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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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daß sie Schanzen aufwarfen, daß wer eine Muskete
tragen konnte, der Trommel folgte, als die Russen
ihre Kugeln in die Friedrichsstadt warfen? Des Kö¬
nigs Hauptstadt ward gerettet!"

"Meine lieben, theuren Mitbürger, bedenken
Sie doch die veränderten Verhältnisse. Wer war
Haddick, wer die Russen! Der Kaiser Napoleon ist
unüberwindlich. Sie waren selbst Militär. O erklären
Sie Ihren Mitbürgern, daß aller Patriotismus und
alle Bravour gegen ein disciplinirtes Heer nichts aus¬
richten. O mein Gott, stehn Sie mir doch bei, diese
braven, rechtlichen, unsre Mitbürger vor einer ent¬
setzlichen Verirrung zu bewahren."

"Excellenz, erwiderte Rittgarten, eine Schlacht
können wir den Franzosen nicht liefern, noch besteht
Bürger und Bauer vor denen, die den Krieg erlernt.
Das weiß ein Kind. Aber hier gilt's, was keiner
erlernt, was geboren ist, das Herz zeigen am rechten
Fleck. Ist der König geschlagen, so gilt's, ihm auf¬
bewahren, als treue Unterthanen, unsern Muth, unsre
Treue, uns selbst. Er wird wissen, ob er Berlin
halten soll oder aufgeben, und an uns ist's, ihm die
Entscheidung offen erhalten. Das ist unsre Schuldigkeit.
Es gilt, der Obrigkeit, die er zurückließ, gehorchen,
und wenn sie stumm bleibt, sie fragen, was müssen
wir thun, daß dem Könige seine Hauptstadt gerettet
wird? Sind Soldaten da, so sammelt sie, sind In¬
validen, ruft sie auf, sie werden dastehen. Sollen
die Bürger ihnen zutragen, schanzen, Wache stehen?

daß ſie Schanzen aufwarfen, daß wer eine Muskete
tragen konnte, der Trommel folgte, als die Ruſſen
ihre Kugeln in die Friedrichsſtadt warfen? Des Kö¬
nigs Hauptſtadt ward gerettet!“

„Meine lieben, theuren Mitbürger, bedenken
Sie doch die veränderten Verhältniſſe. Wer war
Haddick, wer die Ruſſen! Der Kaiſer Napoleon iſt
unüberwindlich. Sie waren ſelbſt Militär. O erklären
Sie Ihren Mitbürgern, daß aller Patriotismus und
alle Bravour gegen ein disciplinirtes Heer nichts aus¬
richten. O mein Gott, ſtehn Sie mir doch bei, dieſe
braven, rechtlichen, unſre Mitbürger vor einer ent¬
ſetzlichen Verirrung zu bewahren.“

„Excellenz, erwiderte Rittgarten, eine Schlacht
können wir den Franzoſen nicht liefern, noch beſteht
Bürger und Bauer vor denen, die den Krieg erlernt.
Das weiß ein Kind. Aber hier gilt's, was keiner
erlernt, was geboren iſt, das Herz zeigen am rechten
Fleck. Iſt der König geſchlagen, ſo gilt's, ihm auf¬
bewahren, als treue Unterthanen, unſern Muth, unſre
Treue, uns ſelbſt. Er wird wiſſen, ob er Berlin
halten ſoll oder aufgeben, und an uns iſt's, ihm die
Entſcheidung offen erhalten. Das iſt unſre Schuldigkeit.
Es gilt, der Obrigkeit, die er zurückließ, gehorchen,
und wenn ſie ſtumm bleibt, ſie fragen, was müſſen
wir thun, daß dem Könige ſeine Hauptſtadt gerettet
wird? Sind Soldaten da, ſo ſammelt ſie, ſind In¬
validen, ruft ſie auf, ſie werden daſtehen. Sollen
die Bürger ihnen zutragen, ſchanzen, Wache ſtehen?

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[349/0359] daß ſie Schanzen aufwarfen, daß wer eine Muskete tragen konnte, der Trommel folgte, als die Ruſſen ihre Kugeln in die Friedrichsſtadt warfen? Des Kö¬ nigs Hauptſtadt ward gerettet!“ „Meine lieben, theuren Mitbürger, bedenken Sie doch die veränderten Verhältniſſe. Wer war Haddick, wer die Ruſſen! Der Kaiſer Napoleon iſt unüberwindlich. Sie waren ſelbſt Militär. O erklären Sie Ihren Mitbürgern, daß aller Patriotismus und alle Bravour gegen ein disciplinirtes Heer nichts aus¬ richten. O mein Gott, ſtehn Sie mir doch bei, dieſe braven, rechtlichen, unſre Mitbürger vor einer ent¬ ſetzlichen Verirrung zu bewahren.“ „Excellenz, erwiderte Rittgarten, eine Schlacht können wir den Franzoſen nicht liefern, noch beſteht Bürger und Bauer vor denen, die den Krieg erlernt. Das weiß ein Kind. Aber hier gilt's, was keiner erlernt, was geboren iſt, das Herz zeigen am rechten Fleck. Iſt der König geſchlagen, ſo gilt's, ihm auf¬ bewahren, als treue Unterthanen, unſern Muth, unſre Treue, uns ſelbſt. Er wird wiſſen, ob er Berlin halten ſoll oder aufgeben, und an uns iſt's, ihm die Entſcheidung offen erhalten. Das iſt unſre Schuldigkeit. Es gilt, der Obrigkeit, die er zurückließ, gehorchen, und wenn ſie ſtumm bleibt, ſie fragen, was müſſen wir thun, daß dem Könige ſeine Hauptſtadt gerettet wird? Sind Soldaten da, ſo ſammelt ſie, ſind In¬ validen, ruft ſie auf, ſie werden daſtehen. Sollen die Bürger ihnen zutragen, ſchanzen, Wache ſtehen?

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/359>, abgerufen am 23.11.2024.