Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

das Ganze zusammenbricht -- und doch -- doch --
ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuversicht, daß
ich ihn noch ein Mal sehe --"

"Sie irren sich, Liebe. Ich weiß von nichts.
Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein schöner;
so könnte ich ihn allen denen wünschen, die ich ehre
und liebe und die doch nicht leben können. War die
Vorsehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht ist sie
es so gegen alle Edle. Wer im Leben über den
Staub und Stoff sich erhob, der, dünkt mich, hat
auch die Kraft, die Mittel, sich in der letzten Stunde
zu erheben, über den Tod -- die Wolken theilen sich
vor ihm, und er sieht Sonnenschein und Herrlichkeit -- "

Durch einen Lärm draußen wurden sie unter¬
brochen. Eine durchdringende Stimme hatte schon
aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die
Pferde, entweder scheu geworden oder angehalten,
hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch
der Wagen war davon zurückgestoßen, als man das
Fenster von innen niederließ. Ein staubbedeckter
Reiter sprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen.
Sein Wehen mit dem Tuche hatten sie in den Staub¬
wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht gesehen. Jetzt
hielt er am Kutschenschlag -- Da kam ein Schrei
aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬
tes Frauenherz außer sich bringen. Er hing mehr,
als er saß, auf dem Pferde, ein leichenblasses Todten¬
gesicht mit gläsernen Augen und stierem Blick. Der
Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in

das Ganze zuſammenbricht — und doch — doch —
ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuverſicht, daß
ich ihn noch ein Mal ſehe —“

„Sie irren ſich, Liebe. Ich weiß von nichts.
Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein ſchöner;
ſo könnte ich ihn allen denen wünſchen, die ich ehre
und liebe und die doch nicht leben können. War die
Vorſehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht iſt ſie
es ſo gegen alle Edle. Wer im Leben über den
Staub und Stoff ſich erhob, der, dünkt mich, hat
auch die Kraft, die Mittel, ſich in der letzten Stunde
zu erheben, über den Tod — die Wolken theilen ſich
vor ihm, und er ſieht Sonnenſchein und Herrlichkeit — “

Durch einen Lärm draußen wurden ſie unter¬
brochen. Eine durchdringende Stimme hatte ſchon
aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die
Pferde, entweder ſcheu geworden oder angehalten,
hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch
der Wagen war davon zurückgeſtoßen, als man das
Fenſter von innen niederließ. Ein ſtaubbedeckter
Reiter ſprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen.
Sein Wehen mit dem Tuche hatten ſie in den Staub¬
wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht geſehen. Jetzt
hielt er am Kutſchenſchlag — Da kam ein Schrei
aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬
tes Frauenherz außer ſich bringen. Er hing mehr,
als er ſaß, auf dem Pferde, ein leichenblaſſes Todten¬
geſicht mit gläſernen Augen und ſtierem Blick. Der
Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0314" n="304"/>
das Ganze zu&#x017F;ammenbricht &#x2014; und doch &#x2014; doch &#x2014;<lb/>
ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuver&#x017F;icht, daß<lb/>
ich ihn noch ein Mal &#x017F;ehe &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie irren &#x017F;ich, Liebe. Ich weiß von nichts.<lb/>
Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein &#x017F;chöner;<lb/>
&#x017F;o könnte ich ihn allen denen wün&#x017F;chen, die ich ehre<lb/>
und liebe und die doch nicht leben können. War die<lb/>
Vor&#x017F;ehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
es &#x017F;o gegen alle Edle. Wer im Leben über den<lb/>
Staub und Stoff &#x017F;ich erhob, der, dünkt mich, hat<lb/>
auch die Kraft, die Mittel, &#x017F;ich in der letzten Stunde<lb/>
zu erheben, über den Tod &#x2014; die Wolken theilen &#x017F;ich<lb/>
vor ihm, und er &#x017F;ieht Sonnen&#x017F;chein und Herrlichkeit &#x2014; &#x201C;</p><lb/>
        <p>Durch einen Lärm draußen wurden &#x017F;ie unter¬<lb/>
brochen. Eine durchdringende Stimme hatte &#x017F;chon<lb/>
aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die<lb/>
Pferde, entweder &#x017F;cheu geworden oder angehalten,<lb/>
hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch<lb/>
der Wagen war davon zurückge&#x017F;toßen, als man das<lb/>
Fen&#x017F;ter von innen niederließ. Ein &#x017F;taubbedeckter<lb/>
Reiter &#x017F;prengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen.<lb/>
Sein Wehen mit dem Tuche hatten &#x017F;ie in den Staub¬<lb/>
wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht ge&#x017F;ehen. Jetzt<lb/>
hielt er am Kut&#x017F;chen&#x017F;chlag &#x2014; Da kam ein Schrei<lb/>
aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬<lb/>
tes Frauenherz außer &#x017F;ich bringen. Er hing mehr,<lb/>
als er &#x017F;aß, auf dem Pferde, ein leichenbla&#x017F;&#x017F;es Todten¬<lb/>
ge&#x017F;icht mit glä&#x017F;ernen Augen und &#x017F;tierem Blick. Der<lb/>
Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0314] das Ganze zuſammenbricht — und doch — doch — ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuverſicht, daß ich ihn noch ein Mal ſehe —“ „Sie irren ſich, Liebe. Ich weiß von nichts. Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein ſchöner; ſo könnte ich ihn allen denen wünſchen, die ich ehre und liebe und die doch nicht leben können. War die Vorſehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht iſt ſie es ſo gegen alle Edle. Wer im Leben über den Staub und Stoff ſich erhob, der, dünkt mich, hat auch die Kraft, die Mittel, ſich in der letzten Stunde zu erheben, über den Tod — die Wolken theilen ſich vor ihm, und er ſieht Sonnenſchein und Herrlichkeit — “ Durch einen Lärm draußen wurden ſie unter¬ brochen. Eine durchdringende Stimme hatte ſchon aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die Pferde, entweder ſcheu geworden oder angehalten, hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch der Wagen war davon zurückgeſtoßen, als man das Fenſter von innen niederließ. Ein ſtaubbedeckter Reiter ſprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen. Sein Wehen mit dem Tuche hatten ſie in den Staub¬ wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht geſehen. Jetzt hielt er am Kutſchenſchlag — Da kam ein Schrei aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬ tes Frauenherz außer ſich bringen. Er hing mehr, als er ſaß, auf dem Pferde, ein leichenblaſſes Todten¬ geſicht mit gläſernen Augen und ſtierem Blick. Der Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/314
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/314>, abgerufen am 22.11.2024.