Der Baron hörte nichts davon, er konnte nichts davon hören. Der Legationsrath that einen Schrei -- er riß die Thüren auf. Herr Dallach und die Kellner, die hereintraten, sahen die liebende Theil¬ nahme, mit welcher Wandel dem Erkrankten den Kopf hielt.
"Ein Arzt!" -- "Ein Wagen!"
"Die verdammte Melone! Habe ich ihn nicht gewarnt?"
Herr Dallach reichte dem Kranken wieder ein Glas Portwein. Er wehrte es mit der Hand ab, Wandel schenkte ihm ein Glas Wasser. Er athmete wieder auf. "Ach, das Wasser, sagte Wandel, wenn die Aerzte erst seine wunderbare Heilkraft ganz kenn¬ ten! -- Jetzt nur frische Luft!"
Es kam kein Arzt, kein Wagen. "Die Stadt ist in Verwirrung."
"Würden Sie sich stark finden, theuerster Baron, zu Fuß nach Ihrer Wohnung -- ich führe Sie."
Der Baron war aufgestanden: "Es wird gehn, es wird schon besser werden. Ich erhole mich."
"Die verfluchte Melone!" knirschte Wandel und stampfte; er stülpte den Hut auf. Er zog den Wirth noch ein Mal bei Seite:
"Herr Dallach, habe ich's nicht gesagt? O, es wird noch ärger kommen. Wir können uns gratuliren."
"Was ist denn, Herr Legationsrath?"
"Die Cholera! schrie er ihm in's Ohr. Ein Anfall der asiatischen Cholera morbus! Und der Leicht¬
22*
Der Baron hörte nichts davon, er konnte nichts davon hören. Der Legationsrath that einen Schrei — er riß die Thüren auf. Herr Dallach und die Kellner, die hereintraten, ſahen die liebende Theil¬ nahme, mit welcher Wandel dem Erkrankten den Kopf hielt.
„Ein Arzt!“ — „Ein Wagen!“
„Die verdammte Melone! Habe ich ihn nicht gewarnt?“
Herr Dallach reichte dem Kranken wieder ein Glas Portwein. Er wehrte es mit der Hand ab, Wandel ſchenkte ihm ein Glas Waſſer. Er athmete wieder auf. „Ach, das Waſſer, ſagte Wandel, wenn die Aerzte erſt ſeine wunderbare Heilkraft ganz kenn¬ ten! — Jetzt nur friſche Luft!“
Es kam kein Arzt, kein Wagen. „Die Stadt iſt in Verwirrung.“
„Würden Sie ſich ſtark finden, theuerſter Baron, zu Fuß nach Ihrer Wohnung — ich führe Sie.“
Der Baron war aufgeſtanden: „Es wird gehn, es wird ſchon beſſer werden. Ich erhole mich.“
„Die verfluchte Melone!“ knirſchte Wandel und ſtampfte; er ſtülpte den Hut auf. Er zog den Wirth noch ein Mal bei Seite:
„Herr Dallach, habe ich's nicht geſagt? O, es wird noch ärger kommen. Wir können uns gratuliren.“
„Was iſt denn, Herr Legationsrath?“
„Die Cholera! ſchrie er ihm in's Ohr. Ein Anfall der aſiatiſchen Cholera morbus! Und der Leicht¬
22*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0349"n="339"/><p>Der Baron hörte nichts davon, er konnte nichts<lb/>
davon hören. Der Legationsrath that einen Schrei<lb/>— er riß die Thüren auf. Herr Dallach und die<lb/>
Kellner, die hereintraten, ſahen die liebende Theil¬<lb/>
nahme, mit welcher Wandel dem Erkrankten den<lb/>
Kopf hielt.</p><lb/><p>„Ein Arzt!“—„Ein Wagen!“</p><lb/><p>„Die verdammte Melone! Habe ich ihn nicht<lb/>
gewarnt?“</p><lb/><p>Herr Dallach reichte dem Kranken wieder ein<lb/>
Glas Portwein. Er wehrte es mit der Hand ab,<lb/>
Wandel ſchenkte ihm ein Glas Waſſer. Er athmete<lb/>
wieder auf. „Ach, das Waſſer, ſagte Wandel, wenn<lb/>
die Aerzte erſt ſeine wunderbare Heilkraft ganz kenn¬<lb/>
ten! — Jetzt nur friſche Luft!“</p><lb/><p>Es kam kein Arzt, kein Wagen. „Die Stadt<lb/>
iſt in Verwirrung.“</p><lb/><p>„Würden Sie ſich ſtark finden, theuerſter Baron,<lb/>
zu Fuß nach Ihrer Wohnung — ich führe Sie.“</p><lb/><p>Der Baron war aufgeſtanden: „Es wird gehn,<lb/>
es wird ſchon beſſer werden. Ich erhole mich.“</p><lb/><p>„Die verfluchte Melone!“ knirſchte Wandel und<lb/>ſtampfte; er ſtülpte den Hut auf. Er zog den Wirth<lb/>
noch ein Mal bei Seite:</p><lb/><p>„Herr Dallach, habe ich's nicht geſagt? O, es<lb/>
wird noch ärger kommen. Wir können uns gratuliren.“</p><lb/><p>„Was iſt denn, Herr Legationsrath?“</p><lb/><p>„Die Cholera! ſchrie er ihm in's Ohr. Ein<lb/>
Anfall der aſiatiſchen <hirendition="#aq">Cholera morbus</hi>! Und der Leicht¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">22*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[339/0349]
Der Baron hörte nichts davon, er konnte nichts
davon hören. Der Legationsrath that einen Schrei
— er riß die Thüren auf. Herr Dallach und die
Kellner, die hereintraten, ſahen die liebende Theil¬
nahme, mit welcher Wandel dem Erkrankten den
Kopf hielt.
„Ein Arzt!“ — „Ein Wagen!“
„Die verdammte Melone! Habe ich ihn nicht
gewarnt?“
Herr Dallach reichte dem Kranken wieder ein
Glas Portwein. Er wehrte es mit der Hand ab,
Wandel ſchenkte ihm ein Glas Waſſer. Er athmete
wieder auf. „Ach, das Waſſer, ſagte Wandel, wenn
die Aerzte erſt ſeine wunderbare Heilkraft ganz kenn¬
ten! — Jetzt nur friſche Luft!“
Es kam kein Arzt, kein Wagen. „Die Stadt
iſt in Verwirrung.“
„Würden Sie ſich ſtark finden, theuerſter Baron,
zu Fuß nach Ihrer Wohnung — ich führe Sie.“
Der Baron war aufgeſtanden: „Es wird gehn,
es wird ſchon beſſer werden. Ich erhole mich.“
„Die verfluchte Melone!“ knirſchte Wandel und
ſtampfte; er ſtülpte den Hut auf. Er zog den Wirth
noch ein Mal bei Seite:
„Herr Dallach, habe ich's nicht geſagt? O, es
wird noch ärger kommen. Wir können uns gratuliren.“
„Was iſt denn, Herr Legationsrath?“
„Die Cholera! ſchrie er ihm in's Ohr. Ein
Anfall der aſiatiſchen Cholera morbus! Und der Leicht¬
22*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/349>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.