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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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für die des Mannes betete, der eben, nach furchtba¬
ren Convulsionen, sanft entschlummert war. Es war
ja Krieg, der in seinem Zorn Tausenden

-- unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Ais
Sendete, selber sie aber hinstreute zum Fraße den Hunden
Und dem Gevögel der Luft. So ward Sein Wille vollendet.
Warum war's eine Sünde, wenn ein edles Weib in
ihrem Gebet an eine andre Seele dachte, wenn sie
für diese um Vergebung flehte. Der Todte vor ihr
hatte nie Jemand getäuscht, was er war, hatte immer
zu Tage gelegen, der Richter überm Sternenzelt
kannte ihn und würde nach seinem Werth oder Un¬
werth das Urtheil fällen. Aber die Seele des Einen
war mit einem Fleck dahin gegangen. Ein einziger
Fleck hatte die reinste Seele getrübt, und ehe er sich
verantworten können, hatte das blitzende Schwert den
Helden niedergeschmettert. Wußte sie, in welchen
Aengsten, daß er keinen hatte, dem er beichten, gegen
den er sich von dem einzigen Fehler, der ihn drückte,
entlasten konnte! Und war es denn eine Sünde,
hatte er nicht wissen können, daß sie gern Alles für
ihn hingab, daß sie mit Freuden seine Schulden be¬
zahlt hätte, wenn er sich nur an sie gewandt! War
das nicht edel, daß er es nicht gethan! Nur in einem
schwachen Augenblick hatte er sich verführen lassen,
auch nur vielleicht in Betreff des Wucherers, der ihn
aus der Noth ziehen sollte. Und darum auf ewig
verdammt! Nein, wenn Einer, er bedurfte des

für die des Mannes betete, der eben, nach furchtba¬
ren Convulſionen, ſanft entſchlummert war. Es war
ja Krieg, der in ſeinem Zorn Tauſenden

— unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldenſöhne zum Ais
Sendete, ſelber ſie aber hinſtreute zum Fraße den Hunden
Und dem Gevögel der Luft. So ward Sein Wille vollendet.
Warum war's eine Sünde, wenn ein edles Weib in
ihrem Gebet an eine andre Seele dachte, wenn ſie
für dieſe um Vergebung flehte. Der Todte vor ihr
hatte nie Jemand getäuſcht, was er war, hatte immer
zu Tage gelegen, der Richter überm Sternenzelt
kannte ihn und würde nach ſeinem Werth oder Un¬
werth das Urtheil fällen. Aber die Seele des Einen
war mit einem Fleck dahin gegangen. Ein einziger
Fleck hatte die reinſte Seele getrübt, und ehe er ſich
verantworten können, hatte das blitzende Schwert den
Helden niedergeſchmettert. Wußte ſie, in welchen
Aengſten, daß er keinen hatte, dem er beichten, gegen
den er ſich von dem einzigen Fehler, der ihn drückte,
entlaſten konnte! Und war es denn eine Sünde,
hatte er nicht wiſſen können, daß ſie gern Alles für
ihn hingab, daß ſie mit Freuden ſeine Schulden be¬
zahlt hätte, wenn er ſich nur an ſie gewandt! War
das nicht edel, daß er es nicht gethan! Nur in einem
ſchwachen Augenblick hatte er ſich verführen laſſen,
auch nur vielleicht in Betreff des Wucherers, der ihn
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[358/0368] für die des Mannes betete, der eben, nach furchtba¬ ren Convulſionen, ſanft entſchlummert war. Es war ja Krieg, der in ſeinem Zorn Tauſenden — unnennbaren Jammer erregte, Und viel tapfere Seelen der Heldenſöhne zum Ais Sendete, ſelber ſie aber hinſtreute zum Fraße den Hunden Und dem Gevögel der Luft. So ward Sein Wille vollendet. Warum war's eine Sünde, wenn ein edles Weib in ihrem Gebet an eine andre Seele dachte, wenn ſie für dieſe um Vergebung flehte. Der Todte vor ihr hatte nie Jemand getäuſcht, was er war, hatte immer zu Tage gelegen, der Richter überm Sternenzelt kannte ihn und würde nach ſeinem Werth oder Un¬ werth das Urtheil fällen. Aber die Seele des Einen war mit einem Fleck dahin gegangen. Ein einziger Fleck hatte die reinſte Seele getrübt, und ehe er ſich verantworten können, hatte das blitzende Schwert den Helden niedergeſchmettert. Wußte ſie, in welchen Aengſten, daß er keinen hatte, dem er beichten, gegen den er ſich von dem einzigen Fehler, der ihn drückte, entlaſten konnte! Und war es denn eine Sünde, hatte er nicht wiſſen können, daß ſie gern Alles für ihn hingab, daß ſie mit Freuden ſeine Schulden be¬ zahlt hätte, wenn er ſich nur an ſie gewandt! War das nicht edel, daß er es nicht gethan! Nur in einem ſchwachen Augenblick hatte er ſich verführen laſſen, auch nur vielleicht in Betreff des Wucherers, der ihn aus der Noth ziehen ſollte. Und darum auf ewig verdammt! Nein, wenn Einer, er bedurfte des

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/368>, abgerufen am 24.11.2024.