das Ganze zusammenbricht -- und doch -- doch -- ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuversicht, daß ich ihn noch ein Mal sehe --"
"Sie irren sich, Liebe. Ich weiß von nichts. Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein schöner; so könnte ich ihn allen denen wünschen, die ich ehre und liebe und die doch nicht leben können. War die Vorsehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht ist sie es so gegen alle Edle. Wer im Leben über den Staub und Stoff sich erhob, der, dünkt mich, hat auch die Kraft, die Mittel, sich in der letzten Stunde zu erheben, über den Tod -- die Wolken theilen sich vor ihm, und er sieht Sonnenschein und Herrlichkeit -- "
Durch einen Lärm draußen wurden sie unter¬ brochen. Eine durchdringende Stimme hatte schon aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die Pferde, entweder scheu geworden oder angehalten, hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch der Wagen war davon zurückgestoßen, als man das Fenster von innen niederließ. Ein staubbedeckter Reiter sprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen. Sein Wehen mit dem Tuche hatten sie in den Staub¬ wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht gesehen. Jetzt hielt er am Kutschenschlag -- Da kam ein Schrei aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬ tes Frauenherz außer sich bringen. Er hing mehr, als er saß, auf dem Pferde, ein leichenblasses Todten¬ gesicht mit gläsernen Augen und stierem Blick. Der Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in
das Ganze zuſammenbricht — und doch — doch — ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuverſicht, daß ich ihn noch ein Mal ſehe —“
„Sie irren ſich, Liebe. Ich weiß von nichts. Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein ſchöner; ſo könnte ich ihn allen denen wünſchen, die ich ehre und liebe und die doch nicht leben können. War die Vorſehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht iſt ſie es ſo gegen alle Edle. Wer im Leben über den Staub und Stoff ſich erhob, der, dünkt mich, hat auch die Kraft, die Mittel, ſich in der letzten Stunde zu erheben, über den Tod — die Wolken theilen ſich vor ihm, und er ſieht Sonnenſchein und Herrlichkeit — “
Durch einen Lärm draußen wurden ſie unter¬ brochen. Eine durchdringende Stimme hatte ſchon aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die Pferde, entweder ſcheu geworden oder angehalten, hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch der Wagen war davon zurückgeſtoßen, als man das Fenſter von innen niederließ. Ein ſtaubbedeckter Reiter ſprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen. Sein Wehen mit dem Tuche hatten ſie in den Staub¬ wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht geſehen. Jetzt hielt er am Kutſchenſchlag — Da kam ein Schrei aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬ tes Frauenherz außer ſich bringen. Er hing mehr, als er ſaß, auf dem Pferde, ein leichenblaſſes Todten¬ geſicht mit gläſernen Augen und ſtierem Blick. Der Hut war ihm vom Kopf geflogen, die Haare hingen in
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das Ganze zuſammenbricht — und doch — doch —
ich habe noch eine Hoffnung, beinahe Zuverſicht, daß
ich ihn noch ein Mal ſehe —“
„Sie irren ſich, Liebe. Ich weiß von nichts.
Ich dachte nur, des Prinzen Tod war ein ſchöner;
ſo könnte ich ihn allen denen wünſchen, die ich ehre
und liebe und die doch nicht leben können. War die
Vorſehung nicht gütig gegen ihn? Vielleicht iſt ſie
es ſo gegen alle Edle. Wer im Leben über den
Staub und Stoff ſich erhob, der, dünkt mich, hat
auch die Kraft, die Mittel, ſich in der letzten Stunde
zu erheben, über den Tod — die Wolken theilen ſich
vor ihm, und er ſieht Sonnenſchein und Herrlichkeit — “
Durch einen Lärm draußen wurden ſie unter¬
brochen. Eine durchdringende Stimme hatte ſchon
aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die
Pferde, entweder ſcheu geworden oder angehalten,
hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch
der Wagen war davon zurückgeſtoßen, als man das
Fenſter von innen niederließ. Ein ſtaubbedeckter
Reiter ſprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen.
Sein Wehen mit dem Tuche hatten ſie in den Staub¬
wirbeln, die um ihn aufflogen, nicht geſehen. Jetzt
hielt er am Kutſchenſchlag — Da kam ein Schrei
aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zar¬
tes Frauenherz außer ſich bringen. Er hing mehr,
als er ſaß, auf dem Pferde, ein leichenblaſſes Todten¬
geſicht mit gläſernen Augen und ſtierem Blick. Der
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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