Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

rathen!" -- "Das Vaterland ist in Gefahr" -- "Die
Franzosen vor der Thür!"

"Ja, ja, meine lieben Freunde, um Gottes
Willen ja, es ist wahr, wir sind Alle in Gefahr --
aber was wollt Ihr, was sollen wir thun?"

Eine rebellische Stimme aus dem Haufen schrie
eine Verwünschung gegen die verfluchten Junker, die
das Unglück über's Land gebracht.

"Wir sind Alle gleich! Wir sind Alle Brüder,
uns Alle trifft es, wir müssen uns Alle im Unglück
beistehen."

Es klang schön, aber die im Hofe zeigten auf
die bepackten Reisewagen: "Er kratzt aus, uns läßt
er im Stich." Ein höhnisches Gelächter verschlim¬
merte die Lage der Autorität, die es nicht mehr war.
Da ward der Ruf laut: "Widerstand! Waffen! Ein
Schuft, wer seinen König verläßt!"

"Um Gottes Willen, verehrte Mitbürger! Ich
beschwöre Sie, bedenken Sie Ihre Familien, Ihre
lieben Kinder, Ihre Lage, diese Stadt! Es ist ein
Unglück, ja, ein großes, ein unermeßliches Unglück,
unsre Armee ist geschlagen, total geschlagen, wir
wissen nicht, wo sie ist. Wo eine so tapfere Armee
erliegen mußte, ist es Thorheit, ich beschwöre Sie, es
ist Raserei, an den geringsten Widerstand noch zu
denken."

"War's Thorheit, rief eine Stimme, es war der
alte Rittgarten, als Haddick in unsre Straßen sprengte,
daß die Berliner nicht zu Kreuz krochen? Raserei,

rathen!“ — „Das Vaterland iſt in Gefahr“ — „Die
Franzoſen vor der Thür!“

„Ja, ja, meine lieben Freunde, um Gottes
Willen ja, es iſt wahr, wir ſind Alle in Gefahr —
aber was wollt Ihr, was ſollen wir thun?“

Eine rebelliſche Stimme aus dem Haufen ſchrie
eine Verwünſchung gegen die verfluchten Junker, die
das Unglück über's Land gebracht.

„Wir ſind Alle gleich! Wir ſind Alle Brüder,
uns Alle trifft es, wir müſſen uns Alle im Unglück
beiſtehen.“

Es klang ſchön, aber die im Hofe zeigten auf
die bepackten Reiſewagen: „Er kratzt aus, uns läßt
er im Stich.“ Ein höhniſches Gelächter verſchlim¬
merte die Lage der Autorität, die es nicht mehr war.
Da ward der Ruf laut: „Widerſtand! Waffen! Ein
Schuft, wer ſeinen König verläßt!“

„Um Gottes Willen, verehrte Mitbürger! Ich
beſchwöre Sie, bedenken Sie Ihre Familien, Ihre
lieben Kinder, Ihre Lage, dieſe Stadt! Es iſt ein
Unglück, ja, ein großes, ein unermeßliches Unglück,
unſre Armee iſt geſchlagen, total geſchlagen, wir
wiſſen nicht, wo ſie iſt. Wo eine ſo tapfere Armee
erliegen mußte, iſt es Thorheit, ich beſchwöre Sie, es
iſt Raſerei, an den geringſten Widerſtand noch zu
denken.“

„War's Thorheit, rief eine Stimme, es war der
alte Rittgarten, als Haddick in unſre Straßen ſprengte,
daß die Berliner nicht zu Kreuz krochen? Raſerei,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="348"/>
rathen!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das Vaterland i&#x017F;t in Gefahr&#x201C; &#x2014; &#x201E;Die<lb/>
Franzo&#x017F;en vor der Thür!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ja, meine lieben Freunde, um Gottes<lb/>
Willen ja, es i&#x017F;t wahr, wir &#x017F;ind Alle in Gefahr &#x2014;<lb/>
aber was wollt Ihr, was &#x017F;ollen wir thun?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Eine rebelli&#x017F;che Stimme aus dem Haufen &#x017F;chrie<lb/>
eine Verwün&#x017F;chung gegen die verfluchten Junker, die<lb/>
das Unglück über's Land gebracht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;ind Alle gleich! Wir &#x017F;ind Alle Brüder,<lb/>
uns Alle trifft es, wir mü&#x017F;&#x017F;en uns Alle im Unglück<lb/>
bei&#x017F;tehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es klang &#x017F;chön, aber die im Hofe zeigten auf<lb/>
die bepackten Rei&#x017F;ewagen: &#x201E;<hi rendition="#g">Er</hi> kratzt aus, <hi rendition="#g">uns</hi> läßt<lb/>
er im Stich.&#x201C; Ein höhni&#x017F;ches Gelächter ver&#x017F;chlim¬<lb/>
merte die Lage der Autorität, die es nicht mehr war.<lb/>
Da ward der Ruf laut: &#x201E;Wider&#x017F;tand! Waffen! Ein<lb/>
Schuft, wer &#x017F;einen König verläßt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um Gottes Willen, verehrte Mitbürger! Ich<lb/>
be&#x017F;chwöre Sie, bedenken Sie Ihre Familien, Ihre<lb/>
lieben Kinder, Ihre Lage, die&#x017F;e Stadt! Es i&#x017F;t ein<lb/>
Unglück, ja, ein großes, ein unermeßliches Unglück,<lb/>
un&#x017F;re Armee i&#x017F;t ge&#x017F;chlagen, total ge&#x017F;chlagen, wir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en nicht, wo &#x017F;ie i&#x017F;t. Wo eine &#x017F;o tapfere Armee<lb/>
erliegen mußte, i&#x017F;t es Thorheit, ich be&#x017F;chwöre Sie, es<lb/>
i&#x017F;t Ra&#x017F;erei, an den gering&#x017F;ten Wider&#x017F;tand noch zu<lb/>
denken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;War's Thorheit, rief eine Stimme, es war der<lb/>
alte Rittgarten, als Haddick in un&#x017F;re Straßen &#x017F;prengte,<lb/>
daß die Berliner nicht zu Kreuz krochen? Ra&#x017F;erei,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0358] rathen!“ — „Das Vaterland iſt in Gefahr“ — „Die Franzoſen vor der Thür!“ „Ja, ja, meine lieben Freunde, um Gottes Willen ja, es iſt wahr, wir ſind Alle in Gefahr — aber was wollt Ihr, was ſollen wir thun?“ Eine rebelliſche Stimme aus dem Haufen ſchrie eine Verwünſchung gegen die verfluchten Junker, die das Unglück über's Land gebracht. „Wir ſind Alle gleich! Wir ſind Alle Brüder, uns Alle trifft es, wir müſſen uns Alle im Unglück beiſtehen.“ Es klang ſchön, aber die im Hofe zeigten auf die bepackten Reiſewagen: „Er kratzt aus, uns läßt er im Stich.“ Ein höhniſches Gelächter verſchlim¬ merte die Lage der Autorität, die es nicht mehr war. Da ward der Ruf laut: „Widerſtand! Waffen! Ein Schuft, wer ſeinen König verläßt!“ „Um Gottes Willen, verehrte Mitbürger! Ich beſchwöre Sie, bedenken Sie Ihre Familien, Ihre lieben Kinder, Ihre Lage, dieſe Stadt! Es iſt ein Unglück, ja, ein großes, ein unermeßliches Unglück, unſre Armee iſt geſchlagen, total geſchlagen, wir wiſſen nicht, wo ſie iſt. Wo eine ſo tapfere Armee erliegen mußte, iſt es Thorheit, ich beſchwöre Sie, es iſt Raſerei, an den geringſten Widerſtand noch zu denken.“ „War's Thorheit, rief eine Stimme, es war der alte Rittgarten, als Haddick in unſre Straßen ſprengte, daß die Berliner nicht zu Kreuz krochen? Raſerei,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/358
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/358>, abgerufen am 23.11.2024.