſich ja nicht ein. Sie meinen

V. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="369"/>
ab. Alles für Andre! Nun, mein Herr, <hi rendition="#g">jetzt gilt es<lb/>
für mich &#x017F;elb&#x017F;t</hi>. Werde ich mich &#x017F;chlagen, wie Ihre<lb/>
Soldaten, für Commisbrod, aus Furcht vor dem Cor¬<lb/>
poral&#x017F;tock? Nein, wie der Pirat, den die Fregatten<lb/>
eingeholt. In dem Todeskampfe &#x017F;iegt er wohl zu¬<lb/>
weilen gegen die Uebermacht, es kommt öfter vor,<lb/>
daß er die Verfolger mit &#x017F;ich in die Luft &#x017F;prengt.<lb/>
O, es &#x017F;oll ein Kampf werden, auf den ich mich freue;<lb/>
eine Be&#x017F;chäftigung für den Gei&#x017F;t, wie ich &#x017F;ie wün&#x017F;che.<lb/>
Sperren Sie mich in den eng&#x017F;ten Kerker; je kleiner<lb/>
der Ke&#x017F;&#x017F;el, um &#x017F;o größer die Expan&#x017F;ionskraft des<lb/>
Ga&#x017F;es. Mein Compliment Ihnen, ich weiß, wen ich<lb/>
vor mir habe: keine plumpe Criminal&#x017F;pinne, die<lb/>
außer ihrer Aktenhöhle, blöd&#x017F;ichtig, nicht um &#x017F;ich weiß,<lb/>
nein, einen feinen Welt- und Lebemann, der mit &#x017F;ei¬<lb/>
nen Kenntni&#x017F;&#x017F;en und p&#x017F;ychologi&#x017F;chen Erfahrungen mich<lb/>
umgarnen und harmlos fangen möchte. Grad, auf<lb/>
&#x017F;olchen Gegner freue ich mich. Ich &#x017F;chätze Sie. Wir<lb/>
wollen uns in Minen und Contreminen begegnen.<lb/>
Das wird meinen Gei&#x017F;t fri&#x017F;ch erhalten; das erfri&#x017F;cht<lb/>
auch das Blut; weit mehr, als die körperliche Be¬<lb/>
wegung. Ich werde ein ge&#x017F;under Gefangener blei¬<lb/>
ben. Auch Sie &#x017F;ollen Ihre Freude an mir haben.<lb/>
Ein Inqui&#x017F;itor verliebt &#x017F;ich am Ende in &#x017F;einen In¬<lb/>
qui&#x017F;iten &#x2014; er &#x017F;ehnt &#x017F;ich in der Nacht auf den näch¬<lb/>
&#x017F;ten Morgen, wo er ihn wieder erblickt &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bis er ihn an einem Morgen dem Richter ab¬<lb/>
liefert, der ihn nicht zurückliefert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das bilden Sie &#x017F;ich ja nicht ein. Sie meinen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">V</hi>. 24<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0379] ab. Alles für Andre! Nun, mein Herr, jetzt gilt es für mich ſelbſt. Werde ich mich ſchlagen, wie Ihre Soldaten, für Commisbrod, aus Furcht vor dem Cor¬ poralſtock? Nein, wie der Pirat, den die Fregatten eingeholt. In dem Todeskampfe ſiegt er wohl zu¬ weilen gegen die Uebermacht, es kommt öfter vor, daß er die Verfolger mit ſich in die Luft ſprengt. O, es ſoll ein Kampf werden, auf den ich mich freue; eine Beſchäftigung für den Geiſt, wie ich ſie wünſche. Sperren Sie mich in den engſten Kerker; je kleiner der Keſſel, um ſo größer die Expanſionskraft des Gaſes. Mein Compliment Ihnen, ich weiß, wen ich vor mir habe: keine plumpe Criminalſpinne, die außer ihrer Aktenhöhle, blödſichtig, nicht um ſich weiß, nein, einen feinen Welt- und Lebemann, der mit ſei¬ nen Kenntniſſen und pſychologiſchen Erfahrungen mich umgarnen und harmlos fangen möchte. Grad, auf ſolchen Gegner freue ich mich. Ich ſchätze Sie. Wir wollen uns in Minen und Contreminen begegnen. Das wird meinen Geiſt friſch erhalten; das erfriſcht auch das Blut; weit mehr, als die körperliche Be¬ wegung. Ich werde ein geſunder Gefangener blei¬ ben. Auch Sie ſollen Ihre Freude an mir haben. Ein Inquiſitor verliebt ſich am Ende in ſeinen In¬ quiſiten — er ſehnt ſich in der Nacht auf den näch¬ ſten Morgen, wo er ihn wieder erblickt —“ „Bis er ihn an einem Morgen dem Richter ab¬ liefert, der ihn nicht zurückliefert.“ „Das bilden Sie ſich ja nicht ein. Sie meinen V. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/379
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/379>, abgerufen am 24.11.2024.