der französischen Justiz verfolgten Aventuriers mit Herrn von Wandel! -- Seine Verbindung mit meiner Giftmischerin erschien mir als ein nur zu deutlicher Fingerzeig! -- Selbst die kecke Weise, wie er sich mir damals aufdrängte, konnte mich noch nicht ganz über¬ zeugen. Man hat Beispiele -- und er ist klug, sehr klug! -- Aber diese Briefe an die Lupinus! -- Der klarste Spiegel einer unbefangenen Seele, besser als er sich selbst darstellt. Er mag anderweitig -- aber in dieser Sache ist er nicht implicirt. Nichts von Ostentation, Raffinement! Er schreibt wie ein welt¬ erfahrner Mann. Seine Rathschläge, wie vernünftig! Er warnt sie vor der Exaltation, ihr aufrichtiger Freund; anfänglich zwar scheint ein andres Gefühl im Spiele, die Neigung steigert sich, aber dann dies allmälige Zurückfallen in den Ton der Achtung und des Respectes. -- Schade, daß ihre Briefe fehlen! Ja, eine Ahnung von dem, was in ihr vorging, mag er gehabt haben, darum zog er sich zurück. Und soll ich es ihm als Verbrechen anrechnen, daß er sich jetzt Mühe giebt, eine von ihm hochverehrte Frau zu ver¬ theidigen? -- Als Criminalist sollte ich es vielleicht, als Mensch kann ich es nicht."
Fuchsius war an ein anderes Convolut, das auf einem Nebentisch lag, getreten. Es waren französische Akten, er nahm eine Silhouette heraus und hielt sie an's Licht: "Und was bedeutete die Aehnlichkeit eines Schattenbildes mit einem lebendigen Menschen, wenn sie zu entdecken wäre! -- Und dann, wie vieler Jahre
der franzöſiſchen Juſtiz verfolgten Aventuriers mit Herrn von Wandel! — Seine Verbindung mit meiner Giftmiſcherin erſchien mir als ein nur zu deutlicher Fingerzeig! — Selbſt die kecke Weiſe, wie er ſich mir damals aufdrängte, konnte mich noch nicht ganz über¬ zeugen. Man hat Beiſpiele — und er iſt klug, ſehr klug! — Aber dieſe Briefe an die Lupinus! — Der klarſte Spiegel einer unbefangenen Seele, beſſer als er ſich ſelbſt darſtellt. Er mag anderweitig — aber in dieſer Sache iſt er nicht implicirt. Nichts von Oſtentation, Raffinement! Er ſchreibt wie ein welt¬ erfahrner Mann. Seine Rathſchläge, wie vernünftig! Er warnt ſie vor der Exaltation, ihr aufrichtiger Freund; anfänglich zwar ſcheint ein andres Gefühl im Spiele, die Neigung ſteigert ſich, aber dann dies allmälige Zurückfallen in den Ton der Achtung und des Reſpectes. — Schade, daß ihre Briefe fehlen! Ja, eine Ahnung von dem, was in ihr vorging, mag er gehabt haben, darum zog er ſich zurück. Und ſoll ich es ihm als Verbrechen anrechnen, daß er ſich jetzt Mühe giebt, eine von ihm hochverehrte Frau zu ver¬ theidigen? — Als Criminaliſt ſollte ich es vielleicht, als Menſch kann ich es nicht.“
Fuchſius war an ein anderes Convolut, das auf einem Nebentiſch lag, getreten. Es waren franzöſiſche Akten, er nahm eine Silhouette heraus und hielt ſie an's Licht: „Und was bedeutete die Aehnlichkeit eines Schattenbildes mit einem lebendigen Menſchen, wenn ſie zu entdecken wäre! — Und dann, wie vieler Jahre
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0325"n="315"/>
der franzöſiſchen Juſtiz verfolgten Aventuriers mit<lb/>
Herrn von Wandel! — Seine Verbindung mit meiner<lb/>
Giftmiſcherin erſchien mir als ein nur zu deutlicher<lb/>
Fingerzeig! — Selbſt die kecke Weiſe, wie er ſich mir<lb/>
damals aufdrängte, konnte mich noch nicht ganz über¬<lb/>
zeugen. Man hat Beiſpiele — und er iſt klug, ſehr<lb/>
klug! — Aber dieſe Briefe an die Lupinus! — Der<lb/>
klarſte Spiegel einer unbefangenen Seele, beſſer als<lb/>
er ſich ſelbſt darſtellt. Er mag anderweitig — aber<lb/>
in dieſer Sache iſt er nicht implicirt. Nichts von<lb/>
Oſtentation, Raffinement! Er ſchreibt wie ein welt¬<lb/>
erfahrner Mann. Seine Rathſchläge, wie vernünftig!<lb/>
Er warnt ſie vor der Exaltation, ihr aufrichtiger<lb/>
Freund; anfänglich zwar ſcheint ein andres Gefühl<lb/>
im Spiele, die Neigung ſteigert ſich, aber dann dies<lb/>
allmälige Zurückfallen in den Ton der Achtung und<lb/>
des Reſpectes. — Schade, daß ihre Briefe fehlen!<lb/>
Ja, eine Ahnung von dem, was in ihr vorging, mag<lb/>
er gehabt haben, darum zog er ſich zurück. Und ſoll<lb/>
ich es ihm als Verbrechen anrechnen, daß er ſich jetzt<lb/>
Mühe giebt, eine von ihm hochverehrte Frau zu ver¬<lb/>
theidigen? — Als Criminaliſt ſollte ich es vielleicht,<lb/>
als Menſch kann ich es nicht.“</p><lb/><p>Fuchſius war an ein anderes Convolut, das auf<lb/>
einem Nebentiſch lag, getreten. Es waren franzöſiſche<lb/>
Akten, er nahm eine Silhouette heraus und hielt ſie<lb/>
an's Licht: „Und was bedeutete die Aehnlichkeit eines<lb/>
Schattenbildes mit einem lebendigen Menſchen, wenn<lb/>ſie zu entdecken wäre! — Und dann, wie vieler Jahre<lb/></p></div></body></text></TEI>
[315/0325]
der franzöſiſchen Juſtiz verfolgten Aventuriers mit
Herrn von Wandel! — Seine Verbindung mit meiner
Giftmiſcherin erſchien mir als ein nur zu deutlicher
Fingerzeig! — Selbſt die kecke Weiſe, wie er ſich mir
damals aufdrängte, konnte mich noch nicht ganz über¬
zeugen. Man hat Beiſpiele — und er iſt klug, ſehr
klug! — Aber dieſe Briefe an die Lupinus! — Der
klarſte Spiegel einer unbefangenen Seele, beſſer als
er ſich ſelbſt darſtellt. Er mag anderweitig — aber
in dieſer Sache iſt er nicht implicirt. Nichts von
Oſtentation, Raffinement! Er ſchreibt wie ein welt¬
erfahrner Mann. Seine Rathſchläge, wie vernünftig!
Er warnt ſie vor der Exaltation, ihr aufrichtiger
Freund; anfänglich zwar ſcheint ein andres Gefühl
im Spiele, die Neigung ſteigert ſich, aber dann dies
allmälige Zurückfallen in den Ton der Achtung und
des Reſpectes. — Schade, daß ihre Briefe fehlen!
Ja, eine Ahnung von dem, was in ihr vorging, mag
er gehabt haben, darum zog er ſich zurück. Und ſoll
ich es ihm als Verbrechen anrechnen, daß er ſich jetzt
Mühe giebt, eine von ihm hochverehrte Frau zu ver¬
theidigen? — Als Criminaliſt ſollte ich es vielleicht,
als Menſch kann ich es nicht.“
Fuchſius war an ein anderes Convolut, das auf
einem Nebentiſch lag, getreten. Es waren franzöſiſche
Akten, er nahm eine Silhouette heraus und hielt ſie
an's Licht: „Und was bedeutete die Aehnlichkeit eines
Schattenbildes mit einem lebendigen Menſchen, wenn
ſie zu entdecken wäre! — Und dann, wie vieler Jahre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/325>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.